Unsere Volkshymne, die ägyptische und die englische Nationalweise erklangen von unserem Achterdeck, als wir vor 8 Uhr morgens den Hafen verließen und in den Suez-Kanal einliefen. Der Nordost hielt noch immer an; doch war das Wetter schön und zeigte das Thermometer bereits 22° Celsius in der Sonne. Die Fahrt durch den Kanal bietet zwar keine landschaftlich schönen Bilder, ist aber doch interessant durch den vollkommenen Wüstencharakter, den sowohl das afrikanische als das asiatische Ufer trägt. Zur Rechten wie zur Linken nichts als Sand, gelb schimmernder Sand, in dem nur hie und da mageres, graugrünes Gestrüpp auftaucht. Beiderseits zieht sich schier endlos kahle, wüste Ebene hin, häufig der Schauplatz der gaukelnden Fata morgana.
Die ersten 20 km fährt man längs des Menzaleh-Sees, den ein nur breiter Damm vom Canale trennt. Wer es nicht selbst gesehen hat, macht sich keinen Begriff von der Menge Wasserwildes, das um diese Jahreszeit den Menzaleh-See bevölkert: Tausende und aber Tausende von Flamingos stehen, rosenrote Wände bildend, unbeweglich im Wasser; dazwischen streichen große Schwärme von Enten und Tauchern, während bedächtige Pelikane mit unerschütterlicher Ausdauer auf Fische lauern oder schwerfälligen Fluges über das Wasser ziehen. Am auffallendsten sind die ungeheuren Mengen von Uferläufern und Regenpfeifern, die, pfeilschnell hin- und herstreichend, je nach den Wendungen des Fluges bald silberartig in der Sonne glänzen, bald als dunkle Wolke erscheinen und so einem glitzernden Silberband gleichen, das in den Lüften flattert.
Hat das Schiff das Ende des Menzaleh-Sees erreicht, so fährt es mit halber Kraft zwischen zahlreichen Bojen hindurch in dem engen Suez-Kanal weiter, diesem modernen Weltwunder, welches menschliche Energie und Ausdauer in verhältnismäßig kurzer Zeit geschaffen. Alle 10 km befinden sich Ausweichstellen und Signalstationen, kleine, reinlich aussehende Häuser, mit Veranden geziert und von grünen Gärtchen umgeben. Hier wohnen Beamte der Kanal-Compagnie, welche Aufsicht und Polizei im Kanal führen. .Auf hohen Masten werden Signale für die Schiffe gehisst. Große Baggermaschinen arbeiten emsig das ganze Jahr hindurch, um das Bett des Kanales, welchen das nachschiebende Uferland und der Flugsand der Wüste immer wieder zu verschlammen und zu versanden drohen, normal zu erhalten; Eingeborene verladen das Aushubmaterial auf Kamele, welche es dann in weiter Entfernung deponieren — und so gibt es ununterbrochen bedeutende Erhaltungsarbeit, wodurch auch die ziemlich hohen Gebühren erklärt sind, welche die Schiffe für die Durchfahrt zu entrichten haben. Unsere Schiffskasse wurde um eine Taxe von 13.000 Francs erleichtert.
Die Kanal-Compagnie hatte die Freundlichkeit, unsere Durchfahrt dadurch tunlichst zu beschleunigen, dass sie allen entgegenkommenden Dampfern die telegraphische Weisung erteilte, an den Ausweichstellen sich zu vertäuen und uns passieren zu lassen. Dies dürfte nicht eben die besondere Freude der Kapitäne jener Schiffe erregt haben, so dass wohl manch derbes Wort rauen Seemannskehlen entschlüpft sein mag, als wir in voller Fahrt an den ungeduldig harrenden Schiffen vorbeizogen und den Blicken entschwanden. Ein großer, englischer Dampfer war bei dem Ausweichen auf den Grund geraten und arbeitete, so lange wir ihn sehen konnten, fruchtlos mit der Maschine, um sich freizumachen.
Gegen Abend langte die „Elisabeth“ in Ismailia an, wo wir den Lotsen wechselten, um sodann die Fahrt unverzüglich fortzusetzen. Von Ismailia sahen wir nur wenige am Ufer gelegene Häuser und etwas Vegetation, welche einen angenehmen Kontrast zu der Eintönigkeit der Wüste bildete. In den für diese Gegend spezifischen Farben des Horizonts, dunklem Safran- und Purpurrot, ging die Sonne unter. Die großen elektrischen Projektoren wurden in Tätigkeit gesetzt und beleuchteten taghell unseren Weg, so dass man jede einzelne Boje auf die weiteste Distanz unterscheiden konnte. In den Bitterseen fuhren wir einem großen, englischen Viermaster vor und mussten am Ende des kleinen Bittersees warten, bis sich drei Dampfer bei der nächsten Gare vertäut hatten. Ich blieb bis nach 11 Uhr abends auf der Brücke, da es interessant war, das Funktionieren der verschiedenen Signale an den Gares und Schiffen wahrzunehmen, sowie die Geschicklichkeit zu beobachten, mit welcher der Lotse, ein Landsmann aus Porto Rè, das Schiff den vielfach verschlungenen Kurs steuerte.
Links
- Ort: Ismaïlia, Ägypten
- ANNO – am 21.12.1892 in Österreichs Presse. Die Neue Freie Presse bedauert, dass es in Österreich keine staatlichen sondern nur kirchliche Feiertage gibt. Während die Engländer die Guy Fawkes Night, die Franzosen ihre Erstürmung der Bastille und die Italiener ihren Verfassungstag feiern, gibt es keinen vergleichbaren Anlass in Österreich-Ungarn. Trotzdem gedachte man angesichts des 25. Jahrejubiläums am 20. December 1892 an den Ausgleich von 1867 zwischen Österreich und Ungarn.
- Das k.u.k. Hofoperntheater führt Luigi Manzottis Ballet Excelsior auf.