Vorwort

Von Jugend auf bin ich viel gereist. Mannigfache Veranlassungen haben mich kreuz und quer durch Europa geführt, so dass sich mir reiche Gelegenheit geboten hat, unseren alten Erdteil kennen zu lernen. Auch das Land der Pharaonen, Syrien und Palästina habe ich durchwandert. Die Verschiedenartigkeit, die Ursprünglichkeit der empfangenen Eindrücke von Ländern und Leuten, von Zuständen und Dingen haben mir Belehrung, Befriedigung, Genuss verschafft. Kein Wunder, dass in mir früh die Reiselust rege geworden ist, dass sie sich im Lauf der Jahre immer mächtiger entwickelt und endlich zu dem Wunsch ausgestaltet hat, es möge mir beschieden sein, eine Wanderung um die Erde zu vollbringen. Dieser Wunsch ist in Erfüllung gegangen.

Durch die allergnädigste Fürsorge Seiner Majestät war es mir gegönnt, einen großen Teil der Reise auf einem Juwel unserer ruhmvollen Flotte, an Bord des Torpedo-Rammkreuzers „Kaiserin Elisabeth“ zurückzulegen. Den Allerhöchsten Intentionen gemäß hatte die „Kaiserin Elisabeth“ die ostasiatischen Gewässer zu befahren. Durch diese Reise sollte einem Teil der Marine Gelegenheit geboten sein, sich weitere praktische Ausbildung anzueignen, sowie maritime und wissenschaftliche Studien vorzunehmen. Andererseits aber sollte durch die Entsendung eines imposanten Kriegsschiffes in ferne Meere die Machtstellung der Monarchie zu gebürendem Ausdruck gebracht und so deren handelspolitischen Interessen in wirksamer Weise Vorschub geleistet werden. Die Zwecke, welche für die Entsendung dieses Schiffes maßgebend waren, gestatteten eine teilweise Verbindung der Reiseroute, die ich zu nehmen gedachte, mit jener, welche die „Kaiserin Elisabeth“ einzuschlagen hatte.

Dankerfüllten Herzens gegen die Vorsehung, die mich geleitet hat, gegen jene, die mein Beginnen gefördert, unterstützt haben, spreche ich aus, dass sich alles vereinigt hat, um mich das Ziel erreichen zu lassen, welches ich selhst mir gesteckt habe. Nicht die Neugierde, welche den Globe-Trotter um den Erdball treibt; nicht lediglich die Vorliebe für die Jagd, obwohl diese für sich allein in Anspruch nehmen kann, den Reisenden unausgesetzt in unmittelbare Berührung mit ursprünglichem Naturleben zu bringen; nicht der Wunsch, jenseits des Ozeans seltsames Schaugepränge, exotischen Glanz anzustaunen, haben mich bestimmt, fast ein langes Jahr ferne von der Heimat zu weilen. Was mich hiezu bewogen hat, ist das Streben gewesen: aus der persönlichen Anschauung anderer Erdteile, aus dem Einblick in fremde Staatsgebilde und Gemeinwesen, aus der Berührung mit fremden Völkern und Menschen, mit ausländischer Kultur und Sitte Belehrung zu gewinnen; aus der Besichtigung wundersamer Werke der Kunst, aus der Betrachtung fremdartiger Natur und ihrer unerschöpflichen Reize Genuss zu schöpfen. In offener See — auf festem Lande: in fürstlichen Palästen — in dürftigen Hütten; in Metropolen — in einsamer Wildnis; in üppigen Niederungen — auf lichten Bergeshöhen habe ich gefunden, was ich gesucht. An Erfahrungen, an seltener Beute, an Sammlungen reich bin ich heimgekehrt.

Um all die tausendfältigen Eindrücke festzuhalten, welche auf mich einstürmten, um noch in spätem Alter nachempfindend wieder genießen zu können, was mich in jungen Jahren entzückt hat, habe ich vom Anbeginn der Reise tägliche Aufzeichnungen gemacht. Hiebei war ich aber auch von dem Gedanken an jene bestimmt, die mir in der Heimat weilten. Sie, welche des unmittelbaren, unvergleichlichen Reizes der an mir vorüberziehenden Bilder entbehren mussten, sollten hiefür — wenn auch nur schwachen — Ersatz darin finden, dass ich sie mittelbar an dem Zuge um die Erde teilnehmen lasse, indem ich ihnen meine Aufzeichnungen darbiete. So übergebe ich denn meinen Lieben und meinen Freunden mein Tagebuch. Es enthält Geschautes, Erlebtes, Gedachtes, Gelerntes und hofft bei denjenigen, für welche es bestimmt ist, das Maß von Interesse zu finden, welches Zuneigung und Freundschaft einzuflößen vermögen.

Franz-Ferdinand von Österreich-Este

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