Von Kandy nach Colombo, 13. Jänner 1893

Um halb 8 Uhr morgens las mir der päpstliche Delegat für Indien, Monsignore Zaleski, welcher den größten Teil des Jahres in Kandy zubringt, in der kleinen katholischen Kirche eine feierliche Messe, welcher die gesamte katholische Gemeinde, zumeist aus Mischlingen von Europäern und Singhalesen bestehend, beiwohnte. Dem Monsignore assistierte eine große Anzahl vorwiegend dunkelfarbiger Geistlicher, während die Musik und der Gesang in wenig harmonischer Weise von den Gläubigen bestritten wurde. Nach Beendigung des Gottesdienstes wollte ich dem Delegaten meinen Besuch abstatten, traf ihn aber zu meinem Bedauern nicht an.

Wir unternahmen nun eine herrliche Morgenspazierfahrt auf der Lawrence Drive, einer Straße, die eine Reihe von Hügeln entlang führt und eine entzückende Aussicht auf Kandy, den großen Teich, den Buddha-Tempel, das gesamte Weichbild der Stadt und auf die spitzen

Gebirge des Hintergrundes gewährt. Noch schimmerte alles im bläulichen Hauche des Morgens: die Häuser der Stadt zu meinen Füßen, das Tal von Kandy, die fernen Höhenzüge.

Nachdem ich in Kandy, nach Nachrichten aus der Heimat lüstern, die Reuter-Depeschen durchgesehen hatte, nahm ich im Pavillon das Gouverneurs von Sir Arthur und Lady Havelock herzlichen Abschied. Um die Erinnerung an die Stunden des Beisammenseins mit diesem liebenswürdigen Paare auch durch ein sichtbares Zeichen festzuhalten, ließen wir uns im Verein mit den Genannten in einer Gruppe photographisch aufnehmen.

Die Rückfahrt nach Colombo war prachtvoll; einen Teil der Fahrt machte ich, um vollkommen freien Ausblick zu genießen, auf der Lokomotive und konnte mich an den landschaftlichen Reizen der ganzen Strecke nicht satt sehen.

Der Nachmittag in Colombo war Einkäufen gewidmet. Das Diner nahmen wir, einer Einladung unseres Konsulargerenten Schnell folgend, in dessen außerhalb der Stadt gelegenem Landhaus. Herr und Frau Schnell, letztere eine junge, hübsche Dame, die in patriotisch schwarzgelber Toilette erschienen war, machten in angenehmster Weise die Honneurs und erfreuten uns nach dem Diner mit der Vorführung eines Teufelstanzes, der sich aber von jenem, den wir in Kalawewa gesehen, wesentlich unterschied. Er war, möchte ich sagen, zivilisierter, weniger grotesk und zeichnete sich hauptsächlich dadurch aus, dass die Tänzer auf dem Kopf große, fratzenartige Holzmasken trugen, aus denen sie sehr geschickt Feuer spien und bliesen. Musik und Gesang waren gleicher Art wie bei dem Tanz der Dschungel-Bewohner in Kalawewa. Wir saßen unter Palmen in einem Gartenkiosk, während die Tänzer sich auf freiem Rasen bewegten.

Auf den Teufelstanz folgte die Produktion eines Taschenspielers, der verschiedene Kunststücke zum besten gab. Interessant war die Art, in der er das Wachstum eines Mangobaumes vorführte. Der Zauberer breitete ein Tuch zu Boden, hob es nach einigem Hocuspocus auf und siehe, etwa zollhoch schien die kleine grüne Pflanze emporgewachsen. Immer wieder verhüllte der Künstler die Pflanze mit dem Zaubertuch und so oft er es lüftete, war sie wieder höher emporgeschossen. Sie wurde immer größer und üppiger, ein Strauch mit langen, schönen Blättern, ein sprießendes Bäumlein, ein blühender Baum, und endlich stand in voller Pracht ein mit reifen Früchten bedeckter, hoher Mangobaum vor uns auf dem Rasen. Auch als Schlangenbändiger zeigte sich der Künstler. Aus zwei Körben schossen unter den Tonen einer Schalmei zwei Kobraschlangen hervor. Sie bäumten sich, bliesen den mit der deutlich wahrnehmbaren Brille geschmückten Kopf fächerförmig auf und wandten sich zischend und fauchend gegen ihren Bändiger, was ziemlich gefährlich aussah, aber, da die Schlangen ihrer Giftzähne beraubt waren, tatsächlich ganz gefahrlos war. Trotzdem erhob Frau Schnell ein kleines Geschrei, als sich eine der Bestien gegen uns kehrte und sich uns zu Füßen zischend auf dem Rasen wand.

Mit diesem Gartenfeste war unser Aufenthalt in Ceylon zu Ende. Wir nahmen von unseren so zuvorkommenden Gastfreunden Abschied und kehrten in später Stunde an Bord der „Elisabeth“ zurück.

Links

  • Ort: Colombo, Ceylon
  • ANNO – am 13.01.1893 in Österreichs Presse. In Paris gehen die Wogen im Panamaskandal in den Strassen, den Blättern, im Parlament und nun auch im Gerichtssaal hoch. Der dritte Tag vor Gericht im Panama-Prozess hat begonnen. Ein friedlicheres Thema in Wien: Ein neues 3,5 m langes Panorama der Innenstadt Wiens wird dem Publikum bald vorgestellt werden. Die Neue Freie Presse berichtet via Telegram aus Calcutta über die Vorbereitungen dort auf die Ankunft Franz Ferdinands. Neben einem Regierungsgaladiner erwartet ihn ein Empfang der österreichischen Expats, Museumsbesuche, Paraden, Tanzdarbietungen und ein Ausflug nach Darjeeling.
  • Das Wiener Salonblatt Nr. 3 vom 15 Jänner beinhaltet bereits eine kurze Notiz zu Franz Ferdinands Aufenthalt in Ceylon und seinem Aufbruch nach Bombay.
Notice in the Wiener Salonblatt no. 3 about Franz Ferdinand's stay in Ceylon

Notiz auf Seite 8 des Wiener Salonblatt no. 3 über Franz Ferdinands Aufenthalt in Ceylon

  • Das k.u.k. Hof-Burgtheater spielt den Schwank „Der Bibliothekar“ von Gustav von Moser. Beim k.u.k Hof-Operntheater steht Jules Massenets Werther auf dem Programm.

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