Der Tag des Aufbruches von Kalawewa und der Rückkehr nach Kandy war gekommen. Morgens 6 Uhr saßen wir im Sattel, um einen anderen Weg als jenen, den wir bereits kannten, nach Dambul einzuschlagen. Mein Ross war ein australischer Fuchs aus dem Stall des Gouverneurs. Der Gaul schien wenig zu versprechen, bewies aber im Lauf des Rittes vorzügliche Eigenschaften, namentlich bewundernswerte Ausdauer.
Zu Anfang ging’s durch bekannte Gegenden, dann aber durch schönes Dschungelland, über Felspartien hinüber, an vielen Teichen und Mooren vorbei, durch zahlreiche ausgetrocknete Flussbette, an deren Rand gewaltige Bäume Schatten spendeten.
Bei dem Rasthaus von Nalande, unweit eines kleinen, malerisch gelegenen Buddha-Tempels, rasteten wir. Wieder zu Pferde, erklärte Pirie, wir kämen zu langsam vorwärts und legte ein Trabtempo vor, das russischen Trabern von Profession alle Ehre gemacht hätte. Genügte dies nicht, so galoppierten wir, und zwar in scharfem Jagdtempo, ohne Rücksicht auf den vielfach gekrümmten Weg, die zahlreichen Steine und Wurzeln, bald über Reisfelder, bald durch das dichteste Dschungel sausend. Ein toller Ritt! Vorauf Pirie auf einem dicken Schwarzbraun; dann ich auf dem steifen, verstellten Fuchs, der wie ein Drache ging; Kinsky und Clam auf zwei hohen, australischen Wagenpferden; Wurmbrand auf einem kleinen Polo Pony; Prónay ebenfalls auf einem siebzehnfäustigen Wagengaul und zum Schluss ein kohlrabenschwarzer Gendarmerie-Wachtmeister auf einem uralten, schneeweißen Schimmel. Die Tiere hielten bei der großen Hitze und der tollen »Juckerei« ganz unglaublich gut aus. Bald waren 26 km zurückgelegt. Von Schweiß triefend, langten Ross und Reiter in Dambul an, wo wir noch lange auf die Ankunft der Jäger, der Bagage und der Wagen zu warten hatten.
Doch diese Pause war eine willkommene! Harrten doch unser in Dambul freundliche Boten aus der Heimat, Bringer guter Nachrichten — die ersten Briefe und Zeitungen aus Wien. Am 18. Dezember dort zur Post gegeben, hatten die Poststücke den Weg von der Kaiserstadt am Donaustrand bis in das Dschungel von Dambul in 25 Tagen zurückgelegt.
Nach kurzer Rast setzten wir die Reise zu Wagen fort, unterbrachen diese jedoch, um zwischen Nalande und Matale die große Factorei Kawadapella zu besichtigen, welche, einer Aktiengesellschaft gehörend und von Engländern verwaltet, auf den ausgedehnten Plantagen Tee, Kaffee und Kakao produziert.
Gegenwärtig ist ungefähr ein Fünftel der Oberfläche Ceylons dem Bau von Nutzpflanzen gewidmet. Diese sind teils einheimische Gewächse, wie Baumwolle, Indigo, Zuckerrohr, Bambus, Früchte und Gewürze aller Art, teils fremdländische, welche ihre Kultur auf dem so fruchtbaren Boden der Insel der kolonisatorischen Tätigkeit der Engländer verdanken. Die Einführung, Anpassung und Kultivierung neuer ertragreicher und lohnender Merkantilpflanzen bietet in allen kolonialen, ja in allen Kulturterritorien überhaupt einen Haupthebel der fortschrittlichen Produktion.
Gleichwie unser einst nur mit indigenen Gewächsen bedecktes Europa durch die Einwanderung insbesondere asiatischer Kulturpflanzen jetzt ein Vegetationsbild bietet, das vielfach fremdländische, mit dem europäischen Heimatsrechte begabte Elemente einschließt, so haben auch auf Ceylon kaufmännischer Spekulationsgeist und agrikole Erfahrung neu eingeführten, äußerst wertvollen Kulturpflanzen wiederholt die ersten Plätze im landwirtschaftlichen Betriebe der Insel angewiesen.
Unter der niederländischen Herrschaft (1656 bis 1802) hat hier der von altersher berühmte ceylonische Zimt (Cinnamomum ceylanicum) die besondere Fürsorge der Pflanzer gefunden und unter den Erzeugnissen der Insel die Hauptrolle gespielt. Als jedoch im 18. und insbesondere im 19. Jahrhundert bei den zivilisierten Nationen Kaffee als Getränk in Aufnahme kam, lenkte sich der kommerzielle Blick der Pflanzer auf den Anbau der bis ans Ende des 17. Jahrhunderts ausschließlich in Arabien kultivierten Kaffeestaude. Ihre Bedeutung wuchs unter dem Regime der Engländer so sehr, dass um die Mitte unseres Jahrhunderts die Kaffeeplantagen die vornehmste Quelle des Reichtums von Ceylon darstellten. Diese Periode fand ein jähes Ende, als die zuerst 1869 beobachtete Blattkrankheit oder Kaffeepest (Hemileia vastatrix) — ein Pilz — die mit Kaffee bestellten Felder befiel und sie so intensiv beschädigte, dass allein im Dezennium 1878 bis 1889 die Kaffeeplantagen um vier Fünftel ihres Areales reduziert wurden, wiewohl sie 1891 immerhin noch etwa 27.000 ha bedeckten.
Angesichts der durch die Kaffeepest bewirkten Verheerungen wandten sich die Plantagenbesitzer, von englischen Kapitalisten wirksam unterstützt, vom Jahre 1873 ab der Kultur der Teestaude zu. Der mit der Teekultur verbundene Aufwand an Arbeit und Kosten übersteigt jedoch die Ansprüche, welche die Kaffeekultur an die Bearbeitung und an den Gesamtbetrieb stellt, wozu noch kommt, dass die Differenz im Preise des fertigen Produktes zu Ungunsten des Teebaues in die Wagschale fällt. Dessen ungeachtet hat die Teekultur in Ceylon festen Fuß gefasst; ja sie überflügelte 1891 mit ihren rund 95.000 ha umfassenden Plantagen weitaus die dem Kaffeebau gewidmete Fläche.
Die intensiv grünen Blätter der niedrigen Teestaude werden gesammelt, auf mit Leinwand überzogenen Stellagen zum Trocknen ausgelegt, sodann in einer Maschine gerollt und in einer Dörre solange geröstet, bis sie die bekannte dunkle Farbe erhalten. Den Schluss der Prozedur bildet die durch eine Maschine erfolgende Sortierung der Blätter in drei der Güte nach verschiedene Kategorien, worauf das Produkt zur Verpackung bereit ist. Der ganze Vorgang von der Pflücke bis zur Verpackung erfordert die Zeitdauer von 48 Stunden. Wie man mir sagte, werden in Kawadapella aus je 1600 kg Blättern 400 kg Tee gewonnen.
Seit den Sechziger Jahren hat sich auch der Anbau der aus den Cordilleren stammenden Cinchona, deren Rinde zur Herstellung des Chinins dient, in Ceylon verbreitet, so dass 1891 hier etwa 16.000 ha mit Chinarindenbäumen bepflanzt waren. Ferner ist hier in dem gleichen Jahre der Kultur der Holz, Faser, Nüsse und Öl liefernden Kokospalme (Cocos nucifera) eine Fläche von rund 263.000 ha gewidmet gewesen. Die Kultur von Reis und von anderen Körnerfrüchten erstreckte sich auf eine Fläche von über 267.000 ha. Eine bedeutende Ausdehnung haben auch die berühmten Fruchtgärten Ceylons erlangt.
Nachdem uns in der Factorei köstlicher Tee, wie ich ihn noch nie getrunken, credenzt worden war, brachen wir auf. Noch 16 km Weges und wir waren in Matale. Hier erreichte mich ein Telegramm des in Kalawewa zurückgebliebenen Mr. Jevers, welches die Nachricht enthielt, dass nachsuchende Schikäris den von mir angeschweißten Büffel etwa tausend Schritte vom Anschussort entfernt verendet gefunden hatten.
Von Matale brachte uns ein Extrazug nach Kandy.
Ein echter schottischer Dudelsackpfeifer riet uns vor 8 Uhr zum Diner im Pavillon. Der Tafel wohnte nebst dem Gouverneur und seiner Familie noch General Massy mit seiner reizenden, der deutschen Sprache mächtigen Tochter bei. Nach Tische führten die beiden jungen Damen Miss Havelock und Miss Massy, sowie die Adjutanten des Gouverneurs, zwei schottische Highlander-Offiziere, in ihren kleidsamen Kostümen unter den Klängen des Dudelsacks einen graziösen hochschottischen Nationaltanz auf.
Links
- Ort: Kandy, Ceylon
- ANNO – am 12.01.1893 in Österreichs Presse. Während die Welt weiter auf Neuigkeiten aus Paris wartet, füllt die Neue Freie Presse ihre Seiten mit einem Hintergrundartikel zu Italien. Aus den USA wird gemeldet, dass der frühere Unionsgeneral Benjamin Butler mit 75 Jahren verstorben ist. Im Sezessionskrieg übernahm Butler die Verwaltung der eroberten Stadt New Orleans, was ihm von den Sezessionisten den Übernamen „Beast“ eintrug. Butler unterstützte Präsident Grant politisch und trat auch selbst als Präsidentschaftskandidat in den Ring.
- Das k.u.k. Hof-Burgtheater gibt Shakespeares Richard der Dritte und das k.u.k Hof-Operntheater spielt Verdis Troubadour, beide Veranstaltungen sind für Abonnenten.