Von Bombay nach Tandur, 20. Jänner 1893

Nachdem morgens die Post erledigt worden war, fuhr ich, weil aller guten Dinge drei sind, nochmals zu Tellery, um meine Einkäufe zu vervollständigen.

Um 12 Uhr erfolgte im Government House zum bleibenden Gedächtnisse an meine Anwesenheit die photographische Aufnahme einer Gruppe, bestehend aus mir, Lord und Lady Harris und allen zum Haus gehörigen Herren und Damen.

Dann besichtigte ich den Stall Lord Harris‘. In offenen Ständen sind australische Wagen-, sowie englische und arabische Reitpferde und Polo Ponies untergebracht. Als Stallmeister des Gouverneurs fungiert dessen Leibarzt, welcher dieser Aufgabe mindestens ebenso gewachsen sein soll, wie der heilkünstlerischen. Die Pferde befinden sich in guter Kondition, obwohl manche infolge der scharfen Bewegung, namentlich bei Hetzjagden auf dem harten Boden, niedergebrochen sind. In ganz Indien werden als Wagenpferde vorzugsweise importierte Australier verwendet, große, starke Pferde mit dem charakteristischen Karpfenrücken. Der Preis der Pferde schwankt zwischen 380 bis 1550 fl. ö. W. Als Reitpferde und als Polopferde benützt man in Anglo-Indien zumeist Araber und einzelne im Inland gezogene Tiere. Sehr drollig sind die einheimischen 12- bis 14-fäustigen Ponies, von denen ganz vorzügliche Exemplare für den lächerlichen Preis von 12 bis 17 fl. ö. W. erhältlich sind.

Nun hieß es Bombay verlassen. Ich verabschiedete mich von Lady Harris und fuhr, begleitet von Lord Harris, nach dem Bahnhof, wo meiner der Extrazug des Vizekönigs harrte, welchen mir dieser für die Dauer meiner Reise durch Indien zur Verfügung gestellt hatte. Mit Worten herzlichen Dankes trennte ich mich vom Gouverneur und bald rollte der Zug unserem nächsten Ziele, Tandur, wo wir auf Tiger jagen sollten, zu.

Mit dem Verständnisse der Engländer für die Verbindung von Komfort und Luxus wohl vertraut, und vorbereitet, den letzteren im Extrazug des höchsten Würdenträgers von Indien bis zu orientalischer Pracht gesteigert zu sehen, war ich in hohem Grad erstaunt, als ich der Einfachheit der Einrichtung und Ausstattung der Waggons dieses Zuges gewahr wurde, die einen Engländer manche gewohnte Bequemlichkeit, insbesondere hinsichtlich des Bettes, vermissen lassen dürften. Auffallend war namentlich der Umstand, dass die Waggons und selbst die einzelnen Coupes untereinander nicht durch Stege, beziehungsweise durch Korridore und Türen kommunizierten, so dass man sich mit den „Zellengenossen“ der nachbarlichen Coupes nur in den seltenen Zwischenstationen in Verbindung setzen konnte.

Von Bombay nach dem südöstlich hievon gelegenen Tandur fahrend, benützten wir bis Wadi die Great Indian Peninsula Railway. Diese führt zunächst durch die Vorstädte Bombays, dann an Parel und den Regierungs-Salinen vorbei, überschreitet auf einer großen Brücke den Meeresarm, der die Insel Salsette vom Festland trennt und wendet sich dann den Bergen zu.

Die Physiognomie der Gegend nimmt rasch einen anderen Charakter an. Hohe Berge, reich an bizarren Formen, wie aus regelmäßig parallel laufenden Schichten gebaut, die sich als lange Streifen oder Linien projicieren, schließen Täler ein, die zumeist der Reiskultur gewidmet sind. Kleine Palmenhaine, einzelne hohe Palmen wechseln mit lichten Euphorbienhecken ab; doch ist die Vegetation lange nicht so üppig und großartig als in Ceylon. Höher im Gebirge sind die Täler enger, mit dürrem, gelbem Gras und einzelnen verkrüppelten Bäumen bewachsen, die Abhänge steiler und schroffer. In den Tälern und Schluchten, die tief unter uns liegen, sieht man Teak-Bäume (Tectona grandis), wilde Bananen, Ficus religiosa und Ficus indica.

Die Bahn ist ähnlich wie jene von Colombo nach Kandy in starken Steigungen erbaut, führt durch zahlreiche Tunnels und bietet reizende Ausblicke auf die originellen Felsennadeln, die langen, schmalen und steilen, mauerartigen Felsenrücken, die meist kahlen Abdachungen der Westghäts. Ghats (Stufen) nennt man die treppenartigen oder stufenförmigen, überall aus mehreren, zur West-, beziehungsweise zur Ostküste Vorderindiens parallelen Ketten zusammengesetzten Randabfälle des im Innern gelegenen Hochlandes von Dekhan. Im Süden finden die weniger wild als beschwerlich erscheinenden, durchschnittlich 1200 m hohen West-, sowie die niedrigeren und weniger bedeutenden Ostghäts eine Fortsetzung in den bis zu 2630 m Höhe ansteigenden, waldreichen Gebirgen, Nil giri, den „Blauen Bergen“. Bei der Station Lanauli erreicht die Bahn ihren höchsten Punkt und zieht dann ziemlich eben fort durch kultiviertes Land. Spät abends passierten wir Puna (Poona) — 119 km südöstlich von Bombay — die Lieblings-Sommerresidenz des Gouverneurs, wo selbst sich auch das Lager sämtlicher Truppen befindet, die dort manövrieren.

Links

  • Ort: Poona, Indien
  • ANNO – am 20.01.1893 in Österreichs Presse. Die Neue Freie Presse erinnert ihre Leser an das kommende Hundert Jahregedenktag der Enthauptung von Ludwig XVI in Frankreich am 21. Januar 1793. Diese Tat wird Österreich in über zwanzig Jahre Krieg stürzen. Erfreulicher ist der ausgedehnte Ballbericht vom 4. Ball der Stadt Wien. Das Wetter bleibt stürmisch schlecht, wobei einige den zugefrorenen Donaukanal zum Eisstock schiessen benutzen.
  • Das k.u.k. Hof-Burgtheater spielt das Lustspiel „Magnetische Kuren“, während das k.u.k Hof-Operntheater die Oper „Freund Fritz“ (l’amico Fritz) in drei Akten von Pietro Mascagni mit dem Kärntner Liederspiel „Am Wörthersee“ kombiniert.

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