Tanggeng — Sindangbarang, 18. April 1893

Auf den heutigen Tag, den ersten des Monates Sawal nach dem Ende des Fastenmonates Ramelan (Ramasan) oder Pasa, fiel das Idul-Fitr-Fest der Javanen. Dieser Tag, — Garebeg Puwasa-Tag — welcher von den Eingeborenen als Neujahrstag betrachtet wird, wurde uns im Lauf des heutigen Ritts dadurch ersichtlich, dass allenthalben in den kleinen Ansiedlungen, die wir zu passieren hatten, Musik ertönte und Feststimmung vorherrschte.

Nach langem, erquickenden Schlaf brachen wir auf, um zunächst einen Berg auf einem Weg zu erklimmen, dessen Steilheit jener unserer Gebirgspfade nicht nachstand. Der Himmel hatte sich völlig geklärt, die Sonne stand hoch und wir genossen während des Aufstieges eine wunderbare Aussicht empor zu unzähligen Bergspitzen und Vulkanen, niederwärts zu den Hügelketten und Tälern des Umkreises; ein großer Teil der Residentschaft der Preanger Landschaften, ein herrliches Stück Westjavas lag uns vor Augen und zu Füßen.

An dem vollen Genuss dieses entzückenden Panoramas behinderte uns allerdings zuweilen die Sorgfalt, die wir auf dem schwierigen Terrain unseren Pferden zuwenden mussten; denn der Regen des verflossenen Tages hatte die an den steilsten Wegstellen in die Berglehne geschlagenen Stufen so überaus glatt und schlüpfrig gemacht, dass unsere Pferde nur mit der äußersten Anstrengung hinaufklettern konnten. Endlich waren wir mit Mühe auf dem Kamm angelangt, der die Grenzscheide der Distrikt Djampang wetan und Tjidamar bildet, und wurden hier von dem Chef des Distrikts Tjidamar mit vielen Bücklingen begrüßt.

Unsere sehr ermüdeten Pferde bedurften kurzer Rast, worauf es auf einem verhältnismäßig guten Weg bergab, bergauf weiter ging. Das Landschaftsbild übertraf an Schönheit selbst jenes, welches tagszuvor unser Entzücken wachgerufen hatte. Das war echter tropischer Urwald, in dem ein malerisches Bild das andere verdrängte; ein jedes aber war reizend und eigenartig. Hier säumen hohe Baumriesen den mit dichtem Rasen bekleideten Pfad ein; dort schießt wucherndes Unterholz auf einer Rodung empor; dann umfängt uns wieder dichter, viele Meilen Landes bedeckender Hochwald, in seinem Schoße dem Wilde Schlupfwinkel bietend, welche für den Jäger unerreichbar sind. Ob Baum, ob Strauch, Kraut oder Moos, hier war jede Pflanze üppig und schön, die Mannigfaltigkeit der den Boden schmückenden Gewächse
unerschöpflich. So bildete allein der Stamm eines abgestorbenen Baumes den Keimboden und Wurzelgrund für zwanzig der verschiedensten Pflanzenarten. Wir waren sämtlich darin einig, dass die Vegetation auf Java selbst das herrliche Pflanzenkleid Ceylons, geschweige andere Florenreiche Indiens, in jeder Hinsicht weitaus übertrifft.

Die Armut der Vogelwelt fiel uns auf, denn außer einigen Columbiden sowie einzelnen ganz kleinen Nektarinen sah ich nur noch einen großen Nashornvogel.

Von einer Ansiedlung an, bei welcher die Pferde gewechselt wurden, fiel der Weg ziemlich scharf gegen die Südküste Javas sowie gegen das nahe dem Meeresstrand gelegene Sindangbarang ab, und nun sahen wir zwischen den Bäumen tief unter uns das weite, blaue Meer schimmern und konnten deutlich die weiße Linie der starken Brandung unterscheiden.
Der Abstieg erfolgte meistenteils zu Fuß, wobei wir die Pferde am Zügel nachführten. Dann übersetzten wir den tiefen Fluss Sadea, was sehr rasch vor sich ging. obgleich in den kleinen Bambuskähnen, die wir hier benützten, stets nur je ein Pferd Platz fand.

Noch 7,5 km in ebenem Terrain, dem Ufer des Flusses entlang, und wir hatten ein kleines Rasthaus im Distriktsort Sindangbarang erreicht, das, umgeben von einer Ansiedlung, im Schatten mächtiger Bäume lag und bestimmt war, uns nach den Mühen des langen Ritts ersehnte Herberge zu bieten. Auch unseren Pferden schien die Rast willkommen zu sein; hatten sie doch 28 km in so ermüdendem Terrain zurückgelegt, dass sie zu Ende des Ritts angetrieben werden mussten und unaufhörlich gestolpert waren.

Obgleich Sindangbarang noch ungefähr 20 Minuten von der Seeküste entfernt ist, hörte man doch im Rasthaus das Brausen der brandenden See. Gegen Abend ging ich mit den Herren meiner Suite in der Absicht, etwa ornithologische Beute zu machen, bis an den Strand, wo wir uns an dem Anblick der mächtigen Brandung, die wie bei Ostende oder Helgoland über ganz flachen Sand hinschäumt, erfreuten. Doch genügte uns auf die Dauer die Betrachtung der Salzflut nicht und so liefen Clam und ich ohne Weiteres in die mannshohen Wellen und nahmen ein erquickendes, herrliches Duschbad. Die anderen Herren folgten bald unserem Beispiele und nun standen wir alle in den verschiedensten Kostümen auf dem Strand, um uns von den schaumenden Wellen überspülen zu lassen, was nach der Hitze des Tages außerordentlich angenehm war. Unsere Gewänder, die wir nicht abgelegt, hatten freilich bedeutenden Schaden erlitten, so dass wir unter allgemeiner Heiterkeit und allerlei Kurzweil in ziemlich mangelhafter Bekleidung in das Rasthaus zurückkehrten.

Dem großen Ramelanfest zu Ehren war abends im Dorf allgemeiner Spektakel, so dass ich, um meine Kenntnisse der Sitten und Gebräuche auf Java zu vermehren, noch einen längeren Rundgang machte; doch bot dieser nicht viel Neues oder Bemerkenswertes. Einige eingeborene Damen bearbeiteten wieder, im Takt singend oder eigentlich heulend, mit Bambusstäben einen ausgehöhlten Baumstamm, während sich in der Nähe große Menschengruppen um ein Wajang drängten. Dieses Wajang, welches mich lebhaft an ein ins Javanische übertragenes „Wursteltheater“ erinnerte, war dem Schattenspiel, das wir in Garut gesehen hatten, ziemlich ähnlich.

Noch bis spät in die Nacht hörte man die eintönigen Schläge des Gong und die melancholische Musik des Gamelang ertönen, was nicht zur Beförderung des allen so notwendigen Schlafes beitrug und uns weniger Äußerungen des Beifalles als solche des Unmuts entrang.

Links

  • Ort: Sindangbarang, Indonesien
  • ANNO – am 18.04.1893 in Österreichs Presse.
  • Das k.u.k. Hof-Burgtheater spielt „Die Journalisten“, während das k.u.k. Hof-Operntheater die Oper „Robert der Teufel“ aufführt.

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