Sydney — Auburn — Moss Vale, 22. Mai 1893

Nachdem ich — es war Pfingstmontag — dem Gottesdienst an Bord angewohnt hatte, besuchte ich in dem westlich von Sydney in der Richtung gegen Parramatta gelegenen Ort Auburn eine daselbst befindliche große Fabrik, in welcher Fleischkonserven erzeugt werden. Diese Fabrik wird von einer Anzahl von Schafzüchtern gemeinsam betrieben und versieht die englische sowie die belgische Armee mit Konserven. Neu-Süd-Wales ist der klassische Boden der Fleischkonserven (Meatcanning) Industrie. Diese heute zu so großer Bedeutung gelangte Verwertung des Fleisches der vielköpfigen Herden Australasiens ist vor etwa 50 Jahren von Mr. Sizar Elliott aus Charlotteplace zuerst in Betrieb gesetzt worden; bereits 1892 wurde aus Neu-Süd-Wales Fleisch im Werte von 3,408.144 fl. ö. W. exportiert.

Auf freiem Wiesengrund erbaut, liegt die Fabrik in der Nähe des großen Rinder- und Schafmarktes, auf welchem allwöchentlich viele Tausende von Rindern und Schafen aus allen Teilen des Landes verkauft werden. Große eingefriedete Plätze in der Nähe des Etablissements haben die Bestimmung, das Rind- und Schafvieh vor dem Schlachten aufzunehmen.

Der Rundgang begann mit jener Abteilung der Fabrik, in welcher die zur Verpackung der Konserven bestimmten Schachteln und Büchsen aus Weißblech erzeugt werden. Alle wie immer gearteten Verrichtungen, als das Schneiden, Biegen und Löten des Materials, werden hier mit enormer Schnelligkeit von Maschinen besorgt.

Den wichtigsten Teil der Fabrik bildet die in einer Halle untergebrachte Schafschlächterei, welche Zwinger, in Gruppen von je zehn, zur Aufnahme der Schafe enthält. Der Schlächter tötet jedes Schaf in der Weise, dass er dem Tiere die Kehle durchschneidet und gleichzeitig, dessen Kopf über sein Knie zurückbeugend, das Genick bricht; hierauf wird das derart geschlachtete Stück sofort von zwei Gehilfen übernommen, welche demselben die Haut abziehen, Kopf und Füße abtrennen und den Rumpf, nachdem er ausgeweidet worden ist, auf eine kleine Rollbahn, die ihn den Ausschrotern zuführt, verladen. Die Arbeit vollzieht sich, dank der Übung der Arbeiter in ihrem blutigen Handwerk, mit solcher Raschheit, dass für die gesamte Prozedur, von der Schlachtung eines Schafes angefangen bis zu dessen Verladung, nur ungefähr zwei Minuten erforderlich sind, woraus sich erklärt, dass ein tüchtiger Arbeiter täglich ungefähr 160 Schafe „bearbeiten“ kann.

Die abgezogenen Felle gleiten durch eine Öffnung in einen tiefer gelegenen Raum, wo sie verpackt werden, um ungegerbt zum Verkaufe zu gelangen. Köpfe, Füße und Eingeweide finden bei der Talggewinnung Venvendung.

Mit erstaunlicher Fertigkeit walten auch die Ausschroter ihres Amtes, indem sie den Rumpf zunächst in zwei Teile zerlegen, dann die von Fett und Knochen freien Stücke, nämlich Rücken und Schlegel, wenn sie makellos sind, auslösen und zu den Sudkesseln befördern, während die übrigen Teile in die Pfannen wandern, in welchen der Talg gewonnen wird. Dieser rinnt aus den Pfannen durch eigene Leitungen in Kühlapparate und von hier unmittelbar in Fässer. Die Überreste der Talgfabrikation, namentlich die Knochen, werden zu Dungstoffen verarbeitet.
Die zur Konservierung bestimmten Fleischteile werden in den Sudkesseln durch kurze Zeit gekocht, hierauf in Maschinen zerkleinert und in Weißblechbüchsen gepresst, welche, nachdem die Fleischmasse durch Arbeiter noch zurechtgedrückt worden ist, verlötet und in Eisenwannen einem Siedeprozess unterzogen werden, zu dessen Beschleunigung das Wasser mit chemischen Substanzen versetzt ist.

Nach Beendigung dieses Verfahrens ist die Ware marktfähig. Die ganze Prozedur dauert von dem Moment angefangen, in dem mit der Schlachtung des Schafes begonnen wird, bis zu dem Augenblick, in welchem es in den Konservenbüchsen verschwunden ist, nur wenige Stunden.

In ähnlicher Weise werden das Rindfleisch und die Schafzungen konserviert, nur tötet man die Rinder nicht nach der bei uns üblichen Methode durch Schläge auf den Kopf, sondern durch Erschießen, zu welchem Zweck mehrere Stücke in Kammern, in deren Wänden kleine Einschnitte angebracht sind, getrieben werden. Diesen Einschnitten nähert sich sodann der Schlächter, welcher durch dieselben, nach der Stelle des Kopfes zwischen den Hörnern zielend, ein Rind nach dem andern mit einem Gewehre kleinsten Kalibers, beinahe einem Flaubert, erschießt.

Die Fabrik verarbeitet täglich 4000 Schafe und 26 Rinder bei einem verhältnismäßig geringen Stand von Arbeitern, die gut entlohnt sind, da der Wochenverdienst im Durchschnitte 26,4 fl. ö. W. beträgt, Ich verkostete die verschiedenen Konserven und fand namentlich die für das Militär bestimmten recht schmackhaft; am besten mundete mir das für die belgische Armee konservierte Rindfleisch.

Nach Sydney zurückgekehrt, nahmen wir an einem Frühstück bei dem liebenswürdigen und zuvorkommenden Generalkonsul teil, der ein nettes Haus in einer der Vorstädte bewohnt und eine große Anzahl interessanter Gegenstände besitzt, die er während des Aufenthaltes auf früheren Dienstposten in Asien erworben hatte.

Da mein Sammeleifer nicht ruhte, fuhr ich nachmittags zu mehreren Händlern, die mir empfohlen worden waren, um Vogelbälge, ethnographische Gegenstände sowie Schnabeltierhäute zu erwerben, und fand hiebei auch eine Spezialität Sydneys, nämlich Emu-Eier, auf welchen recht originelle Darstellungen von Känguruhs, Leiervögeln, Emus, Kusus u. dgl. m. eingraviert sind.

In fünfstündiger Fahrt brachte uns die Bahn nach Moss Vale an der Southern Line, 138 km südlich von Sydney gelegen, dem Ausgangspunkt einer neuen, dreitägigen Jagdexpedition. Mr. Badgery, ein Farmer, auf dessen ausgedehnten Besitzungen diesmal gejagt werden sollte, gab uns das Geleit. In dem Stationsgebäude zu Moss Vale harrte unser ein üppiges Souper, nach dessen Bewältigung ich mich im abgekoppelten Salonwagen zur Ruhe begab, während meine Begleiter ein nahegelegenes Hotel bezogen.

Links

  • Ort: Moss Vale, Australien
  • ANNO – am  22.05.1893 in Österreichs Presse.
  • Das k.u.k. Hof-Burgtheater spielt „Die kluge Käthe“, während das k.u.k. Hof-Operntheater eine Soloaufführung mit Personal der Mailänder Scala von “Falstaff“ darbietet.

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