In der Nacht hatten wir die durch ihre Riffe gefürchtete Enge von Dschebel Zukur und Hanisch passiert. Unser arabischer Lotse tat sich durch seine katzenartigen Augen hervor, indem er, wiewohl der Mond nicht schien, in dunkler Nacht jedes auch noch so entfernte Riff wahrzunehmen vermochte.
Morgens ist die See ruhiger. Rechterhand ist das afrikanische Festland, linkerhand die arabische Küste sichtbar, auf welcher die hohen, scharf gezackten Berge Jemens erscheinen, deren Steilränder einen anderen Landschaftscharakter zeigen, als die Granitberge an der Nordküste des Roten Meeres. Auch lässt ein Blick durchs Fernglas auf den Vorderseiten der Berge Jemens hin und wieder einige, obschon kümmerliche Vegetation sichtbar werden. Am Ufer schimmern Hütten und Zelte, wahrscheinlich die Behausungen nomadisierender Araber.
Nach dem Gottesdienst fahren wir durch die Straße Bab-el-Mandeb, das „Tor der Tränen“, eine Benennung, deren Richtigkeit uns so manches Wrack mit stummer Beredsamkeit bezeugt.
Die praktischen Engländer haben sich dieses Stützpunktes des Seeweges nach Indien schon 1857, also noch vor der Herstellung des Suez-Kanals, zu bemächtigen gewusst. Ein, wie es scheint, starkes Fort auf der Felseninsel Perim bewacht und sperrt hier die Durchfahrt, die schmalste Stelle des Roten Meeres. Jedes der beiden Ufer liegt nur auf Kanonenschussweite von dem durchfahrenden Schiff ab. Als wir dem Leuchtturm von Perim den Namen unseres Schiffes signalisiert hatten, wurde uns mit dem zur Jahreswende üblichen Wunsch geantwortet: „The compliments of the season!“
Eine Riesenschildkröte von beinahe 2 m Länge taucht wenige Schritte vom Bug auf, betrachtet uns mit ihrem großen, gelben Kopf einige Sekunden lang und verschwindet wieder in den Fluten.
Nun tritt die afrikanische Küste immer mehr zurück, während der Arabien angehörige, felsige, 844 m hohe Dschebel Kharas in Sicht kommt.
Ein riesiger Zug Quallen nähert sich uns. Diese schimmern und leuchten in den schönsten rosenroten und dunkelvioletten Farbentönen, so dass wir die Maschine stoppen, um einige dieser Blumen des Meeres herauszufischen.
Um 8 Uhr abends blinkte uns das Leuchtfeuer von Steamer Point entgegen, und bald darauf lagen wir verankert im äußeren Hafen von Aden.
Ein kleiner, englischer Stationär – das Kanonenboot „Redbreast“ und drei größere Warendampfer lagen im Hafen, wo eben ein mächtiges, englisches Transportschiff die Anker lichtete. Dieser Koloss ließ seine Dampfpfeife ertönen und setzte sich dann eilends mit östlichem, wahrscheinlich nach Indien gerichtetem Kurs in Bewegung.
Unmittelbar nachdem wir Anker geworfen hatten, kam der Gerent des Konsulates an Bord, gefolgt von verschiedenen Handelsleuten, die uns in allen erdenklichen Idiomen eifrigst ihre Dienste anboten.
Links
- Ort: Aden
- ANNO – am 26.12.1892 in Österreichs Presse. Angesichts des Weihnachtsfeiertags erscheinen nur wenige Zeitungen, u.a. die Wiener Sonn- und Montagszeitung: In Dublin hat am 25. Dezember ein Dynamit-Attentat das Leben eines Polizeibeamten gekostet. In Paris steht weiterhin der Panama-Skandal im Zentrum der Debatte.