Siriska — Alwar, 27. Februar 1893

Um halb 5 Uhr früh war großer Feueralarm im Lager, da eines der Zelte in der zweiten Lagerreihe, welches tags zuvor verlassen worden war, lichterloh brannte und in wenigen Minuten ein Raub der Flammen wurde. Zum Glück herrschte jedoch völlige Windstille, so dass sich der Brand nicht weiter ausdehnte.

Der Tag war herrlich und machte uns das Scheiden von dem schönen Lager in Siriska recht schwer; wir hatten in dem Camp so angenehme Tage verbracht, dass ich dem Aufenthalt daselbst — namentlich dank meiner ersten beiden Tiger — eine dauernde Erinnerung bewahren werde. Das offizielle Reiseprogramm forderte mit unerbittlicher Strenge die Abreise; der Maharadscha von Dschodpur erwartete mich am kommenden Morgen und mit indischen Fürsten muss glimpflich umgegangen werden, besonders wenn sie dem englischen Regiment eben günstig gesinnt sind. So sagten wir denn allen unseren Jagdgefährten, den Mahauts, Schikaris und Treibern Lebewohl und ritten in den frischen, klaren Morgen hinein.

Auf halbem Weg trafen wir mit Mrs. Fraser, der Gemahlin des Residenten, zusammen, der ich mich vorstellen ließ und eine Strecke das Geleit gab, der Dame für die freundliche Fürsorge bestens dankend, welche sie während unseres Aufenthaltes im Lager bekundet hatte. Mrs. Fraser, die schon wiederholt an Tigerjagden teilgenommen, war ursprünglich von der Absicht geleitet gewesen, in unserem Lager auch ihr Zelt aufzuschlagen, da sie eine weibliche Hand nicht nur zur Pflege für den möglichen Fall, dass ein Mitglied der Expedition erkranken würde, sondern auch zur Anordnung des Blumenschmuckes auf der Tafel als notwendig erachtete. Da ich aber der Dame die Unbequemlichkeit des Lagerlebens ersparen wollte, hatte ich General Protheroe schon einige Zeit vor dem Eintreffen im Lager ersucht, Mrs. Fraser zum Aufgeben ihres Vorhabens zu bestimmen. Dies hatte Anlass zu einer längeren diplomatischen Verhandlung zwischen dem General und dem Residenten gegeben, welche mit dem Kompromiss endete, dass Mrs. Fraser ein eigenes Camp in einiger Entfernung von dem unseren bezog. Von hier aus flocht und wob sie — nach edler Frauenart Böses mit Gutem vergeltend — zarte Aufmerksamkeiten in unser jagdliches Leben, bald das Menu durch köstliche „Sweets“ bereichernd, bald die Zelte durch Skizzen von der eigenen Hand schmückend, bald Büchlein sendend, in die wir unsere Namen schreiben sollten.

Unsere von Siriska gegen Alwar ziehende Karawane war von stattlicher Länge. Voran die berittene Garde, dann wir hoch zu Ross, hierauf, von den Dienern gefolgt, die Gelehrten, teils auf Elephanten, teils in zweispännigen Wagen, sodann die Kamele und zum Schlüsse der gewaltige Train der Bagage, die Küche, die Munition und die Gewehre auf Ochsenkarren. Zu Ehren der Leiter der Expedition sei gesagt, dass alles glatt vonstatten ging, und als wir gegen 11 Uhr vormittags auf der Eisenbahnstation in Alwar anlangten, war das Gepäck bald verladen, indessen Wutzier, der Küchenchef, mit Befriedigung meldete, dass im Speisewagen bereits ein warmes Frühstück unser harre.

Am Bahnhof erschien zur Verabschiedung der jugendliche Maharadscha Dschai Singh, brachte mir sein wohlgetroffenes Porträt, besichtigte noch meinen Waggon und ließ sich über unsere Expedition berichten, wobei er in lebhafter Weise seine Befriedigung über den Erfolg der Tigerjagd an den Tag legte.

Der Extrazug führte uns gegen Dschodpur, wo wir den nächsten Morgen anlangen sollten. Die Rajputana-MalwaTeilstrecke der Bombay Baroda and Central India Railway, welche wir zunächst benützten, läuft in südlicher Richtung bis nach Bandikui. Von diesem Kreuzungspunkt der einerseits östlich nach Bhartpur und Agra, andererseits gegen Dschodpur führenden Linien geht die Bahn zuerst westlich nach Dschaipur und Phalera (Phulera), sodann südwestlich über Adschmir nach Marwar. Hier schließt die ebenfalls schmalspurige Jodhpore Bikanir Railway an, welche in nordwestlicher Richtung nach Dschodpur führt.

Wir hatten in Alwar den Train bestiegen, den wir schon von Agra aus nach Bhartpur benützt. Dem Zug war auch diesmal das Personal beigegeben, welches sich auf dem Ausflug nach Bhartpur als so jagdfreundlich erwiesen hatte, welchem Umstand wir verdankten, dass nun auch auf der Fahrt von Alwar gegen Bandikui binnen kurzem auf offener Strecke plötzlich gehalten wurde und die Jagdfreunde meldeten, sie hätten in der Nähe Gazellen gesehen. Ich pürschte nun einige hundert Meter vor und erlegte eine Gazellengais sowie einen Kitzbock, während Wurmbrand auf einen starken Bock schoss. Nach diesem ermunternden Erfolg hub abermals die heitere Eisenbahnpürsche an, in deren Verlauf wir noch dreimal Gelegenheit hatten, an Black-bucks heranzukommen, so dass ich einen starken Bock, Clam eine Gais erlegen konnte. Wir standen alle auf der Plattform unserer Waggons und schossen in voller Fahrt auf sitzendes, flüchtiges oder streichendes Wild, wobei wir natürlich ganz anders zielen und schießen mussten als unter gewöhnlichen Umständen. Diese äußerst anregende Jagdweise lieferte eine Beute von 130 Stücken, worunter sich ein Schakal, ein Fahler Adler, verschiedene Falken und Weihen, Rebhühner, Tauben und Papageien befanden. Erstaunt blickten die Landbewohner und noch erstaunter die Bahnwächter dem eilenden Zuge nach, aus welchem ununterbrochen Schüsse fielen, bis die einbrechende Dunkelheit uns veranlasste, von der Plattform in die Coupes zurückzukehren.

Links

  • Ort:  Alwar, Indien
  • ANNO – am 27.02.1893 in Österreichs Presse.
  • Das k.u.k. Hof-Burgtheater spielt „Kriemhilde“, während das k.u.k. Hof-Operntheater das Ballet „Tanzmärchen“ aufführt.

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