Siriska, 26. Februar 1893

Dem schönen, klaren Tag war eine kalte Nacht vorausgegangen, so dass leider ungünstige Nachrichten über Tiger einliefen. Zwei Tiger hatten zwar gerissen, aber dann nicht Stand gehalten, so dass sie nicht bestätigt werden konnten. Wir mussten uns daher abermals mit einem regellosen Treiben an den Berglehnen begnügen und bedauerten dies umso mehr, als es der letzte Tag war, den wir im Lager von Siriska zu verbringen hatten, und das Wetter eine Wendung zum Besseren zu nehmen schien. Der erste Trieb, geführt vom Head-Schikäri, wurde wieder mit großem Geschrei, sowie in üblicher Unordnung abgewickelt und blieb, dem Erwarten gemäß, resultatlos. Nur heilige Pfauen strichen über uns hinweg; in der Ferne sah ich eine Nilgau-Kuh mit ihrem Kalb. Für den jagdlichen Misserfolg entschädigte die Szenerie, da sich oberhalb der Lehne, an welcher getrieben wurde, steile Felsen und Wände erhoben, welche die Erinnerung an unsere schönen Gemsjagdgebiete in den Alpen lebhaft wachriefen.

Gegen Ende des Triebes erteilte der Oberstjägermeister meinem Mahaut einen mir unverständlichen Befehl, worauf jener mich, der ich ihm willenlos preisgegeben war, um eine kleine Hügelkette herumleitete und auf einem Vorsprung aufstellte, von welchem aus ich trotz einstündigen Wartens weder Wild, noch Treiber, noch irgend einen der Herren erblicken konnte. Die lebhafte Zeichensprache, die ich mit dem Mahaut zu führen versuchte, endigte nur mit Ausbrüchen ungezügelter Heiterkeit seinerseits, so dass ich mich schließlich in mein Schicksal ergab und ruhig weiter wartete. Endlich kamen die Treiber und der Head-Schikäri herbeigeschlichen und fanden sich auch die anderen Herren, welche auf der gegenüberliegenden Seite des Berges meiner vergeblich geharrt hatten, ein. Der gute Oberstjägenneister hatte eine arge Verwirrung angerichtet, ordnete aber jetzt einen neuen Trieb an.

Ein steiler, bewachsener Abhang wurde auf zwei Seiten im Halbkreis durch die Schützen umstellt; aber der Trieb dauerte, obgleich er sehr klein war, endlos, bis es plötzlich hieß, ein Panther sei im Trieb, worauf sofort die Hälfte der Treiber in den Bäumen saß, von denen sie um keinen Preis herabkommen wollten. Alles schrie durcheinander, der Trieb stockte, die nicht aufgebaumten Helden gingen nur zögernd vor, und endlich kam die ganze Gesellschaft hübsch vereinigt auf einem Wechsel heraus, ohne die Dickung ordentlich durchstreift zu haben. Wo war mittlerweile schon der Panther!

Nach Schluss dieser famosen Expedition sprang ein starker Sambarhirsch auf, den Prónay anschoss, worauf wir alle mit den Elephanten konzentrisch in das Dschungel eindrangen und den Hirsch ausmachten. Der Oberstjägermeister selbst schien von dem Verhalten seiner Leute nicht sehr erbaut zu sein, denn er schimpfte und fluchte durch eine halbe Stunde ununterbrochen, ritt dann eiligst nach Hause und ließ sich nicht mehr blicken.

Wir beschlossen noch auf gut Glück, das Tal zu durchstreifen. wobei wir jeden kleinen Hügel, jedes Dschungel durchstöberten; doch blieb das Resultat hinter unseren Erwartungen zurück, da ich nur einen Schakal anschoss und die Herren verschiedene Hühner und kleine Vögel erlegten. Einige in großer Entfernung flüchtende Gazellen wurden von der ganzen Linie gefehlt.
Interessant war es zu sehen, wie einer der Elephanten den von mir angeschossenen Schakal angriff: mit erhobenem Rüssel und aufgespreizten Ohren ging der Elephant im Trab auf den Schakal los. schleuderte ihn mit einem Vorderfuß zurück, zermalmte ihn mit einem Hinterfuß und sprang noch einige Zeit auf seinem Opfer umher. Nach wohlvollbrachter Tat nahm der Koloss wieder seine friedfertige Miene an und marschierte in seinem phlegmatischen Tempo weiter. Die Jagd hatte uns ziemlich weit vom Lager weggeführt, die Sonne war hinter den Bergen untergegangen und bei hellem Mondschein ritten wir ins Lager zurück.

Links

  • Ort:  Sariska, Indien
  • ANNO – am 26.02.1893 in Österreichs Presse. Kaiserin Elisabeth ist mittlerweile in der Schweiz eingetroffen, wo sie die nächsten Wochen zur Erholung in Territet nahe Montreux verbringen wird.
  • Das k.u.k. Hof-Burgtheater spielt die Komödie „Verbot und Befehl“,  während das k.u.k. Hof-Operntheater die Oper „Der Prophet“ aufführt.

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