Die erste Tigerjagd stand auf dem Programm. Schon gegen 9 Uhr morgens kam der den Titel „Head-Schikäri“ führende Oberstjägermeister von Alwar, Harnarain, ins Camp, um uns zu sagen, der Tiger hätte gerissen, wir sollten uns bereit halten und gegen 11 Uhr aufbrechen; er selbst ginge gleich voraus, um seine Vorbereitungen zu treffen und die Treiber anzustellen.
Von einem Elephanten einst bös abgeworfen, hinkt dieser Würdenträger, in dessen Erscheinung und Benehmen etwas von unwillkürlicher Komik liegt. Auffallend war uns an ihm die frappante Ähnlichkeit seiner Gesichtszüge mit jenen des früheren ungarischen Ministerpräsidenten, weshalb wir ihm den Beinamen „Tisza“ verliehen. Der Head-Schikäri ist mit allen, selbst mit dem Residenten Colonel Fraser, der die Leitung der Expedition übernommen hatte, sehr kurz angebunden, erteilt seine Befehle, schimpft gelegentlich tüchtig, ist aber in Jagdsachen im Staat Alwar eine sehr gewichtige Persönlichkeit, so dass man als Waidmann, namentlich der Tiger halber, zart mit ihm umgehen muss. Ich ließ mich ihm daher auch feierlichst vorstellen. Neben dem Amt des Oberstjägermeisters versieht er noch die Funktionen des Generalinspektors der Bewässerungen, der Forste und der Gärten. Die Wälder dürften ihm aber kaum zu großem Ruhm gereichen, da für Aufforstungen gar nichts geschieht und nur Dornen und verkrüppelte Hölzer dem Boden entsprießen, obschon dieser an manchen Orten zur Waldkultur sehr geeignet scheint.
Um 11 Uhr wurde unter großem Hailoh gestartet, eine Legion Schikäris mit Gewehren und Lanzen begleitete uns, die wir auf Elephanten auszogen. Am Beginn einer engen, sehr romantisch gelegenen Talschlucht wurde Halt gemacht, um das Zeichen des Head-Schikäris, der zu den Treibern geritten war, abzuwarten. Hier lagen die Überreste eines von einem Tiger gerissenen Büffelkalbes; Geier umkreisten das Aas oder saßen angekröpft auf den Bäumen.
Endlich, nach langem Warten zeigte sich auf der gegenüberliegenden Höhe jenseits der Talschlucht der Oberstjägermeister auf seinem Elephanten, und nun hieß es die Stände einnehmen. Der fast drei Viertelstunden erfordernde Weg durch die Talschlucht war zwar sehr pittoresk, aber auch beschwerlich; denn wir mussten uns jeden Schritt durch die dornigen Äste der Bäume, die an unsere Häudas schlugen, erkämpfen, so dass wir an den Händen blutig gerissen wurden. Erstaunlich war die Vorsicht, mit welcher die Elephanten vorwärts drangen und die Geschicklichkeit, mit welcher sie steile und schlechte Saumwege, ich möchte sagen „Gamssteige“, vollkommen sicher hinanstiegen. Die Häuda schwankt, hebt und senkt sich, aber der Elephant lässt sich durch nichts beirren, sondiert vor jedem Schritt mit dem Rüssel und dem Fuß und tritt dann erst fest auf; ist ein Stein oder Baum im Weg, so wird das Hindernis mit dem Rüssel beseitigt, an größere Bäume stemmt sich der Riese mit ganzer Kraft an, bis der Stamm bricht.
Wir umstellten in Form eines Halbkreises eine kesseiförmige, dicht bewachsene Nebenschlucht, in der ein Tiger hausen sollte. Ich hatte den höchsten Stand und kletterte, in wahrem Sinne des Wortes, mit meinem Elephanten die rechte Lehne der Talschlucht bis zur halben Höhe hinan, um guten Einblick in die Schlucht zu gewinnen. Daselbst machte ich Halt und harrte der Dinge, die da kommen sollten. Einige Stellen waren von dem dichten Dorngebüsch freier geblieben und ich berechnete genau, wo und wie ich schießen würde, falls der Tiger erschiene. Der Trieb begann mit dem üblichen Geschrei, wobei die Treiber von der Höhe herabstiegen. Die abzutreibende Strecke war eine ganz geringe, aber aus Angst gingen die Treiber nur langsam, in Partien zu 30 bis 40 hintereinander auf den besten Wechseln vor, ohne sich in die Dickungen, in welche sie nur fortwährend Steine warfen, zu wagen, so dass der Trieb zwei Stunden erforderte. Ganz wie in Tandur! Übrigens war auch diesmal die Vorsicht der Treiber ganz überflüssig, da der Tiger nur durch seine Abwesenheit glänzte.
Zum ersten Mal sah ich hier Sambarhirsche oder Rusas (Cervus unicolor), und zwar einen geringen Gabler, ein Alttier mit Kalb und ein Schmaltier; sie gleichen unserem Hochwild, haben aber bei weitem nicht die schöne Statur und die stolze, edle Haltung unseres Königs der Wälder; besonders da der Sambarhirsch das Haupt beinahe immer gesenkt trägt und am Geweih, obwohl dasselbe bis zu 1,25 m Länge erreicht, nie mehr als sechs Enden aufsetzt.
Nach dem misslungenen Trieb kamen wir an einem kleinen, von Palmen umgebenen Weiher zusammen und ritten auf den Elephanten nach dem Camp, um die Schrotgewehre zu holen und noch einen Streif auf den umliegenden Hügeln zu unternehmen, der uns eine große Anzahl von Indischen Rebhühnern einbrachte.
Links
- Ort: Sariska, Indien
- ANNO – am 21.02.1893 in Österreichs Presse.
- Das k.u.k. Hof-Burgtheater spielt „Krisen“, während das k.u.k. Hof-Operntheater „Die lustigen Weiber von Windsor“ aufführt.