Priests‘ Landing—Revelstoke, 17. Sept. 1893

Während der Nacht hörte der Regen wieder auf; ein frischer, von den Bergen herabwehender Wind brachte schöne, wenngleich kühle Witterung. Des heutigen Sonntags wegen sollte kein Train verkehren und ich konnte daher nur durch die besondere Gefälligkeit der Bahnverwaltung einen Extrazug erhalten, der gegen 3 Uhr nachmittags abzugehen hatte. Ich blieb bis dahin der Erkältung wegen, an der ich noch immer litt, an Bord, während meine Herren einen bewaffneten Spaziergang auf die oberhalb der Station liegenden Höhen unternahmen und einige Grouse einer kleineren Art heimbrachten. Später versuchten wir in der Nähe des Schiffes mit Angeln zu fischen, was jedoch ziemlich erfolglos blieb, obgleich einigen Engländern, die wir des Abends zuvor an derselben Stelle beobachtet hatten, schöne Lachsforellen zur Beute gefallen waren.

Im Extrazug, der aus zwei Schlafwagen und einem Ungetüm von einer Lokomotive bestand, begrüßte uns freundlich grinsend Mr. Fisher, ein Mulatte, der uns bereits von Vancouver aus während der Eisenbahnfahrt bedient hatte. Wir flogen durch die uns schon bekannte liebliche Gegend der Hauptlinie zu, welche wir bei Sicamous erreichten. Etwa eine Stunde vor dieser Station tritt die Bahn an das Ufer einer Ausbuchtung des Shuswap-Sees heran, welcher sich langgestreckt und ernst zwischen dunklen Wäldern hinzieht; nur ein von Indianern gesteuertes Rindenkanu, einzelne große Taucher und hin und wieder ein Flug Enten waren auf dem glatten Wasserspiegel zu sehen. Neuschnee, der in der Nacht gefallen, bedeckte die Kämme der Berge, und die düsteren Tannen nahmen sich im weißen Kleid, welches sie dies Jahr wohl zum ersten Mal angelegt hatten, ganz entzückend aus. Nach der Station Sicamous bogen wir alsbald von dem Seeufer in eine dicht bestockte Waldlandschaft ein, die von einem kleinen Fluss, dem Spallumsheen River, in zahlreichen Krümmungen durchzogen wird; wohltuend wirkte es, hier auf längere Strecken Wald zu blicken, an den noch nicht Feuer gelegt war.

Der Sonnenuntergang brachte uns eine Überraschung, nämlich eine Art Alpenglühen, wie ich es in dieser Weise noch nie gesehen hatte, und das an Schönheit unvergleichlich war; bei sonst bewölktem Himmel erglänzten, sich scharf von den bereits im Schatten befindlichen Teilen der Wälder abhebend, die Höhen im intensivsten Rot, das gegen unten violett verlief, während die beschneiten Spitzen zart rosa angehaucht schienen. Dieser herrliche Farbeneffekt währte beinahe eine halbe Stunde.

Spät abends waren wir in Revelstoke, wo wir die Waggons verließen und uns auf dem der Columbia and Kootenay Steam Navigation Company gehörigen Flussdampfer „Columbia“ einschifften. mit welchem wir den Columbia-Fluss zutal fahren mussten, um bei Northport wieder die Eisenbahn zu besteigen, die uns nach unserem nächsten Ziele, dem Yellowstone-Park, bringen sollte. Der „Columbia“ ist nach demselben System, wie der „Aberdeen“ erbaut, nur in allen seinen Dimensionen größer gehalten, so dass er bis zu 100 Passagiere erster Klasse aufnehmen kann; doch scheint er sehr alt und reparaturbedürftig zu sein, weil überall angeschlagen stand, dass sich die Rettungsgürtel in jeder Kabine unter den Betten befänden, und ich aus meiner Kabine durch klaffende Spalten der Bordwand blicken konnte, während es einem anderen Herrn durch das Deck aufs Bett regnete.

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  • Ort: Revelstoke, Kanada
  • ANNO – am 17.09.1893 in Österreichs Presse.
  • Das k.u.k. Hof-Burgtheater spielt das Lustspiel „Die Welt, in der man sich langweilt“, während das k.u.k. Hof-Operntheater die Oper „Manon“ aufführt.

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