Port Moresby — Jagdlager am Vei Maori, 19. Juni 1893

Wieder war es die Basilisk-Passage, durch die wir gleichzeitig mit der Yacht „Merrie England“ des Gouverneurs, welcher sich ebenfalls an der Partie beteiligte, den Hafen von Port Moresby verließen, um die offene See zu gewinnen. Dann dampfte die „Elisabeth“ mit nordwestlichem Kurs auf 10 bis 15 Meilen von der Küste und stets den kleinen Inseln und Korallenriffen ausweichend weiter, an der Caution Bay vorbei, bis wir die Redscar-Bai in Sicht bekamen. Die kleinen Eilande an der Küste sind der Lieblingsaufenthalt zahlreicher Tauben; auch besuchen nachts Riesenschildkröten die sandigen Ufer der Inseln, um hier ihre Eier zu legen, während der Dugong (Halicore dugong), auch Seekuh genannt, ein dem Delphin ähnliches, von Pflanzenkost lebendes Säugetier, häufig in dem seichten, mit Seetang (Sargassum) durchwachsenen Wasser zu finden ist. Leider gebrach uns die Zeit, um auch diesen interessanten Eilanden einen Besuch abzustatten. Die Einfahrt in die Redscar-Bai ist ziemlich schwierig, weil sich dort Riffe befinden, welche in die Seekarten noch nicht eingezeichnet, sondern lediglich dem Piloten und selbst diesem nur beiläufig bekannt sind. Vor der Mündung des Vanapa Rivers ging die „Elisabeth“ um 11 1/2 Uhr vor Anker.

Da der Gouverneur mittlerweile auf seiner Dampfbarkasse mit einer Anzahl eingeborener Führer vorausgefahren war, wurde alsbald auch unsere Expedition zusammengestellt und für dieselbe die Dampfbarkasse mit zwei Jollbooten im Schlepp ausgerüstet. In der Barkasse, die für zwei Tage mit Kohlen versehen war, saßen wir, ferner Bedford als Flusspilot und als Konvoi-Kommandant Bourguignon, welcher selbst das Steuer führte, in den Jollbooten aber unsere Diener, Hodek mit zwei Gehilfen und ein Kadet mit acht Matrosen. Hier waren auch die photographischen Apparate, der Proviant und die Munition verladen. Kaum waren wir abgestoßen, als auch die „Elisabeth“ die Anker lichtete und in der Richtung auf Yule Harbour zu unseren Blicken entschwand.

Wir passierten zunächst eine vor der Flussmündung liegende Barre und fuhren dann den Vanapa aufwärts in den Vei Maori, an der großen, unter Bäumen versteckt liegenden papuanischen Ansiedlung Manumanu vorbei, aus welcher unsere Führer requiriert wurden. Begreiflicherweise war es für uns von höchstem Interesse, einen noch so gut wie unbekannten Wasserlauf zu beschiffen. Dichte Wälder bedecken die Ufer, deren Ränder vorzugsweise mit niedrigen Palmen besetzt sind, die so nahe an den Fluss herantreten, dass ihre breiten Blätter bis in das Wasser hinabhängen. Die Fahrt bot jeden Augenblick neue, immer malerische Bilder; denn bald zur Rechten, bald zur Linken wurden tief ins Land ziehende Buchten sichtbar, die zumeist mit Inselchen besäet sind, auf welchen hoch über den lauschigen Wasserbecken stolze Nipapalmen und Eisenholzbäume ihre Häupter erheben. Den Hintergrund des Strombildes stellt die hohe, in mattes Blau getauchte Owen Stanley-Kette dar.

Die Windungen, welche der Fluss beschreibt, wurden immer schärfer und verwickelter, so dass die Barkasse, die ja obendrein zwei Boote im Schleppe führte, eine recht schwierige Fahrt hatte. Um den zahlreichen, beinahe zutage liegenden Schlamm- und Sandbänken auszuweichen, musste unaufhörlich die Strommitte verlassen und von einem Ufer zum andern gesteuert werden. Die Breite des Flusses nahm rasch ab und betrug schließlich kaum mehr 20 m. Hier ist die Vegetation noch üppiger, hängen die Uferbäume noch häufiger über als zuvor, so dass wir in einem dicht bewachsenen Laubgang auf dem Wasser weiterglitten.

Plötzlich gibt es einen heftigen Stoß — wir sitzen auf einem unter dem Wasser liegenden Holzstamm fest. Das größte Hemmnis für die Schifffahrt bilden hier solch mächtige, querüber liegende, von dem trüben Gewässer überdeckte Stämme; förmlich zu Stein geworden, setzt deren hartes Holz den Versuchen, das Hindernis mit Haken zu erfassen und bei Seite zu schieben, den allergrößten Widerstand entgegen. Wir ließen die Maschine der Barkasse mit ganzer Kraft zurückarbeiten, doch vergebens; denn das Fahrzeug rührte sich umso weniger, als ein dicker Ast den Propeller verlegt hatte. Da mehrere Leute, die ins Wasser gesprungen waren, die Barkasse nicht von der Stelle bringen konnten und Schaukeln unsererseits auch nichts half, entschloss ich mich, weil es schon 3 Uhr und somit sehr spät war, die Barkasse einstweilen ihrem Schicksale zu überlassen und mit einem Boote weiterzurudern, um die Nachmittagsjagd beginnen zu können. Gesagt, getan. Doch waren wir nicht weit gekommen, als sich uns ein neues Hindernis entgegenstellte, eine vollkommene, aus übereinander gestauten Holzstämmen gebildete Flusssperre, die ein weiteres Vordringen ganz unmöglich machte. Hier lagen auch die kleine Barkasse und die Boote des Gouverneurs, welchen allen die Sperre ebenfalls halt geboten hatte. Da unser Lagerplatz noch eine Seemeile weiter flussaufwärts und der Gouverneur mit seinen Leuten bereits dahin aufgebrochen war, standen wir um so ratloser da, als uns auch die Wächter der Boote, einige Papuas, die in aller Ruhe Fische brieten, keinerlei Aufschluss zu geben vermochten. Aus dieser Verlegenheit half mir endlich Bedford, indem er vorschlug, mich auf die Pürsche zu führen, während meine Begleiter versuchen sollten, zu Fuße nach dem Lagerplatz zu gelangen; war dieser einmal erreicht, so könnten von dort aus Leute hiehergesendet werden, um Proviant und Bagage abzuholen und ins Lager zu schaffen.

Eben als wir diesen Plan entworfen hatten, kam unsere Dampfbarkasse, welcher es endlich gelungen war, sich frei zu machen, herbeigefahren und ging unterhalb des Holzstoßes vor Anker. Über einen Baumstamm balancierte ich nach dem jenseitigen Ufer und drang nun, um die Zeit möglichst für die Jagd auszunützen, nur von Bedford und Janaczek begleitet, in den dichten Urwald ein, der beinahe denselben Typus aufwies, wie jener am Laroki. Der einzige Unterschied lag hier in beinahe undurchdringlichen Dickungen, die aus dornigem und mit Widerhaken bewehrtem Baum- und Strauchwerk gebildet waren, durch welches wir uns nur mühsam mit Hilfe des Standhauers einen Weg bahnen konnten.

In diesem Wald war meine erste Beute wieder ein großer Nashornvogel und zwar diesmal ein Weibchen, welches ich von einem Ficus-Baume herabschoss; dasselbe unterscheidet sich vom Männchen nur durch die Färbung der Halsfedern, welche bei dem letzteren rostbraun, beim Weibchen dunkelschwarz sind. Weiterschreitend hörten wir plötzlich mehrere Stimmen der großen roten Raggiana-Paradiesvögel, und bald waren wir unter dem Baum angelangt, in dessen Krone reges Leben herrschte. Überall schwirrte und flatterte es hin und her, dazwischen scholl das laute Gekreische der Vögel; zuerst sahen wir nur Weibchen und junge Vögel, die einander in neckischem Spiel von Ast zu Ast jagten, bis Bedford plötzlich in die Höhe deutet und ich ein herrliches Männchen mit langen, buschigen Schmuckfedern erblicke, wie es, im Glanz der Sonne erstrahlend, vor einem Weibchen umherspringt und dieses unter den komischsten Drehungen und Evolutionen zärtlich an sich lockt. Ein glücklicher Schuss bringt mir die schöne Beute. Wir hatten, vom Zufall begünstigt, zweifellos einen der berühmten Tanzbäume der Paradiesvögel gefunden; diese Tiere wählen nämlich bestimmte, sehr hohe Bäume aus, auf welchen sie sich in den Nachmittagsstunden vereinigen, um ihre Tänze aufzuführen, die sich unter großem Geschrei und Geflatter abspielen. Unaufhörlich huschen die Vögel durch die Äste, bis sich endlich die Weibchen zusammenscharen und die Männchen dann wie Birkhähne, Schwingen und Schmuckfedern ausspreizend, einen regelrechten Tanz produzieren, indem sie beinahe taktmäßig in die Luft springen, sich drehen, ja wie toll gebärden.

Der Schuss, den ich abgegeben hatte, störte die Vögel in ihrer Tanzlust gar wenig; der Gesang verstummte zwar für einen Augenblick, einige Männchen strichen auf die benachbarten Bäume, die übrigen versteckten sich tiefer in dem Dunkel des Laubes; aber wenige Minuten später kamen sie wieder herbei, ging der Lärm von neuem los. Das Bild, welches die tanzenden Paradiesvögel bieten, ist, namentlich wenn die Sonne das bunte Gefieder bescheint und dieses in den grellsten Farben leuchtet, ein äußerst anziehendes. Am häufigsten kommen die jungen, noch schmucklosen Männchen und die Weibchen zu Gesicht, während die alten Hähne vorsichtiger sind. Dennoch erlegte ich im Verlauf einer Stunde vier der schönsten Exemplare, schoss auch vier Stücke an, die, schwer getroffen, leider doch noch abstrichen und im Dickichte des Urwaldes verschwanden. Diese acht Hähne waren stets in kurzen Zwischenräumen herangeflogen oder aus der Baumkrone, in der sie sich verborgen gehalten hatten, tanzend herausgehüpft. Die Höhe der Bäume ist so enorm und zudem der Paradiesvogel so hart, dass diesen nur ein in die edelsten Teile dringendes Schrot herabwirft, während er sonst, obwohl getroffen, noch weit wegstreicht.

Endlich waren keine alten Männchen mehr zu sehen und schlichen wir deshalb weiter, da Bedford die Stimme von Paradiesvögeln einer anderen Art aus Kakadu- und Papageiengekreisch heraus vernommen hatte. Doch befand sich leider der Standplatz dieser Paradiesvögel auf einem Baum, der von einem beinahe undurchdringlichen Dornendickicht umgeben war, so dass wir trotz unserer Messer nur Schritt für Schritt, ganz langsam kriechend, vorwärts kamen. Beim Baum angelangt, sah ich zu meinem großen Arger die Vögel abstreichen, ohne dass ich sie früher erblickt hätte.

Im Jagdeifer hatte Bedford übersehen, dass die Sonne bereits untergegangen war, so dass ich ihn aufmerksam machte, es sei nun höchste Zeit, das Lager aufzusuchen. Mir fiel sofort auf, dass er über die einzuschlagende Richtung nicht ganz im klaren zu sein schien, und ich fragte daher wiederholt, in welcher Direktion das Camp sei, worauf er jedes Mal erklärte, er kenne sie ganz genau. Es wurde nun immer dunkler und dunkler, die Dickung immer undurchdringlicher, so dass wir, während Dornen uns die Haut zerrissen, jeden Augenblick über umgestürzte Baumstämme sowie über Lianen, die wir nicht mehr auszunehmen vermochten, fielen. Die Nacht war hereingebrochen, wir sahen gar nichts mehr, und nun gestand mir Bedford, dass er, was ich schon längst geahnt hatte, irre gegangen sei, sich absolut nicht mehr auskenne und nicht wisse, wo wir uns befänden. Es waren nicht gerade die freundlichsten Worte, die ich ihm spendete; aber Schimpfen und Jammern half gar nichts, und so musste wenigstens versucht werden, das Lager zu avisieren, dass wir verirrt seien. Zu diesem Behufe schossen wir in bestimmten Intervallen unsere Gewehre ab; da jedoch nach ungefähr 25 Schüssen noch immer keine Antwort erfolgte, ergab ich mich in mein Schicksal und wollte eben auf dem feuchten Boden des Urwaldes ein halbwegs trockenes Plätzchen suchen, um die Nacht in Gemeinschaft mit all dem Ungeziefer, welches da umherkroch, zu verbringen, als mich Bedford beschwor, ich möchte doch noch einen Versuch wagen, weiter zu kommen.

Ich war zwar eigentlich dagegen, weil der im Wald Verirrte erfahrungsgemäß in so finsterer Nacht meist im Kreis umhergeht, doch gab ich nach und so krochen wir, mit den Messern in dieses Labyrinth von Ästen und Lianen einen Tunnel hauend, die Augen mit den Händen gegen die Dornen schützend, vorwärts. In dieser Weise kamen wir in einer halben Stunde kaum zwanzig Schritte weiter und mussten endlich, erschöpft und von Dornen verletzt, innehalten.
Ein abermaliger Kriegsrat mit Bedford wurde plötzlich durch eine Gewehrsalve unterbrochen, deren kaum vernehmbarer Knall aus weiter Ferne zu uns gedrungen war — jedenfalls ein Zeichen der im Lager Befindlichen. Ich antwortete sofort. Allmählich vernahmen wir die Signalschüsse immer deutlicher, nach einer halben Stunde auch Rufe der auf die Suche Ausgezogenen und schließlich den Schall der Äxte, mit deren Hilfe unsere Retter sich den Weg zu uns bahnten. Endlich stand an der Spitze eines mit Äxten und Laternen ausgerüsteten Corps Eingeborener der Gouverneur vor mir und gab seiner Freude, mich gefunden zu haben, Ausdruck; ich war begreiflicherweise auch nicht ungehalten darüber, die Nacht nicht in diesem Dickichte zubringen zu müssen, und begab mich mit dem Gouverneur in das etwa 2 km entfernte Lager. Auf dem Weg dahin begegnete ich noch anderen Mitgliedern der Expedition, die sich ebenfalls auf die Suche begeben hatten.

Das Lager am Fluss war rings um die kleine Hütte eines Samoaners errichtet, der seit Jahren hier am Ufer des Flusses sein Heim aufgeschlagen hat und mit den Eingeborenen Tauschhandel treibt. Die Hütte bestand eigentlich nur aus einer mit einem Dach bedeckten Plattform, auf der unter Benützung der umstehenden Palmen unsere Hängematten gespannt waren. Auch Proviant und Gepäck hatte man mittlerweile in einem Boote des Gouverneurs glücklich zur Stelle geschafft, da es gelungen war, einige Stämme der Holzbarre wegzuräumen. Unsere Boote konnten jedoch die Barre nicht passieren und blieben unterhalb derselben vor Anker. Nach dem kleinen Abenteuer, das ich bestanden, schmeckten Nachtmahl und Schlaf vorzüglich, nur umschwärmten uns Myriaden von Moskitos, die so bösartig waren, dass wir alle am ganzen Körper gestochen wurden und einige der Herren kein Auge schließen konnten.

Links

  • Ort: Port Moresby, Neu Guinea
  • ANNO – am 19.06.1893 in Österreichs Presse.
  • Das k.u.k. Hof-Burgtheater spielt „Der Sohn der Wildnis“, während das k.u.k. Hof-Operntheater vom 1. Juni bis 19. Juli geschlossen bleibt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Solve : *
20 − 1 =


Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.