Morgens fühlte ich mich etwas wohler, verblieb aber doch an Bord und verkürzte mir die Zeit, indem ich von den Indianern lederne Mokassins und Handschuhe einhandelte. Die Indianer-Damen waren sehr neugierig und wollten durchaus den fremden Prinzen sehen, so
dass sie sich sogar unter Führung des Missionärs an Bord wagten; ich war gerade mit Eintragungen in mein Tagebuch beschäftigt, als sie herbeikamen und mich anstarrten, welchen Augenblick Imhof benützte, um die holden Schönen, die sich durch sehr energische Gesichtszüge und kräftige Gestalten auszeichneten, zu photographieren. Die Indianerinnen wurden dies bald gewahr; doch brachte die Erkenntnis verschiedene Wirkungen hervor, indem einige schreiend das braune Antlitz mit einem Tuch verhüllten, während andere, minder scheu und scheinbar recht eitel, ihr Kopftuch abnahmen, damit ihre dichten, schwarzen Haare besser zur Geltung kämen.
Am Landungssteg hatte sich inzwischen ein lebhafter Handel entwickelt, da der Reisemarschall alle für die Expedition angeschafften und nunmehr entbehrlich gewordenen Gegenstände, wie Feldbetten, Kochgeschirre u. dgl. m., dann die erübrigten Konserven und alkoholischen Getränke mit bedeutendem Verlust an den Mann brachte. Das meiste erstand Mr. Ellis, der den günstigen Kauf dadurch feierte, dass er sich sofort an Ort und Stelle einen Kapitalrausch antrank.
Gegen Mittag, kurz vor dem Auslaufen, sprang ein heftiger, stürmischer Wind auf, welcher den See aufwühlte, so dass das Abgehen des ungefügigen Dampfers beinahe unmöglich wurde; ein Tau, mit welchem der Bug des Schiffes freigeschwait werden sollte, riss alsbald, und wir trieben wieder an den Steg, an den wir dröhnend anschlugen, zur größten Freude des alkoholisch gestimmten Mr. Ellis, der über diesen Misserfolg des Fahrzeuges der von ihm bestgehassten Canadian Pacific Railway Company in ein Freudengeheul ausbrach und den Hut schwenkte.
Das Manöver wurde wiederholt, die Trosse riss neuerdings, und diesmal war das Zurücktreiben, sowie das Anschwaien noch heftiger, so dass der Steg in allen Fugen erkrachte und auch wir auf dem Schiff einen gewaltigen Stoß erhielten. Die Aufregung wurde nun eine allseitige, der Wind heulte immer stärker, der Kapitän schrie und fluchte, Mr. Ellis jauchzte, der Missionär rief mir zu, er trage sich an mitzureisen, um mich auf den Tod und die Reise ins Jenseits vorzubereiten, welches wohlwollende Anerbieten ich jedoch vorläufig dankend ablehnte. Ein drittes Tau wurde zum Verholen ausgebracht, und da zu wenig Mannschaft an Bord war, drängte sich eine bunte Gesellschaft, zum Teil recht drollige Gestalten, herbei, um am Gangspille für das allgemeine Wohl eifrigst zu arbeiten; der Zahlmeister, die Passagiere, die Kellner in Hemdärmeln — alle drehten kräftig mit, bis der gemeinsame Eifer endlich von Erfolg gekrönt war. Der Bug wandte sich seewärts, die Maschine setzte an, und wir konnten das offene Wasser gewinnen.
In der Station Kelowna, die aus einigen Ansiedlerhäusern besteht, benützte ich den viertelstündigen Aufenthalt zur Besichtigung einer am Ufer stehenden Dampfsäge, welche von einer Maschine mit 42 Pferdekräften betrieben wird; fünf Zirkularsägen und eine Hobelmaschine verarbeiteten daselbst die riesigen Fichtenstämme der Urwälder binnen kürzester Frist zu glatten Brettern. In einem kleinen Kramladen kauften wir noch rasch einige lederne Indianerkostüme und Handschuhe. Gegen 6 Uhr waren wir bei Priests‘ Landing und verblieben an Bord des „Aberdeen“. Spät abends stellte sich Regen ein.
Links
- Ort: Penticton, Kanada
- ANNO – am 16.09.1893 in Österreichs Presse.
- Das k.u.k. Hof-Burgtheater spielt die Tragödie „Der Erbförster“, während das k.u.k. Hof-Operntheater das Ballet „Excelsior“ aufführt.