In der Nacht waren wir von Narromine nach Mullengudgery gefahren, wo wir auf den Besitzungen mehrerer Farmer jagen sollten, welche beabsichtigten, uns hiebei Gesellschaft zu leisten. Als die bedeutendsten unter ihnen sind Mr. Alison und Mr. Campbell zu nennen.
Zunächst war eine Wagenpürsche auf Australische Trappen beabsichtigt, welcher ich mit Interesse entgegensah, da ich diese Art Wild noch nicht kennen gelernt und naturgeschichtlich noch nicht beschrieben gefunden hatte. Bej Morgengrauen holte mich Mr. Campbell in einem kleinen Wagen ab, auf dem ich mit Clam Platz nahm, und nun ging es in der uns schon bekannten, australischen Manier alsbald in scharfem Tempo querfeldein bis zu einer großen Heide, die als Schafweide dient und mit Grasbüscheln sowie mit einzelnen Baumgruppen bestockt war.
Bald zeigte mir Mr. Campbell einen großen Vogel, der mit erhobenem Hals in der Heide stand und den ich, während wir versuchten, ihn anzufahren, als Trappen erkannte. Der Australische Trappe scheint die gleichen Eigenschaften, vor allem dieselbe Scheu zu besitzen, wie sein europäischer Bruder; denn auch hier hielt er nicht stand. Ein auf weite Entfernung abgegebener Kugelschuss blieb erfolglos. Wir fuhren nun unausgesetzt auf der Heide umher und sahen auch noch viele Trappen; doch strichen diese immer schon auf viele hundert Meter vor unserem Wagen ab, so dass ich nur einmal auf Kugeldistanz an einen Trupp herankommen und ein schönes Exemplar erlegen konnte, welches aber leider durch die 500er Kugel stark zerschossen wurde. Das Gefieder des Australischen Trappen ist von jenem des europäischen verschieden, da der Hahn einen großen schwarzen Schild auf der Brust trägt, während die Rückenfedern geperlt sind; auch fehlt ihm der Bart unseres Trappen.
Diese Morgenpürsche war sehr anregend, weil ich außer den vielen Trappen noch Vertreter verschiedener anderer, mir noch neuer Vogelgattungen beobachten konnte, so den Australischen Kranich, der unter fortwährendem Geschrei Nahrung suchend umherstolziert; einen solchen schoss ich mit der Kugel, ohne desselben jedoch habhaft zu werden. Auf einem dürren Baume saß ein ganzer Flug Ibisse, und an anderer Stelle erblickte ich zum ersten Mal ein Pärchen der so schönen, rosaroten Kakadus mit der roten Haube, die sie jeden Augenblick herausfordernd aufstellen. Während der Rückfahrt fiel mir ein schöner Falke (Hieracidea berigora) zur Beute.
Wieder auf der Station angelangt, fand ich daselbst die anderen Herren, mit welchen ich nun gemeinsam vorerst auf Wasserwild und nachmittags auf Emus auszog.
Mit einiger, landesüblicher Verzögerung setzten wir uns in Bewegung, gefolgt von einer Anzahl Berittener. Diesmal stellte sich unser Wagen als ein noch gewaltigeres Fuhrwerk denn jenes in Narromine dar; derselbe war eigentlich ein Streifwagen von ungeheuerlichen Dimensionen und pyramidaler Höhe, doch bewährte sich dieses von dem gleichfalls anwesenden Mr. Mack gesteuerte Gefährte vortrefflich. Letzterer lenkte das Ungetüm zur Abkürzung des Weges mitten durch Nadeljungholz von wenigstens 3 m Höhe hindurch, so dass der Wagen zufolge seiner Wucht die Bäume knickte und darüber hinwegdonnerte, was mit einem anderen, leichteren Gefährte kaum tunlich gewesen wäre. Außerordentlich geschickt benahmen sich hiebei die vier vorgespannten Pferde, indem sie in Sprüngen und Windungen durch das Dickicht drangen.
Unmittelbar nach der Abfahrt sahen wir große Mengen von Trappen, die überall in kleinen Trupps in dem offenen Terrain standen oder an uns vorbeizogen; ebenso huschten allenthalben Kaninchen umher oder saßen vor den Bäumen zu Sechsen oder achten beisammen. Diese Tiere bilden wohl die schlimmste Landplage Australiens; denn sie haben sich, seinerzeit importiert, in erschreckender Weise vermehrt und sind nun unausrottbar. In welcher Zahl die Kaninchen vorkommen, beweist die Mitteilung Mr. Campbells, dass er auf seiner Farm in einer Nacht oft über 8000 Stücke in Fallen fange, ohne dass eine Abnahme zu bemerken sei; ja mehrere Nachbarfarmer von Mullengudgery waren sogar gezwungen gewesen, auszuwandern, da sie sich dieser Thiere nicht mehr erwehren konnten. Die Zahl der Kaninchen hatte im Jahre 1883 so ungeheuer zugenommen, — es waren in einem einzigen Jahre 102.300 km2, ein den Flächeninhalt von Böhmen, Mähren, Schlesien und Niederösterreich noch übertreffendes Gebiet, durch die „Kaninchenpest“ zerstört worden — dass die Regierung von 1883 bis 1890 bedeutende Subsidien bewilligte, um dem Weitergreifen der Kaninchen
Einhalt zu thun.
Die Beträge, welche die Regierung für die Ausrottung der Kaninchen verausgabt hat, werden auf mehr als 12,000.000 fl. ö. W. geschätzt. Das einzig wirksame Mittel hiezu stellt die Absperrung der bedrohten Gebiete durch Drahtnetze, Wire netting, dar, deren die Regierung im ganzen 1688 km errichtet hat, während die Länge der von den einzelnen Herdenbesitzern des Landes hergestellten Drahtnetze auf nahezu 21.500 km beziffert wird.
Als wir in ein kleines, ziemlich dichtes Wäldchen gelangt waren, wurden plötzlich einige Emus flüchtig, welchen die Reiter sofort nachsetzten, bis sie dieselben in eine von Drahtnetzen gebildete Ecke getrieben hatten. Leider aber war es den Vögeln, bevor wir noch mit
den Gewehren herbeigekommen waren, nach mehrfachen Versuchen gelungen, die Einzäunung zu übersetzen und auf Nimmerwiedersehen zu verschwinden.
Die Nähe eines großen Sumpfes machte sich durch eine Unzahl von Kranichen bemerkbar, welche in dem niederen Röhricht umherstanden und die Luft mit heiserem Geschrei erfüllten. Die Jagdleiter hatten die Absicht, uns an verschiedenen Punkten, wo sich freiere Wasserflächen befanden und Enten einzufallen pflegen, zu verteilen und dann das Wild wieder zu Pferd aufzutreiben. Wurmbrand und Clam blieben am Beginne des Sumpfes stehen, während ich noch ungefähr 7 km weiterfuhr und, auf dem Weg an offenen Tümpeln vorbeikommend, einige Stücke Wild schoss, darunter eine seltene Weihe. Ein ziemlich tiefer Wasserarm wurde mit dem Wagen im Galoppe genommen, worauf ich mich auf meinem Stand befand, an einem kleinen Teich, der zwischen zwei größeren Sumpfadern gelegen war; hier wählte ich mir einen günstigen Platz unter einem starken Weidenstrunk und überblickte mit gespannter Aufmerksamkeit das umliegende Terrain.
Nach und nach strichen einzelne Flüge von Enten heran, aber meist in solcher Höhe, dass ich nicht schießen konnte. In weiter Ferne hörte ich Schüsse fallen, hin und wieder auch das Knallen der Peitschen; doch schien das Wild eine andere Richtung eingeschlagen zu haben und meinen Standplatz zu meiden. Die Jagdleiter hatten offenbar irrig kombiniert und die Schützen zu weit von einander aufgestellt, so dass sich das Wild verteilen und bereits nach den ersten Schüssen in alle Weltgegenden abstreichen konnte; auch waren im Verhältnisse zu der Anzahl von Schützen zu viel Einfallstellen unbesetzt geblieben, welche das Wild, uns das Nachsehen lassend, vorgezogen hatte. Ich wartete zwei Stunden lang und musste mich im Verlaufe dieser Zeit mit vier Enten begnügen, bis meine Ausdauer gegen Schluss der Jagd hin ihren Lohn fand, indem ich zwei Vögel erlegte, welche eine schöne Vermehrung meiner Sammlung darstellten: einen Ibis, welchen ich aus einem über meinen Kopf hinwegstreichenden Schwarme herausschoss, sowie einen Australischen Kranich. Dieser war in meiner Nähe auf ungefähr 200 Schritte eingefallen, worauf ich ihn zuerst zweimal mit der Kugel fehlte, und endlich, da er, nicht wissend, woher die Schüsse kamen, noch immer sitzen blieb, mit der dritten Kugel erbeutete.
Die Herren meiner Gesellschaft waren ebenfalls nicht leer ausgegangen und brachten zwei schöne Trappen, welche sie in der Nähe des Sumpfes in sandigem Terrain angetroffen hatten.
Schon während des Triebes hatte ich in weiter Entfernung mehrere Emus vorbeiwechseln gesehen, und drängte nun, da es mir hauptsächlich darum zu thun war, eines dieser seltenen Tiere zu erlegen, die Farmer, den Nachmittag zum Treiben auf dieselben zu verwenden. Bereitwilligst leisteten sie dieser Bitte Folge und stellten mich längs eines Zaunes in einer mit verkrüppelten Bäumen und Büschen bedeckten Ebene an, während die Reiter einen großen Bogen machten, um mir die etwa vorhandenen Emus zuzutreiben. Vor mir standen einige ganz niedrige Sträucher des Salzbusches, der Lieblingsnahrung weidender Schafe; hinter diesen Sträuchern suchte ich mich so gut als möglich zu decken. Ich mochte kaum 20 Minuten gewartet haben, als ich bereits die lauten Rufe der herangaloppierenden Reiter vernahm und eine Staubwolke sich auf mich zubewegen sah. Nun bot sich mir ein äußerst merkwürdiges Bild: ein Trupp von mindestens 40 Emus, die mit hocherhobenen Hälsen in vollem Lauf einherstürmten; allen voran ein beinahe schwarzer, großer Leithahn, die ganze Herde in wilder Unordnung hinterdrein. Die Tiere eilten den Zaun entlang, den sie nicht zu übersetzen wagten, und versuchten zeitweise gegen die offene Ebene auszubrechen, was jedoch von den Reitern geschickt verhindert wurde. Nur mehr auf 40 Gänge von mir entfernt, erblickten mich die ersten Stücke, und jetzt stob die ganze Herde auseinander; ich sandte dem nächsten Emu zwei Schrotschüsse nach, hörte die Schrote an das dichte Federkleid anprallen, konnte auch wahrnehmen, dass er schwer getroffen war, vermochte aber leider nicht zu hindern, dass er flüchtig abzog; hiedurch gewitzigt, griff ich rasch nach dem Stutzen und schoss einen alten Hahn, der sich eben zur Flucht abgewendet hatte. Andere Schüsse waren der nachjagenden Reiter halber nicht mehr anzubringen. Die Herde flüchtete nun in rasendem Lauf der Ebene zu, wobei von meinen Herren, welche bedauerlicherweise unrichtig, nämlich in zweiter Linie, aufgestellt worden waren, nur Clam den Emus einige Kugelschüsse auf weite Entfernung nachsenden konnte. Wären die Herren auf den richtigen Plätzen seitwärts von mir gestanden, so hätte die Strecke jedenfalls bedeutender sein müssen.
Das von mir mit Schrot angeschweißte Stück wurde bald darauf von zwei Reitern ausgemacht. Die erlegten Stücke waren selten schöne und große Exemplare, deren Erbeutung mir um so willkommener war, als behauptet wird, dass diese mächtige Vogelart ganz im Aussterben begriffen sei.
Die Reiter machten den Versuch, den Trupp noch einmal zurückzutreiben, und zwar von der anderen Seite her, so dass wir uns auf den Ständen nur umzuwenden brauchten. Nach längerer Zeit kamen auch einige Stücke auf uns zu; doch hatten sich die Emus mit ihren feinen Sinnen die gefahrdrohende Stelle genau gemerkt und brachen, ohne gewendet werden zu können, schon in weiter Entfernung vor den Ständen aus.
Mr. Campbell schlug mir nun, da die Fortsetzung der Jagd auf Emus aussichtslos war und noch Zeit erübrigte, vor, auf Kakadus und Trappen auszuziehen, und sandte, um den Aufenthaltsort eines Kakadufluges auszukundschaften, zwei seiner Reiter aus, die nach wenigen Minuten schon mit der Meldung zurückgesprengt kamen, dass sie einen Schwarm ausfindig gemacht hätten. So rasch es unser Wagen gestattete, fuhren wir in der angegebenen Richtung und sahen nach Zurücklegung einer Strecke von 2 km bereits einen Flug herrlicher rosenrother Kakadus (Cacatua roseicapilla) über die Wipfel der Bäume streichen und auf einer freien Fläche einfallen. Sofort sprangen ich und Wurmbrand vom Wagen ab, pürschten uns an und sahen 300 bis 400 der rothen Köpfe mit aufgestellter Haube aus dem Gras emporragen, späterhin die zierlichen Thiere selbst, Asung suchend, gravitätischen Schrittes einherstolzieren; als wir auf 60 Schritte herangekommen waren, stand der Flug wie auf Kommando auf, und mit zwei Schüssen holte ich drei Stücke herab, die kreischend auf dem Boden umherflatterten.
Einem eigentümlichen Triebe folgend, trennen sich Kakadus von getöteten oder verwundeten Kameraden ihres Fluges nicht so bald, sondern beschreiben um dieselben einen Kreis in der Luft und stoßen immer wieder herab, mag auch noch mehreremale auf sie geschossen werden. So erhob sich auch hier der farbenbunte Kakaduschwarm wie eine rosenrote Wolke in die Lüfte, um alsbald im pfeilschnellen Fluge herabzustürzen. Noch zehn Stücke wurden erlegt, bis der Schwarm doch höher stieg und endlich über den Wipfeln der Eucalypten verschwand.
Bald darauf schoss ich während der weiteren Fahrt noch drei reizende, kleine Papageien sowie, mit der Kugel, einen Trappen und erreichte bei vollkommener Dunkelkeit wieder die Station, wo Hodek in voller Tätigkeit war, die verschiedenen Beutestücke zu präparieren.
Nachdem wir von den freundlichen Farmern Abschied genommen, entführte uns die Eisenbahn nach Narromine, wo wir dem um unsere jagdlichen Erfolge so hochverdienten, liebenswürdigen Mr. Mack herzliches Lebewohl sagten.
Ich hatte in Narromine den Waggon für einen Augenblick verlassen, als aus der Menschenmenge, die nächst dem Bahnhof versammelt war, ein anständig, aber ärmlich gekleideter, junger Mann auf mich zuschritt, meine Hand ergriff und, sie drückend, mir zurief: „Wenn Euere kaiserliche Hoheit nach Wien zurückkommen, so bitt‘ ich den alten „Steffel“ zu grüßen und ihm zu sagen, dass ich ein treuer Österreicher geblieben bin, der seine alte Heimat nicht vergessen kann!“ Sprachs und verschwand. Ich sandte dem Unbekannten sogleich einen der Herren nach, der ihn auch nach langem Suchen fand und ihm in meinem Namen eine Unterstützung anbot. Der Landsmann aber verweigerte die Annahme einer solchen, mit dem Hinweis darauf, dass er zwar arm und ohne Arbeit sei, aber nur das Glück gesucht habe, ein Mitglied seines Kaiserhauses zu sehen. Dann verlor er sich wieder in der Menge; der Pfiff der Lokomotive ertönte, wir rollten weiter. Diese überraschende, in den Gefilden Australiens sich abspielende Szene hat mich tief ergriffen, der schlichte Mann mit seiner Liebe zum Vaterland, mit seinen wenigen, herzlichen Worten hat mein patriotisch fühlendes Herz wahrhaft gerührt. Welche Entbehrungen, welche Sorgen mag der Ärmste im harten Kampf ums Dasein ertragen haben; und doch hat sich die Erinnerung an die Heimat, hat sich die Liebe zum angestammten Kaiserhaus in ihm lebendig erhalten! Mag ihn was immer nach Australien getrieben haben, der echt österreichische Sinn hat sich in diesem geprüften Menschen auch hier — viele tausend Meilen vom teuren Vaterland — nicht verleugnet, ihm vielmehr Worte geliehen, die auf mich, den warmfühlenden Landsmann, einen nachhaltigen Eindruck hervorgebracht haben.
Links
- Ort: Narromine, Australien
- ANNO – am 20.05.1893 in Österreichs Presse.
- Das k.u.k. Hof-Burgtheater spielt “Maria Stuart”, während da k.u.k. Hof-Operntheater die Oper “Margarethe” aufführt.