Der Tag war völlig der Ruhe, dem dolce far niente gewidmet, da es weder Tempel zu besichtigen, noch des Wetters halber Ausflüge zu machen gab. Den Vormittag füllte ich mit dem Besuch der Kaufläden, woselbst ich eine Unzahl von recht nutz- und wertlosen Objekten der verschiedensten Art erstand, mit der Fütterung von Goldfischen und damit aus, dass ich zusah, wie die kunstvolle Frisur einer japanischen Dame entstand, die trotz ihres Negliges unsere Assistenz nicht verübelte. Dann legten wir alle den Kimono an und ließen uns in dieser Tracht photographieren, welche namentlich an unserem Chefarzt, der sich einer stärkeren Körperfülle erfreut, die Heiterkeit mehrerer jungen Amerikanerinnen erregte.
Besonders gelungen fiel eine Aufnahme aus, die mich umgeben von allen begleitenden Herren, diese aber nach japanischer Sitte kniend und mit der Stirne den Boden berührend darstellt. Da wir uns nun schon in landesüblichen Gebräuchen vergnügten, unterzog ich mich auch einer Tätowierung, aus welcher nach vierstündiger ziemlich schmerzvoller Prozedur, die nicht weniger als 52.000 Stiche erforderte, ein auf meinem linken Arme prangender Drache hervorging — ein Scherz, den ich wahrscheinlich seiner unvertilgbaren Spuren wegen noch bereuen werde. Ein Spaziergang sowie ein treffliches Diner beschlossen diesen, nicht eben sehr nützlich, aber ruhevoll verbrachten Tag.
Links
- Ort: Miyanoshita, Japan
- ANNO – am 16.08.1893 in Östereichs Presse.
- Das k.u.k. Hof-Burgtheater macht Sommerpause bis zum 15. September, während das k.u.k. Hof-Operntheater die Oper „Die Königin von Saba“ aufführt.