Mammoth Hot Springs Hotel, 26. Sept. 1893

Da ich die Wunder des Great Canons noch einmal schauen wollte, eilte ich bei Sonnenaufgang zu einem anderen Aussichtspunkt, dem Look-out Point. Die Sonne leuchtete grell in das Farbenlabyrinth und ließ besonders die gelben Töne intensiv hervortreten; in der Schlucht strich ein Fischadler auf und nieder, und über uns auf steiler Spitze war abermals ein Adlerhorst zu sehen. Vom Look-out Point stieg ich einen sehr steilen und für unsere städtischen Stiefletten ziemlich wenig geeigneten Weg gegen den Großen Wasserfall bis zu einer Klippe hinab, welche über demselben liegt und einen guten Überblick über die Stromschnellen und den Kessel des Falles ermöglicht, in dem starke Baumstämme umherwirbelten.

Da die Coach noch nicht zur Stelle war, beschlossen wir, eine kleine Jagd auf die allerliebsten, gestreiften Eichhörnchen, welche auf den Bäumen und dem Boden umherhuschten, zu veranstalten; es gab deren sehr viele, doch konnten wir, da Stöcke und Steine unsere einzigen Waffen bildeten, nur ein Exemplar erbeuten.

Die bald nach diesem verpönten Vergnügen angetretene Fahrt gieng in westlicher Richtung durch waldiges Hügelland und bot wenig Abwechslung; unmittelbar bevor wir das Norris-Hotel erreichten und wieder auf die uns schon bekannte Route kamen, ersahen wir in einer Schlucht Basaltfelsen von abenteuerlicher Gestaltung, darunter als hervorragendsten einen großen Block, „des Teufels Ellbogen“.

Bei dem drolligen Irländer frühstückten wir wieder in dem fliegenreichen Zelt und unternahmen, da die Kutscher erklärten, sie müssten die Pferde hier wenigstens anderthalb Stunden rasten lassen, in der Umgebung, möglichst gedeckt vor den aufmerksamen Augen der Soldaten, eine Fortsetzung der vormittagigen Jagd auf Eichhörnchen.

Eine Unzahl gestürzter Bäume und Holzstücke, unter welche sich die überaus flinken Tierchen blitzschnell verkrochen, und Erdbau mit weitverzweigten Gängen, die gleichfalls als Schlupfwinkel dienten, erschwerten unser Beginnen. Nachdem wir jedoch einige Zeit tüchtig umhergelaufen waren, hatten wir endlich fünf Stück auf der Strecke, darunter eines in lebendem Zustande, das, arg bedrängt, in eine leere Konservenbüchse geflüchtet war.

Während wir bei der Hinfahrt die Strecke zwischen Morris Geyser Bassin und Mammoth Hot Springs im Winterkleid und bei bedeutender Kälte gesehen hatten, bot jetzt die Landschaft ein ganz anderes Bild; der Schnee war vor den wärmenden Sonnenstrahlen gewichen, so dass die bunte Färbung der Laubbäume, welche zwischen rot, gelb und grün wechselte, zur vollen Wirkung kam, insbesondere auf dem prairieartigen Hochplateau und den Lehnen um den Swan Lake. Beim Beaver Lake zeigte sich leider keiner seiner Bewohner, der emsigen Biber, wogegen wir knapp vor dem Golden Gate einen anderen seltenen Repräsentanten der amerikanischen Tierwelt, nämlich eine Gabel-Antilope, einen auffallend starken Bock, erblickten, der auf Schussdistanz vom Wagen über die freie Fläche wechselte und wiederholt ohne jedes Zeichen von Scheu stehen blieb. Diese Antilope — Amerika besitzt nur diese eine Art — erinnerte mich in Gang und Gebaren sowohl an unser Reh, wie an die Gemse; sehr originell ist das hakenartig gebogene, starke Gehörne.

Kurz darauf sah ich auf ungefähr 200 Schritte wieder ein merkwürdiges Tier durch die niederen Büsche der Prairie wechseln, das ich zuerst nach Farbe und Gang für einen Biber hielt; doch bald erkannte ich, dass es ein Stachelschwein war, welches unsere Anwesenheit bemerkt und sich bereits zur Flucht gewendet hatte. Rasch sprangen wir vom Wagen, stürmten bei möglichster Ausnützung unserer Lungen und Beine dem Tiere nach und parforcierten es nach ausgiebigem Dauerlauf; als die Distanz zwischen uns und dem Stachelschwein immer geringer wurde, warf es sich in eine Grube, in der es mit einem Jagdmesser den Fang erhielt. Das amerikanische Stachelschwein unterscheidet sich nicht unwesentlich von dem indischen; die Stacheln sind bedeutend kürzer, am vorderen Teil des Körpers hat es lange borstige Haare und ist dunkler gefärbt.

So hatten wir denn, ohne das „No Shooting“ im Yellowstone-Park übertreten zu haben, doch ein Stinktier, ein Stachelschwein und sechs Eichhörnchen, nebst einem unschuldigen Finken, welcher bei der Eichhörnchenjagd durch ein Wurfgeschoss getroffen worden war, auf der Strecke und hoben, obgleich die Jagd keine sehr edle in Sanct Huberto genannt werden konnte, unsere letzte und interessanteste Beute gleichwohl freudig auf den Wagen.

Gegen Abend langten wir im Mammoth Hot Springs Hotel ein, wo unser eine arge Enttäuschung harrte; denn die lange erwartete und mit Bestimmtheit zugesagte Post war noch immer nicht eingetroffen.

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