Livingston — Butte City, 28. Sept. 1893

Der Zug führte uns auf einer Zweiglinie der Northern Pacific Railway in südöstlicher Richtung durch eine öde und traurige Gegend, durch unkultiviertes, hügeliges Terrain, und nur in der Ferne waren die Gipfel der Rocky Mountains zu erblicken; allenthalben sahen wir Vieh in großer Zahl, welches trotz des ärmlichen Bodens gut genährt schien. Anderthalb Stunden vor Butte City wurde das Land gebirgig, die Eisenbahn übersetzte auf hohen Holzbrücken tief eingeschnittene Täler und Schluchten; zahlreiche rundliche Felsblöcke auffallender Größe lagen überall umher, spärlichem Baumwuchse nur wenige freie Stellen einräumend.

An vielen Punkten nahmen wir deutliche Anzeichen des Bergbaues wahr, welcher in diesem erzreichen Distrikt der Rocky Mountains lebhaft betrieben wird und dessen Zentrum Butte City ist. Diese, eine Minenstadt im vollsten Sinn des Wortes und in einem bergumrandeten, kahlen Tal gelegen, ist schon aus der Ferne an den rauchenden Schloten kenntlich. Im Mittelpunkt des städtischen Weichbildes ragt ein erzreicher Hügel auf, dessen Kupfer- und Silberschätze durch mehrere Minen erschlossen sind; die zu diesen gehörigen Maschinenhäuser, verschiedene Wäschereien und große Haufen tauben Gesteines bedecken des Hügels Oberfläche; kleine Bahnen, auf denen Wagen und Hunde mit den gewonnenen Erzen rollen, führen von Werk zu Werk; überall dampft, hämmert und pocht es.

Um diesen Hügel reihen sich die Stadt und einzelne Ansiedlungen, welche im Laufe der Zeiten zu Vorstädten geworden sind, so dass Butte gegenwärtig 40.000 Einwohner zählt. Wenn amerikanische Städte schon überhaupt den Ruf genießen, geschmacklos erbaut zu sein und einen ernüchternden Eindruck hervorzubringen, so leistet Butte City hierin wohl das Ärgste.

Man denke sich ein Gemeinwesen von beträchtlicher Ausdehnung, in dem nicht ein Baum, nicht ein grünender Fleck das Auge erfreut, die Häuser kunterbunt auf den Lehm oder Sand hingebaut sind, in den entlegeneren Straßen beinahe an Zigeunerwagen gemahnen, überall aber das Non plus ultra der Geschmacklosigkeit erreichen; die Straßen sind holperig wie elende Landwege. Und doch leben in der Stadt zahlreiche Millionäre, die sich aber hier keinerlei Annehmlichkeit gönnen, ihr trauriges Heim nicht zu verschönern verstehen und nur Dollar auf Dollar häufen.

Ein dichtes Netz von Drähten breitet sich über den Dächern aus und grellfarbige Annoncen mit aufdringlicher Reklame bedecken die Fronten und Seitenwände aller Gebäude. Innerhalb einer zweistündigen Rundfahrt habe ich nie abstoßendere Eindrücke empfangen als hier, bin aber doch befriedigt, Butte City gesehen zu haben, weil meine Ansicht, dass man selbst sehen muss und sich sein Urteil nicht durch Beschreibungen formen lassen darf, neuerlich bekräftigt wurde.

Es interessierte mich noch, eines der Bergwerke kennen zu lernen, und ich fuhr daher zu einer Mine, woselbst mir bedeutet wurde, dass Beamte und Arbeiter beim Lunch seien und der Betrieb eingestellt wäre, was den Schluss zuließ, dass europäische Schichteneinteilung, bei welcher eine Stockung in der Arbeit vermieden bleibt, hier im „freien“ Land wohl nicht durchführbar ist. Nach längeren Pourparlers erklärte sich ein Arbeiter bereit, uns das Bergwerk zu zeigen, das auf 335 m abgeteuft sein soll und in das wir zu sieben auf einer Schale einfuhren. die eigentlich nur für vier Personen bestimmt ist. Zum Glück machten wir schon im zweiten Horizont halt und verfolgten, jeder mit einer flackernden Kerze versehen, einen Stollen, bis wir, über mehrere Leitern kletternd, an die Arbeitsplätze kamen. Hier zeigten sich die kupfer- und silberhältigen Adern in einem Gestein, das merkwürdigerweise auf eine lehmartige Masse führt.

Der Abbau geschieht in Terrassen, welche übereinanderliegen und durch starke Holzpfeiler gestützt sind, wie denn auch an anderen Stellen mit dem hierlands so wohlfeilen Holze nicht gespart wird. Der Ertrag des Bergwerkes dürfte ein mäßiger sein, weil es nur 60 Arbeiter beschäftigt und ziemlich verwahrlost aussieht; ich verzichtete daher auf den Besuch der zur Zeit ebenfalls feiernden Wäscherei und Schmelzerei und kehrte zum Bahnhof zurück.

Daselbst begann eben eine geraume Zeit währende Verschiebung unseres Waggons, wobei, wie wir schon öfter zu erfahren Gelegenheit hatten, die Maschinen so heftig anprallten, dass die Waggons nur durch ihre vortreffliche Konstruktion vor Beschädigung bewahrt wurden.

Leichten Herzens schieden wir von Butte City und fuhren bis zum Einbruch der Dunkelheit südwärts gegen Salt Lake City durch ein kahles Tal mit zahlreichen kleinen Stationen; längs der Bahn tummelten sich vielköpfige Herden. Einige schöne Lichteffekte, welche die scheidende Sonne in den Bergen hervorzauberte, entschädigten einigermaßen für die Eintönigkeit der Gegend.

Links

  • Ort: Butte, Montana, USA
  • ANNO – am  28.09.1893 in Österreichs Presse.
  • Das k.u.k. Hof-Burgtheater spielt das Stück „Das Heiratsnest“, während das k.u.k. Hof-Operntheater das Ballet „Die goldene Märchenwelt“ aufführt.

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