Katni, 24. März 1893

Die Eingeborenen hatten für heute mit voller Bestimmtheit einen Tiger erwartet, da sie an einem sehr günstigen Platz mehrere Büffel angebunden hatten. Als nun um 9 Uhr morgens berichtet wurde, ein Tiger habe gerissen, gingen alsbald die Häuda- und Jagd-Elephanten ab, während wir erst eine Stunde später folgten. Trotz des Vorsprunges holten wir die Mahauts bald ein, die es nicht sehr eilig zu haben schienen, da wir sie mit ihren Elephanten in einem Fluss badend fanden. Nun hieß es warten, bis die Schikäris mit einer Anzahl von Elephanten in das Dschungel abgegangen waren, in welchem sie den Tiger zu bestätigen hofften.

Eigentümlicherweise scheinen es die Leute nicht gerne zu sehen. dass wir dem ersten Bestätigen und Einkreisen beiwohnen; wir warteten daher längere Zeit im Schatten hoher Sal-Bäume ab, bis endlich der Ober-Schikäri das Zeichen gab und wir uns in Bewegung setzten, um nach einigen hundert Schritten eine Anzahl Mahauts zu finden, die ratlos umherstanden und uns erzählten, man suche den Tiger, könne ihn aber in der Nähe des gerissenen Stückes nicht finden. Noch während dieser Erklärung hörten wir in nächster Nähe „Bagh, Bagh“ rufen und alsbald schien der ganze Wald Leben zu bekommen; denn aus allen Richtungen kamen Elephanten mit ihren Führern herbeigestürzt, die sich auf der Suche befunden hatten, und auch wir eilten so rasch als unsere Elephanten vermochten, der Stelle zu, wo „Bagh“ gerufen worden war, während die Treiber trotz der scheinbaren Unordnung sich eifrigst bemühten, einen Kreis zu formieren.

Mein Elephant ging in Riesenschritten durch das dichte Baumdschungel. Ich war vollauf damit beschäftigt, mich gegen die vielen in die Häuda schlagenden Äste zu schützen, als ich links von mir großes Geschrei vernahm, und gleich darauf, ziemlich weit, ein Axishirsch und beinahe in seinen Spuren ein starker Panther in voller Flucht vorbeiwechselten. Seiner Größe wegen hielt ich im ersten Augenblick den Panther für einen Tiger und schoss, obgleich die Distanz sehr bedeutend war, nachdem ich noch Zeit gefunden, meinem Mahaut „Rok!“ zuzurufen. Ich glaubte bestimmt, gefehlt zu haben, da der Panther, ohne zu zeichnen, flüchtig weiter ging und an den sich nach und nach, glücklicherweise aber noch zu rechter Zeit schließenden Kreis prallte, wo ihn das Geschrei der Elephantenführer zurückscheuchte.

Der Panther kam alsbald unter einem Baum hervor, unter welchem er sich nach Katzenart geduckt hatte, direkt auf mich los. Als ich im günstigsten Augenblick abdrückte, um in rascher Folge beide Schüsse abzugeben, versagte das Gewehr, weil mein Jäger in der Aufregung unterlassen hatte, dasselbe nach dem Abfeuern der beiden zuvor auf den Panther abgegebenen Schüsse, von neuem zu laden. Ich vergass aber meinen Unmut über diesen Zwischenfall rasch, da der Panther neuerdings eine Wendung machte und zum zweiten Mal flüchtig an mir vorbeikam, wobei ich ihn im Feuer roulierte. Mit Recht lassen die Eingeborenen bei jedem größeren, erlegten Stück Raubwild einige Zeit verstreichen, bevor sie sich ihm nähern. Auch der eben getroffene Panther erhob sich, wiewohl er bereits verendet schien, brüllend aufs neue, als wir an ihn herankamen, so dass ich ihm einen Fangschuss geben musste.

Der Tod dieses Panthers schien den Leuten viele Freude zu machen, da sie behaupteten, dieses auffallend große Männchen habe in den nahe befindlichen Herden sehr viel Schaden angerichtet und sei als furchtbarer Feind wohlbekannt. Der Panther hatte eine besonders schöne, goldgelb gefleckte Decke und schien in der Tat ein alter, sehr kampflustiger Bursche gewesen zu sein; denn sein ganzer Leib war mit Bisswunden bedeckt und der rechte Reißzahn war ihm, wahrscheinlich von einem Eingeborenen, mit Schrot ausgeschossen worden, deren sich noch einige in der Zahnwurzel fanden. Unter der Decke staken zahlreiche abgebrochene Spitzen von Schweinsstacheln; Stachelschweine sollen eben eine Lieblingsnahrung der Panther bilden, doch geht’s dabei nicht ohne Kampf ab, wie die Spuren bei dem erlegten Stück bewiesen.

Die Schikäris wollten nun noch einen Streif versuchen, um den Tiger zu finden, da sie behaupteten, dass nicht der Panther das am Morgen gekillte Stück gerissen haben könne, sondern dass ein Tiger der Täter gewesen sein müsse, weil der Büffel 400 Schritte weit fortgeschleppt worden war und ein Panther dies nicht im Stande sei. Die Linie wurde somit formiert und ein Walddschungel durchstreift. Einige Flussläufe, sowie mehrere recht schlechte Übergänge wurden durchquert, vom Tiger aber war keine Spur.

So wurde denn General-shooting angeordnet. Unter Leitung des Residenten wendeten wir uns ganz südlich, passierten, einen Fluss überschreitend, sogar die Grenze, jagten eine Weile hindurch in Britisch-Indien und kehrten mit einer Schwenkung wieder auf nepalisches Gebiet zurück. Es kam uns zwar kein Wild neuer Gattungen unter, dafür waren aber zahlreiche Wildschweine und Pfaue, sowie allerlei andere jagdbare Tiere vorhanden; auch erlegten wir wieder mehrere Exemplare des schönen Zibethmarders.

In einer Entfernung von 8 km vom Lager wurde nach Sonnenuntergang die Linie aufgelöst und von den Eingeborenen ein sehr komisches Wettrennen sämtlicher 150 Elephanten nach dem Lager arrangiert. Mit erstaunlicher Schnelligkeit bewegten sich die Tiere, von ihren Mahauts auf das eifrigste angetrieben, vorwärts, und wir unterhielten uns, obwohl erbarmungslos in unseren Häudas umhergeschleudert, bei diesem seltsamen Rennen dennoch ganz prächtig. Nicht wenig Stolz erfüllte mich, als mein großer Elephant der ersten einer das Ziel erreichte; allerdings hatte ich auch zwei eingeborene Elephanten-Jockeys, einen rechts, den anderen links von mir, die unausgesetzt mit kurzen Holzkeulen auf die dicke Haut des Elephanten droschen, um ihn in seinen besten Trab zu bringen.

Wie wir bei der Ankunft im Lager erfuhren, hatte hier während unserer Abwesenheit eine Leichenfeier stattgefunden, da ein in der vorangegangenen Nacht verstorbener Kuli verbrannt worden war.

Links

  • Ort: Katni, Nepal
  • ANNO – am 24.03.1893 in Österreichs Presse. Das Ausstellungs-Komitee für die Weltausstellung in Chicago hat Erzherzog Karl Ludwig sein Konzept „Alt-Wien“ vorgestellt. Dieser hat Franz Ferdinands Besuch der Ausstellung zugesagt.
  • Das k.u.k. Hof-Burgtheater spielt „Faust“, während das k.u.k. Hof-Operntheater das Ballet „Ein Tanzmärchen“ aufführt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Solve : *
19 × 29 =


Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.