Kalawewa, 9. Jänner 1893

Der heutige Tag galt der Ornithologie. Wir alle brachen des Morgens auf, um, in verschiedenen Richtungen verteilt, Vertreter möglichst vieler Vogelspecies für meine Sammlung zu erlegen.

Ich streifte längs der Dämme hin und erbeutete Exemplare verschiedener Kuckucksarten, worunter den Zanclostomus viridirostris, ferner zweier Arten Bienenfresser (Merops philippinus und viridis), einen prachtvollen, intensiv gelbschwarzen Schwarzkopf-Pirol (Oriolus melanocephalus), einen allerliebsten, rothbrüstigen Mennigvogel (Pericrocotus peregrinus), einen grasgrünen Laubvogel (Chloropsis jerdoni), eine Art Heuschreckenstaar (Acridotheres melanosternus), Bül-büls (Molpastes haemorrhous), Zwergfinken (Uroloncha punctata und striata), eine herrliche blaue Nektarine (Arachnechthra lotenia), eine zierlich gesprenkelte Turteltaube (Turtur suratensis), eine schöne braunweiße Brahminenweihe (Haliastur indus) und einen interessanten Schlangenhalsvogel (Plotus melanogaster).

Blue-winged Leafbird (C. cochinchinensis). Photo by J.M.Garg/Wikicommons

Grasgrüner Laubvogel (C. cochinchinensis). Photo von J.M.Garg/Wikicommons

In einer dichten Baumgruppe im Teiche sah ich zu meiner großen Freude zum ersten Mal eine Schar Affen, die mit fabelhafter Schnelligkeit von Ast zu Ast kletterten und manchmal riesige Luftsprünge ausführten, um einen anderen Baum zu erreichen. Ein auf weite Entfernung abgegebener Kugelschuss hatte nur die Wirkung, dass die Gesellschaft auseinanderstob und verschwand.

Von den Dämmen aus fuhr ich auf mehrere kleine Teiche, die ziemlich reich an Wild waren. Namentlich konnte ich hier Schlangenhälse, große und kleine Silberreiher, Purpurreiher, Wasserrallen, Eisvögel, Indische Lappenkiebitze und verschiedene Wasserläufer sehen. Auch die schöne Javanische Baumente (Dendrocygna javanica) beobachtete ich hier. Überall lagen halbwilde Büffel im Wasser, die flüchtend auseinanderstoben, sobald ein Schuss gefallen war. In einem der kleinen Teich standen Hunderte von Bekassinen zu meinen Füßen auf.

Wurmbrand und ich wateten längere Zeit umher, wobei mir auch eine große, 2 m lange Schlange zur Beute fiel. Gegen Mittag lagerten wir unter einem schattigen Baum und bald trafen hier alle Jagdgenossen ein, jeder mit interessanter Beute.

Nach einer zweistündigen erquickenden Ruhepause berichtete uns ein Eingeborener, dass er einen in der Nähe gelegenen Teich wisse, in dem sich Krokodile befänden. Der Singhalese schien jedoch, was die Schätzung der Entfernung und der Zeit anbelangt, manchem unserer Alpenbewohner zu gleichen; denn bei gutem Marschtempo mussten wir eine Wegstrecke von mehr als 6 km zurücklegen und zwei tiefe Furten durchwaten. Doch entschädigte dafür der Anblick zweier großer Krokodile, die sich am Rande des Teiches sonnten, den wir endlich erreicht hatten. Ich versuchte anzukommen; doch die scheuen Tiere glitten ins Wasser und verschwanden auf Nimmerwiedersehen.

Welche Kraft das Krokodil besitzt, beweist ein Kampf, welcher vor kurzem zwischen einem solchen Reptil und einem ausgewachsenen Büffel in der Nähe von Kalawewa stattgefunden und mit dem Sieg des Krokodils geendet hatte, indem dasselbe den Gegner — sich in dessen Kopf verbeißend — endlich unters Wasser zog.

Mehrere Eingeborene brachten uns geöffnete Cocosnüsse, deren Milch ich versuchte, aber wider Erwarten äußerst fade und süßlich schmeckend fand.

Ich erlegte noch einige Wasserläufer, einen schönen schwarzen Drongo (Dicrurus ater) und kehrte dann in unser Bungalow zurück, um sehr bald unter mein Moskitonetz zu schlüpfen.

Links

  • Ort: Kalawewa, Ceylon
  • ANNO – am 09.01.1893 in Österreichs Presse. Die Neue Freie Presse berichtet, dass der Kaiser gestern abend an einem Familien-Diner mit Erzherzog Ludwig Victor teilgenommen hat. Wien leidet bei mnus 8° C an Schnee und Kälte. Züge bleiben stecken und auch die Passagiere haben angesichts der Schneemassen auf den Bahnsteigen Mühe beim Ein- und Aussteigen. Die in 150 Vereinen organisierten 7000 Kehlen der Wiener Sänger haben sich in einem Dachverein neu konstituiert, dem Wiener Sängerhausverein.
  • Das k.u.k. Hof-Operntheater spielt Webers „Freischütz“ als Ersatz für „Don Juan“ wegen der Unpässlichkeit eines Frl. Schläger; das k.u.k. Hof-Burgtheater führt den ersten Teil von Grillparzer Trilogie „Das goldene Vließ“ auf.

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