Wir hatten den Gouverneur telegraphisch um eine eintägige Verlängerung des Aufenthaltes gebeten; denn ich wollte, obgleich mein Vertrauen auf Erfolg recht erschüttert war, doch noch einmal mein Glück auf der Elephanten-Pürsche versuchen.
Schon um half 5 Uhr, als noch Mond und Sterne am Himmel standen, fuhren wir im Boot hinaus. Die ganze Natur schien zu schlafen und kein Lüftchen regte sich, bis endlich ein lichterer Streifen im Osten den nahenden Tag verkündete. Nach und nach hörte man die Stimmen der erwachenden Vogelwelt, Enten zogen hin und her, und überall war das heisere Geschrei der Reiher und Cormorane vernehmbar. Als es etwas heller geworden, begannen wir am Uferrand abzuspüren und stellten bald fest, dass die ganze Elephantenherde ihr gewöhnliches Dschungel verlassen hatte und quer durch einen Teil des Teiches abgezogen war. Kinsky, welcher anfänglich beabsichtigt hatte, auf einen von der Herde getrennten Elephanten zu pürschen, schloss sich uns an, und nun wateten wir eine gute Stunde lang durch all die Wasserarme, Tümpel, Sümpfe und das Röhricht. Dieses Waten im Wasser stellte, da die Hitze wieder zugenommen hatte, gleichzeitig ein sehr angenehmes, erfrischendes Bad dar.
Landschaftlich bot dieser Teil des Jagdgebietes ein wunderbares Bild durch die üppige Sumpfvegetation, die zahlreichen freien, mit Seerosen überzogenen Wasserflächen und die zwischen diesen aufragenden mächtigen Bäume. Auf diesen saßen die schönsten Silberreiher und vor allem Exemplare des von mir zum ersten Mal beobachteten Adjutantvogels oder Marabu-Storches (Leptopilus javanicus) mit metallisch grünen Flügeln, weißer Brust und rötlichen Ständern. Erstaunt betrachteten alle diese Vögel unsere watende Karawane.
Die Fährte der Elephanten war in dem nassen Boden leicht zu erkennen. In der Herde musste, wie uns die Leute erklärten, auch ein besonders großer Elephant sein, da in beträchtlicher Höhe Zweige abgerissen waren.
Im Schatten eines riesigen Baumes machten wir Halt und entwarfen, da sich die Elephanten nach Durchwatung des Teiches in ein verhältnismäßig kleines Dschungel gezogen hatten, einen neuen Feldzugsplan. Dieses Dschungel, von dem Teiche und von der Straße begrenzt, hatte etwa die Form eines Dreiecks; waren die Elephanten noch nicht jenseits der Straße, so hatten wir gewonnenes Spiel. Rasch eilten wir vorwärts, doch schon nach wenigen Schritten konstatierten wir auf dem roten Sande der Straße, dass die Elephanten aus dem schützenden Dickicht über den Weg gewechselt waren, was uns sehr herabstimmte, da an eine weitere Verfolgung kaum zu denken war. Als wir eben unserem Unmut freien Lauf ließen, kam ein Schikäri, der vorausgeeilt war, mit freudestrahlendem Gesichte herbeigelaufen und meldete, dass die Elephanten oberhalb unseres Standplatzes wieder in das Dschungel zurückgekehrt seien und sich noch darin befänden; man höre sie deutlich brechen. Schon vor Beginn der heutigen Pürsche hatte ich mir, gewitzigt durch die Erfahrungen der letzten Tage, möglichst geringe Begleitung erbeten. So blieben denn Kinsky und Pirie an den beiden, die Straße überquerenden Wechseln stehen, während ich mit Mr. Murray und meinem Lieblings-Schikäri, einem kleinen, alten Mann mit wallendem Bart und gemütlich freundlichem Gesichtsausdruck, in das Dschungel eindrang.
Fünfhundert Schritte weit mochte ich vorgegangen sein, als ich die Elephanten zu Gehör bekam und binnen kurzem auf einer kleinen Lichtung eines capitalen Elephanten gewahr wurde, der ruhig stand und hin und wieder an den Büschen äste. Ein großartiger Anblick. Mein Jägerherz schlug höher angesichts dieses an vorsündflutliche Tiere gemahnenden Kolosses. Ich schlich mich möglichst nahe heran, zielte scharf auf das Ohr und als ich losgedrückt, sah ich den Elephanten im Feuer stürzen. Durch den Schuss kam in das ganze Dschungel Leben, von allen Seiten hörte man Elephanten brechen und ausreißen — es war ein fürchterlicher Lärm, da, wie sich später ergab, ungefähr dreißig Elephanten nach allen Richtungen auseinanderstoben. Ich stand noch auf dem Flecke, wo ich geschossen, als auf etwa sechs Schritte von mir ein riesiger, mit langen Stoßzähnen bewehrter Solitär-Elephant in voller Flucht aus der Dickung auf der kleinen Lichtung erschien. Mein zweiter Lauf war noch geladen, und so schoss ich denn gerade zwischen Licht und Ohren. Ein trompetenartiger Ton war die Antwort und anscheinend schwer getroffen flüchtete der wankende Riese, ganze Stämme niederbrechend, in entgegengesetzter Richtung. Der Rest der Herde, nicht wissend, wo sich der Schütze befand, raste wie toll im dichten Dschungel umher, und jeden Augenblick sah ich entweder die Läufe oder den Rüssel oder den Kopf eines Elephanten zwischen den Büschen erscheinen. Leider wurden nun meine Begleiter von einer solchen Aufregung und Kopflosigkeit ergriffen, dass sie, statt mir die Reservegewehre zu geben, ein wohlgenährtes, regelloses Schnellfeuer ohne Ziel und Zweck eröffneten, wodurch sie die Elephanten nur noch scheuer machten und die Gefahr, sich wechselseitig anzuschießen, erhöhten. Im Kugelregen stehend, schrie ich den wilden Schützen zu, das Feuer einzustellen; doch ohne jeden Erfolg. Inzwischen hatte ich meine Büchse wieder geladen und sprang auf einen Wechsel vor, von welchem her ich starkes Brechen gehört hatte. Im dichten Unterwuchs sah ich mehrere Stücke sehr flüchtig vorbeiwechseln, wählte, durch eine ganz kleine Lücke hindurchblickend, ein starkes Tier aus und schoss es in voller Flucht nieder.
Waidmännische Genugtuung erfüllte mich in hohem Maß, als ich vor meinem zweiten Elephanten stand, einer starken Kuh, die verendet vor mir lag. Ich kehrte zu meinem ersten Elephanten zurück und überzeugte mich, dass ich ein außergewöhnlich starkes Männchen erlegt hatte, das sogar Stoßzähne besaß — eine große Seltenheit bei Elephanten auf Ceylon. Mein alter Schikäri war halb toll vor Freude. drückte mir in singhalesischen Worten seine Bewunderung aus und streichelte mich sogar.
Nun krachten auch auf der Straße Schüsse, sowohl in der Richtung Piries, als auch in jener Kinskys. Gleich darauf kam Pirie ganz aufgeregt herbeigestürzt und beglückwünschte mich, als ich ihm schon von weitem zurief, dass ich zwei Elephanten auf der Decke hätte, auf das lebhafteste, beifügend, dass er ebenfalls einen starken Elephanten erlegt und einen zweiten angeschossen habe. Ich musste ihm gleich meine beiden Exemplare zeigen, die Schweife, da diese in ganz Indien als Trophäen gelten, selbst ablösen und auf besonderen Wunsch der Singhalesen zum Beweise der Besitzergreifung auf meine Elephanten hinaufsteigen.
Alles lachte, schrie, gesticulierte und sprang‘ um die Elephanten umher, so dass in diesem allgemeinen Freudentaumel meine Bitte, eine Nachsuche nach dem dritten, stark schweißenden Elephanten zu unternehmen, ganz ungehört verhallte.
Endlich kehrte ich, da mit den Leuten absolut nichts anzufangen war, auf die Straße zurück, wo ich Kinsky fand, der mir sehr stolz entgegenkam, da er ebenfalls einen Elephanten in voller Flucht erlegt hatte. Die Elephanten, dreißig an der Zahl, hatten Kinsky auf seinem Stande wahrgenommen und umgeschlagen; er aber war ihnen sehr geschickt vorgelaufen und hatte von einem Felsen hinabgeschossen. Offenbar waren alle Elephanten aus der Gegend, durch die zwei vorhergehenden Pürschtage scheu gemacht, in dieses kleine, jenseits des Teiches gelegene Dschungel zurückgewichen. Wurmbrand und Clam, die im jenseitigen Terrain gepürscht, hatten daher nur die Fährte, die ganz frisch in das besagte Dschungel führte, gefunden und waren, nachdem sie mich von weitem auf derselben Fährte gesehen hatten, umgekehrt. Clam hatte dann eine Affenfamilie verfolgt und nach vielem Laufen und Schießen zwei Mitglieder derselben erlegt.
Umgeben von den noch immer vor Freude schreienden Schikäris ging ich ins Bungalow, um Hodek zu holen, und kehrte nach einem rasch eingenommenen Frühstück in das Dschungel zurück, wo Hodek sowie ein Photograph aus Kandy Aufnahmen machten und ersterer sodann die Elephanten zerlegte. Mit unsäglicher Mühe wurden die Häupter, die Läufe, sowie große Stücke der mehr als zolldicken Haut abgetrennt. Das Abhauen der Läufe mit großen Beilen glich dem Fällen starker Bäume.
Hunderte von Singhalesen, die mit Weib und Kind aus den umliegenden Dörfern herbeigeeilt waren, betrachteten in großem Kreise neugierig das Schauspiel.
Da hinlänglich Zeit erübrigte, beschloss ich noch eine Fahrt auf den Teichen zu unternehmen, um Wasserwild zu erlegen. In einem kleinen Boote ruderten Pirie, ich und mein Jäger hinaus in den nördlichen von uns bisher noch nicht befahrenen Teil des Teiches. Die Sonne stand schon tief am Horizont und warf malerische Lichter auf die dürren Riesenbäume, deren verschlungene, mitunter schlangenartig gewundene Aste und die im Wasser schwimmenden Wurzeln. Gleich beim Wegfahren erlegte ich mehrere Cormorane, sowie einen schwarzweißen Eisvogel, den sogenannten Graufischer (Ceryle rudis), schoss aber dann nicht mehr auf Sumpfwild, da ich hoch in den Lüften einen prachtvollen weißbauchigen Seeadler (Haliaetos leucogaster) kreisen sah. Nach einigem Suchen fand ich auch auf einem großen Baume seinen Horst, welchem das Adlerweibchen, das anscheinend Junge hatte, zustrich. Ich sandte zwei Schüsse empor, welche das Thier trafen, aber leider nicht tödlich verletzten, so dass es abstrich, um jedoch nach wenigen Minuten, allerdings höher ziehend, zurückzukehren. Da ein zweiter Schuss erfolglos blieb, so beschloss ich, ungefähr eine Stunde später neuerlich nachzusehen.
Es gelang mir unmittelbar darauf, noch zwei ebenfalls mit weißbauchigen Seeadlern besetzte Horste zu entdecken, deren Besitzer aber scheuer waren als das Adlerweibchen des ersten Horstes; denn obwohl ich das Boot weggeschickt hatte und lange Zeit auf einem aus dem Wasser emporragenden Baumstrunke wartete, kamen die Adler nicht, sondern hackten, ohne sich zu rühren, weit davon auf.
Zwei große Affen, die hier in tollen Sprüngen von Baum zu Baum setzten, schoss ich mit der Kugel, ohne dieselben heimbringen zu können, da der eine im Geäste hängen blieb, der andere aber, ins Wasser fallend, sofort unterging.
Eine Stunde war verstrichen, ich kehrte zum ersten Horste zurück und erbeutete mit einem weiten Schusse den schönen, alten Adler. Doch nicht genug. Der heilige Hubertus war mir an diesem Tage besonders gnädig! Wir hatten kaum mehrere hundert Schritte weit gerudert, als ich einen capitalen, wilden Büffelstier (Bos bubalus) entdeckte, der sich am Rande des Teiches sonnte. Die Distanz war bedeutend; wir näherten uns daher mit leisen Ruderschlägen in schräger Richtung. Als der Büffel uns endlich erblickt hatte, wandte er sich keineswegs zur Flucht, sondern trat im Gegenteile noch einige Schritte vor und äugte uns herausfordernd, zornig an. In diesem Momente bot der mächtige Stier ein prächtiges Bild: bald hob, bald senkte er das kräftige, mit langen Hörnern bewehrte Haupt; dann wieder wühlte und stampfte er, Wasser und Schlamm meterhoch emporschleudernd, in dem Morast umher; glühend funkelten die Lichter und bebend schlugen die Flanken des Stieres; unaufhörlich peitschte er den zottigen Leib mit dem Schweif. Unsere Anwesenheit schien das Tier sehr zu erbosen, denn immer heftiger bearbeitete es, aus blutunterlaufenen Nüstern schnaubend, das Erdreich.
Obwohl mir Pirie versicherte, dass mein kleiner 450er Rifle wenig Wirkung haben werde, versuchte ich doch, auf die Güte meines Lieblingsgewehres vertrauend, einen Schuss auf hundert Gänge hoch Blatt; der Büffel zeichnete und riss aus. Während er flüchtete, schoss ich zum zweiten Male. Nach ungefähr 50 Schritten blieb er stehen und äugte zornig zurück, welchen Moment ich benützte, um ihm noch eine Kugel nachzusenden, worauf er mit einem guten Zeichen im dichten Dschungel verschwand.
Wir schifften uns nun aus und fanden wenige Schritte vom Anschusse reichlichen Schweiß; doch konnten wir die Nachsuche leider nicht fortsetzen, da es schon stark dunkelte.
Als wir im Bungalow anlangten, war die Nacht bereits angebrochen, und nun sprachen wir dem redlich verdienten Diner, das in heiterster Laune aller Teilnehmer verlief, wacker zu. Nach demselben genossen wir das Schauspiel eines jener merkwürdigen Teufelstänze, welche die abergläubischen Singhalesen zur Vertreibung der bösen Geister zu veranstalten pflegen. Daneben sind übrigens auch symbolische Tänze üblich, wobei der Kampf mit einem der bösen Geister dargestellt wird. In den verschiedenartigsten Costümen, mit silbernem und aus Muscheln hergestelltem Schmucke behängt, führten ungefähr zwanzig Männer, untereinander abwechselnd, allerlei groteske und wilde Tänze vor, die bald an einen Csardas erinnerten, bald aber nur in convulsivischen, clownartigen Sprüngen und Leibesverrenkungen bestanden, wobei die Tänzer sangen oder heisere Laute ausstießen. Längliche, fassähnliche Trommeln, von den Tänzern selbst und von nebenstehenden Personen im Takte geschlagen, vervollständigten die musikalische Begleitung des seltsamen Ballets. Die Ältesten und der Umgegend waren in reicher Gewandung erschienen und wohnten, neben uns sitzend, dem Schauspiele bei. Eine Stunde später wurden noch einige Feuerwerkskörper abgebrannt; dann war das interessante, wilde Fest zu Ende.
In vorgerückter Stunde, mitten in einer Wildnis, die, ferne von jeder zivilisierten Niederlassung, nur von Singhalesen bewohnt ist und Elephanten, Büffel, Krokodile beherbergt, wurde ich in überraschender Weise an zivilisatorische Einrichtungen gemahnt. Zwei Reporter, die hieher geeilt waren, um mich zu interviewen! Ein Interview im Bungalow, zu nachtschlafender Zeit, nach mehreren ermüdenden Jagdtagen, schien mir etwas viel verlangt, und so mussten die berufstreuen Opfer der Publizistik unverrichteter Dinge abziehen, um meilenweit ihrem Nachtlager zuzuwandern.
Links
- Ort: Kalawewa, Ceylon
- ANNO – am 11.01.1893 in Österreichs Presse. Die Neue Freie Presse berichtet, dass Kaiserin Elisabeth sicher in Malaga nach ihrem Besuch in Granada angekommen ist. Falschmeldungen zirkulierten in verschiedenen Zeitungen, die von einem Banditenüberfall während des Ausflugs sprachen. Dies war nicht der Fall. Die Kaiserin wird weiterreisen nach Cadiz, Lissabon und Madeira. In Paris hat die Polizei auf dem Place de la Concorde acht renitente Spaziergänger und fünf Anarchisten festgenommen, welche mit Revolver und Dolchen bewaffnet waren.
- Das k.u.k. Hof-Operntheater spielt Donizettis Oper „Lucrezia Borgia“; das sk.u.k. Hof-Burgtheater schiebt „Dorf und Stadt“ ein, da wegen der Unpässlichkeit eines Hrn. Sonnenthal das ursprünglich angesetzte Stück ausfallen musste. Liegt dies am schrecklichen Winterwetter in Wien im Jahre 1893 oder war die Schauspieler und Sänger damals so viel krankheitsanfälliger als heute?