Die Schikäris hatten den Abend vorher gemeldet, der angeschweißte Elephant sei von ihnen gesehen worden, befinde sich in der Mitte einer Herde und klage laut, so dass er in wenigen Tagen verendet sein dürfte. Die übrigen Elephanten stünden zwar in einem anderen Dschungel, doch ebenfalls am Rande des Teiches. Um 5 Uhr war ich bereit; aber ein heftiger Gussregen hielt uns noch zurück, so dass wir erst gegen 6 Uhr im Dschungel waren. Diesmal begleitete mich außer den Schikäris nur Mr. Pirie. Gleich beim Aussteigen aus dem Boot sah ich Vertreter dreier mir neuer Tierspezies, nämlich einen Hasen (Lepus nigricollis), etwas kleiner und mit kürzeren Löffeln als der unsrige, ferner einen Pfau und das prachtvolle, scheue Dschungelhuhn von Ceylon (Gallus lafayetti).
Wir waren bald auf der Fährte der Elephanten und schlichen im Dschungel wacker vor, bis ich nach kurzer Zeit hörte, dass die Ungetüme äsend Äste abrissen, und in dem allerdichtesten Gebüsch die Läufe und Rüssel mehrerer Elephanten sah. Ich wollte mich auf einem anscheinend sehr günstigen Wechsel anpürschen, wurde aber daran leider von meinen Begleitern verhindert, die zum Abwarten rieten. Die Folge war, dass die Elephanten, nachdem der Wind umgeschlagen hatte, mit großem Gepolter ausrissen, ohne dass ich auch nur einen Schuss hätte anbringen können.
Nun begann es obendrein heftig zu regnen, so dass wir tatsächlich wie „die begossenen Pudel“ dastanden. Meine Begleiter versicherten zwar, wir würden die Flüchtlinge bald einholen, allein dieses Ereignis trat, wie die Folge lehrte, erst nach sieben Stunden Suchens und Pürschens ein.
Wir zogen anfänglich einige Zeit den Fährten nach, entschlossen uns aber endlich, da es des heftigen Regens wegen sehr schwer war, genau nachzukommen, zwei Schikäris auszusenden, um die Elephanten neuerdings einzukreisen und zu bestätigen. Diese Wartezeit benutzten wir zu einem Frühstück. Auf der Suche nach einem geeigneten Platz trafen wir auf ein äußerst seltenes und interessantes Tier, ein geradezu kolossales Exemplar einer Eidechse (Varanus salvator), welches mich lebhaft an die Sage vom Tatzelwurm erinnerte. Das Reptil lag auf ungefähr 2 m vom Wege, blinzelte uns mit seinen kleinen Äuglein an und rührte sich nicht von der Stelle, obgleich wir laut sprachen und berieten, wie wir es töten sollten, da ich der Elephanten halber nicht zu schießen wagte. Endlich schnitten wir einen jungen Baum ab, Pirie näherte sich der Eidechse wie Sankt Georg dem Drachen und hieb auf den Kopf des Wurmes ein, der mit seinem langen, stacheligen Schweif wütend um sich schlug und den Boden aufwühlte. Mehrere weitere Hiebe zertrümmerten dem Tiere die Schädeldecke und bald lag dasselbe verendend auf dem Rücken, worauf wir es knickten und ihm mit einem tiefen Schnitt die Brust öffneten. Es war ein Riesentier: wenigstens 2 m lang, 0,5 m an Leibesumfang messend, 20 cm hoch, ähnelte es ganz einem Krokodil, für das ich es auch zuerst gehalten hatte. Die Decke, welche ungemein dick war, so dass wir sie nur mit einem scharfen Jagdmesser durchtrennen konnten, bestand aus harten Schuppen; der Rücken war schwarz mit gelben Ringen und Punkten, der Bauch ganz gelb; die Läufe waren wie jene eines Dachshundes nach außen gedreht und mit langen Krallen versehen. Wir ließen das merkwürdige Tier liegen, bezeichneten den Platz und begaben uns, um zu frühstücken, nach einer kleinen Lichtung, über welche ein ganzer Flug Nashornvögel oberhalb unserer Köpfe hinwegstrich.
Mein vorsichtiger John hatte inzwischen, von der ganz zutreffenden Annahme ausgehend, dass ich durch den Regen völlig durchnässt sein würde, frische Kleider gebracht, und da die Sonne eben wieder freundlich blinkte, wechselte ich den Anzug. Kaum hatte ich meine Toilette vollendet, öffneten sich aufs neue alle Schleusen des Himmels, und in wenigen Minuten waren wir abermals bis auf die Haut nass. Doch dergleichen gewöhnt man bald, und ich schlief sogar zwei Stunden auf bloßer Erde vortrefflich.
Mittlerweile waren die ausgesandten Schikäris mit zwei Meldungen zurückgekommen; die erste derselben war erfreulich: die Elephanten seien wieder bestätigt; die zweite aber um so bedauerlicher: unser Ungeheuer, der Tatzelwurm habe das Weite gesucht und sei nicht mehr zu finden. Letztere Nachricht erschien so unglaublich, dass Pirie gleich an Ort und Stelle lief, wo er sich in der Tat überzeugte, dass das Reptil verschwunden war. Nur eine schwache Schweißspur führte an der Stelle, wo wir den Wurm geknickt hatten, einige Schritte weit im Gras hin. Ich war untröstlich darüber, dass meiner Sammlung ein bereits erworbenes, höchst interessantes Curiosum wieder verloren gegangen war, konnte mich aber unmöglich dazu verstehen, das Verschwinden meines Tatzelwurmes auf dessen trotz Zertrümmerung des Schädels und erfolgter Knickung ungebrochene Lebenskraft zurückzuführen. Ich nahm als Ursache des Verschwindens des Wurmes ein weit plausibleres Moment an; denn zweifellos handelte es sich nur um die Lebenskraft des Aberglaubens der Eingeborenen, welche für den verschleppten Wurm sicherlich gute Verwendung wussten.
Doch über das verlorene Reptil vergaß ich der wieder bestätigten Elephanten nicht. Diese waren äußerst unruhig und zogen ununterbrochen hin und her, so dass es nur nach großer Mühe gelang, einen derselben anzupürschen. Ich kam ihm ziemlich nahe und hätte noch besser ankommen können, hätte ich nicht plötzlich bemerkt, dass er Zeichen der Unruhe gab, da mir meine Begleiter im Übereifer wieder nachgeschlichen und offenbar vom Elephanten bemerkt worden waren. Es war höchste Zeit. Ich suchte die Stelle am Haupte bei der Rüsselwurzel aus und gab Feuer. Im selben Momente krachten vier Schüsse neben mir — Pirie und der schwarze Schikäri hatten die beiden Reservegewehre abgefeuert, eine Unsitte, welche gleichwie die Gewohnheit, dem Vordermann selbst im dicksten Dschungel stets mit gespannter Büchse nachzukriechen, sehr dazu beiträgt, sogar einen ruhigen Jäger nervös zu machen und das sichere Pürschen zu erschweren.
Der dichte Rauch, welchen das Abfeuern von fünf, eine Gesamtladung von 40 g Pulver repräsentierenden Schüssen erzeugt hatte, verhinderte einige Zeit hindurch jeden Ausblick und erst, nachdem die Luft rein geworden, machte ich eine traurige Wahrnehmung — der Elephant war verschwunden. Von einem Nachsuchen war keine Rede da es gar zu stark regnete. Ein solcher Tropenregen ist nur mit dem stärksten Platzregen unserer Gegenden zu vergleichen.
Ein rechter Unglückstag heute. Es musste mir rein jemand »einen Waidmann gesetzt« haben. Verdrießlich, frierend, völlig durchnässt eilte ich noch fast 7 km weit zu meinem Boot, welches mich über den Teich ins Bungalow zurückbrachte. Hier stärkte ich mich mit Punsch und verschiedenen Grogs, mit welchen mich der des Fiebers halber besorgte Mr. Jevers versehen hatte.
Links
- Ort: Kalawewa, Ceylon
- ANNO – am 10.01.1893 in Österreichs Presse. Die Neue Freie Presse berichtet, dass in Paris Soldaten in die Hauptstadt kommandiert wurden, um das Parlament zu beschützen. Die Polizei hat den Zugang zum Place de la Concorde abgeriegelt und weitere Regimenter sind in den Alarmzustand versetzt worden, um jederzeit auf Paris marschieren zu können. Nur etwas friedlicher aus Seite 1 ist der Verriß der Oper „Die Rantzau“, die an diesem Abend erneut auf dem Programm des Operntheaters stand. Die Schweiz meldet, dass alle Importbeschränkungen wegen der Choleragefahr wieder aufgehoben wurden.
- Dillinger’s Reisezeitung (Nummer 2, 10. Januar 1893, S.3) berichtet über Franz Ferdinands Aufenthalt in Ceylon, der sich im Wesentlichen mit dem Tagebuch-Eintrag deckt, nur die Beschreibung der Bevölkerung ist deutlich rassistischer.
- Das k.u.k. Hof-Operntheater wiederholt die Oper „Die Rantzau“; das k.u.k. Hof-Burgtheater spielt „Der Unterstaatssekretär“ von Adolf Milbrandt als Ersatz für den dritten Teil von Grillparzers Trilogie „Das goldene Vließ – Medea“ wegen der Unpässlichkeit eines Herrn Kraftel.