Eine achtstündige Nachtfahrt hatte uns an die Ostküste der Insel Buru gebracht, wo wir in der Bucht von Kajeli nächst der gleichnamigen Stadt vor Anker gingen.
Zu unserer Überraschung hatten wir heute keinen Regen, sondern schönen Sonnenschein, in dessen Glanz die Bai von Kajeli ein höchst anmutiges Bild bot; in der Ferne erblickten wir einen mächtigen Berg, dessen Spitze fast unausgesetzt in Wolken gehüllt erschien, und welchen die Eingeborenen von Buru als „Heiligen Berg“ bezeichnen, weil dessen Gipfel noch nie der Fuß eines Europäers berührt hat. Das östliche Vorgebirge Kajelis bildend, ragen zwei kegelförmige Berge, „Mutter und Tochter“ genannt, empor, während das Gebirge gegen die Küste hin in sanften Linien abfällt.
Kajeli selbst liegt in einer sumpfigen, von kleinen Wasserläufen durchzogenen und mit dichten Mangrovebäumen besetzten Ebene, die sich bis nach der die Aussicht zu unserer Rechten begrenzenden Landzunge Lissaletta hinzieht.
Der Posthalter und der Kommandant des Forts Defentie erschienen an Bord, um mit dem Residenten das Programm für die beiden nächsten Tage zu vereinbaren, welchem zufolge vorerst Kajeli besichtigt und dann auf Vögel gejagt werden sollte. Dies fand meinen besonderen Beifall, da Buru, wie alle Molukken, durch die Fülle und Mannigfaltigkeit seiner Vogelwelt ausgezeichnet ist. Für den zweiten Tag war ein Treiben auf Hirsche, Wildschweine (Sus celebensis) und Hirscheber (Babirussa alfurus) in Aussicht genommen. Der seltsame Babirussa wird außerhalb seines Stammlandes Celebes nur noch auf Sula (Soela), Manguli (Mangoeli) und Buru gefunden und stellt mit seinen doppelten, über dem Wurf beinahe zusammenwachsenden Waffen ein ebenso merkwürdiges, als seltenes Wild dar. Begreiflicherweise sehnte ich mich darnach, ein solches Exemplar zu erlegen.
Nach Schluss der Besprechung fuhren wir ans Land und mussten hiebei, weil die Boote des schlammigen Ufers halber nicht anlegen konnten, in geschmückten Sesseln von Kulis durch das Wasser bis zu einer Triumphpforte getragen werden, vor welcher die Honoratioren von Kajeli uns einen feierlichen Empfang bereiteten.
Dem Posthalter, als dem höchsten Regierungsbeamten auf Buru, untersteht nicht nur der District Kajeli, sondern auch ein großer Teil der Insel überhaupt, welche in Rädschaschaften geteilt ist. Zu dem Amte von Posthaltern werden meistenteils Eingeborene berufen, wie dies in Dobo der Fall war, und auch der Kommandant des kleinen, halbverfallenen Forts sowie der Bürgermeister von Kajeli waren Vollblutmalayen.
Unter der Menschenmenge fielen mir besonders zwei Alfuren auf, welche mit Tauschartikeln aus Ceram hiehergekommen waren und kräftiger sowie wohlgebildeter als ihre malayischen Verwandten erschienen; charakteristisch war die Wildheit, mit der sie herausfordernd um sich blickten. Sie trugen, im Gegensatz zu den Amboinesen, nur einen Schurz aus Palmenbast, auf welchem der Alfure durch farbige Ringe die Anzahl der Köpfe, die er erbeutet hat, zu markieren pflegt; denn bekanntlich gehen die Alfuren auf Ceram, mit ungemein scharfen Krissen und Speeren aus Eisenholz bewaffnet, auch heute noch auf die Kopfjagd aus. Durch die Gefälligkeit Baron van Hoevells gelangte ich in den Besitz mehrerer charakteristischer alfurischer Schmucksachen und Waffen.
Da mir die Morgenzeit für die Jagd auf Vögel besonders günstig schien, verschob ich die Besichtigung der Stadt Kajeli auf späterhin und bat den Posthalter sowie den mit der Leitung der Expedition auf Buru betrauten Kontrollor von Amboina, mir die besten Jagdplätze anzugeben. Nach langem Hin- und Herberaten, welches unter Zuziehung des ersten Jagdkundigen von Kajeli — nebenbei gesagt, eines verdächtig aussehenden, mit schwarzem, abgetragenem Gehrock und schwarzem Hut bekleideten Individuums — erfolgte, wurde uns empfohlen, zu einer in der Bai befindlichen Landzunge zu fahren, da es dort Papageien von fünf verschiedenen Arten geben sollte.
Die Dauer der Fahrt bis zu jener Landzunge wurde auf zwei Stunden geschätzt; doch anstatt den Dampfer, sicherlich das schnellste und praktischste Transportmittel, zu wählen, fanden die Arrangeure der Exkursion es für angezeigt, sich einer Segel-Prau zu bedienen. Wegen vollkommener Windstille konnten die Segel nicht zur Verwendung kommen, so dass die Prau nur mit Hilfe der Ruder weiterbewegt wurde, ein Umstand, welcher umso verzögernder wirkte, als die rasch zunehmende Hitze die Ruderer bald ermatten ließ.
Trotz alledem erreichten wir endlich nach langwieriger Fahrt unser Ziel und dachten, dass nun die Jagd alsbald beginnen würde — allein auch hier gab es allerlei Deliberationen. Schließlich übernahm der Jagdkundige die Führung und ging ungefähr 400 Schritte weit längs der Küste fort, bis wir an einen Punkt kamen, wo an einer seichten Stelle des Meeres große Holzstämme lagen. Hier tummelten sich einige Möwen, Strandläufer und Regenpfeifer umher, allein in so bedeutender Entfernung, dass es unmöglich war, die Vögel zu beschießen, und nur Clam, der näher hinzugewatet war, als einzige Beute eine harmlose Seeschwalbe zurückbrachte.
Alsbald erklärten uns die Leute, dass die Jagd hiemit beendet sei und wir wieder nach Kajeli zurückfahren könnten, Papageien gebe es hier nicht, ebensowenig sei auf die Pelikane zu hoffen, welche der Jagdkundige hier sicher anzutreffen vermeint hatte, und in den Mangrovewald einzudringen, sei ebenfalls, des Sumpfes wegen, unmöglich. Recht ungehalten darüber, dass uns in solcher Weise der Vormittag verloren gegangen war, mussten wir uns zwei Stunden lang, bei mittäglicher Hitze, gegen Kajeli zurückrudern lassen, landeten jedoch schon früher, da wir beschlossen hatten, auf eigene Faust die diese Ortschaft umschließenden Wälder zu durchstreifen.
Hier sah es zuerst gar tot und still aus; bei der drückenden Schwüle wollte sich kein Vogel rühren, nur prachtvolle Schmetterlinge aller Größen und Farben flatterten umher. Der Wald war nicht zusammenhängend und geschlossen, sondern wechselte mit freien, mit grobem Grase, Kusu-kusu genannt, bewachsenen Flächen ab; in den waldigen Partien dieses Terrains standen Palmen, namentlich die faserige Sagopalme (Pigafetta filaris), Ficus- und Eucalyptus-Bäume, in deren Schatten ich einige Zeit wartete, bis sich wieder Vogelstimmen vernehmen ließen. Obgleich ich dann bis zum Abend umherstreifte, war meine Ausbeute nicht eben eine reichhaltige; ich erlegte nur zwei Papageien verschiedener Arten, deren einer grün, der andere rot (Tanygnathus megalorhynchus und Eos rubra), ferner ein Exemplar der prachtvollen weißen, eigentlich lichtgelben Fruchttaube (Myristicivora melanura), endlich einen merkwürdigen Segler (Macropteryx [Dendrochelidon] mystacea) mit langen, weißen Bartfäden und einige kleinere Vögel. Meine Herren hatten nur zwei Tauben, eine große, graue
Fruchttaube mit metallisch grünen Flügeln (Carpophaga perspieillata) und eine kleine, grün und gelb gefärbte Gewürztaube (Osmotreron aromatica) mit grauem Kopfe zur Strecke gebracht.
Von der Art und Weise, in welcher die Eingeborenen dieses Gebietes die Wege anzulegen pflegen, sah ich in dem Jagdterrain ein sonderbares Beispiel. Ich hatte, da die Sonne schon tief am Horizont stand, meinen Führer aufgefordert, mich auf dem kürzesten Wege nach Kajeli zurückzubringen, einem sehr betretenen Pfad, der allerdings die Linea recta einhielt, dafür aber vierundzwanzig Mal einen kleinen Fluss kreuzte, welchen wir in Ermangelung von Stegen jedes Mal watend übersetzen mussten. Doch fiel dies nicht allzu sehr in die Wagschale, da ich mich während meines Aufenthaltes in den Tropen daran gewöhnt hatte, tagtäglich, sei es vom Regen, sei es bei Durchwatung von Bächen, Flüssen und Sümpfen einige Male durchnässt zu werden.
Die kurze Zeit, die mir bis zum Einbruch der Dunkelheit erübrigte, benützte ich dazu, Kajeli zu besichtigen und das Haus des Posthalters zu besuchen. Die Ortschaft bot, mit Ausnahme des halbverfallenen Forts, dessen niedere Mauern, wie behauptet wird, auf den Grundpfeilern einer zur Zeit der portugiesischen Herrschaft erbauten Feste stehen, nichts Bemerkenswertes. Der Posthalter machte mir in seinem Hause die Schädel zweier vollkommen ausgewachsener Babirussas zum Geschenk und schaffte drei lebende, mit ihren großen Glotzaugen komisch dreinsehende Cuscus herbei, welche ich sofort an Bord sandte. Die Cuscus (Phalanger), der austro-malayischen Region eigentümliche Beuteltiere, kommen in fünf Arten vor.
Der Abend wurde an Bord verbracht, wo abermals ein Krankheitsfall zu verzeichnen war, da jetzt Hodek vom Fieber befallen wurde.
Links
- Ort: Ambon
- ANNO – am 29.06.1893 in Österreichs Presse.
- Das k.u.k. Hof-Burgtheater spielt „Dorf und Stadt“, während das k.u.k. Hof-Operntheater vom 1. Juni bis 19. Juli geschlossen bleibt.