Leider nahte der Abschied; der letzte Tag, den ich auf der „Elisabeth“ verbringen konnte, war angebrochen; denn schon morgen soll die „Empress of China“, auf der ich mich einzuschiffen gedenke, und welche im Laufe des heutigen Vormittages in Jokohama eingelaufen ist, nach Amerika abgehen. Die Kisten und Koffer wurden bereits gepackt, doch eilte ich nochmals an das Land, um einige Zwergbäume zu kaufen, und konnte bei dem zu diesem Zweck unternommenen Besuch einer großen Handelsgärtnerei über die Mannigfaltigkeit der zwerghaften Bäume sowie über die Variationen der Verkrüppelung, die den einzelnen Exemplaren beigebracht war, nicht genug staunen. Eine kaum fußhohe Fichte, welche ich kaufte, soll angeblich das Alter von mehr als 50 Jahren erreicht haben.
Bei einem Frühstück vereinigte ich die Rangältesten jeder Charge und blieb den Rest des Nachmittages an Bord, mit der Ordnung verschiedener Angelegenheiten für die weitere Reise beschäftigt.
Offenbar mit Rücksicht auf die bevorstehende Abreise genoss ich heute, das erste Mal seit meiner Anwesenheit in der Nachbarschaft des Fudschi-jamas, den Vorzug, den heiligen Berg mit seinem abgestumpften Kegel bei völlig reiner Atmosphäre zu sehen.
Als es dunkel zu werden begann, nahm ein großartiges Abschiedsfest seinen Anfang, welches die Herren des Stabes und die Mannschaft mir zu Ehren arrangiert hatten. In einem sinnreich durchdachten Zug sollten Vertreter aller der Länder und Völker, die wir auf unserer Reise besucht und gesehen hatten, an mir vorüberwandeln, also lebende Bilder eine Wiederholung der bisher so überaus glücklich zurückgelegten Reise geben. Schon vor langer Zeit war an Bord mit den Vorbereitungen für das Fest begonnen worden; alle Künstler und Handwerker hatten mit Herstellung der Kostüme, Dekorationen u. dgl. vollauf zu tun. Gleichwohl war das Geheimnis so ziemlich bewahrt worden, und nur manchmal sah man einen rabenschwarzen Wilden oder einen Japaner nach der Probe durch die Batterie huschen.
Sobald mich der Kommandant abgeholt hatte, versammelte sich der gesamte Stab vor meiner Kajüte, während die nicht am Zug beteiligte Mannschaft sich in Gruppen auf dem Deck verteilte; dieses war glänzend erleuchtet, und namentlich warf eine elektrische Sonne taghelles Licht gegen das Kastell, von welchem aus sich der Zug entwickelte. Unser wackerer Kapellmeister hatte ein Potpourri komponiert, welches Reminiscenzen an die einzelnen Phasen der Reise wachrufen sollte; soweit als möglich, waren Nationalweisen der betreffenden Länder eingeflochten, so dass der festliche Aufmarsch durch die musikalische Produktion in passender Weise begleitet und kommentiert wurde.
Den Zug eröffneten Ägypter aus Port Said, Fellahs und Nubier, dann kamen schwarze Somali und adrette englische Soldaten in den traditionellen roten Röcken aus Aden; Ceylon entsandte Singhalesen und mehrere Buddha-Priester aus Kandy; Indien war durch eine Gruppe vertreten, in welcher auch schöne Inderinnen zu sehen waren. Die beiden besten Figuren in dieser Abteilung bildeten der falsche Mahmud, nämlich der Maat Ivicich, welcher die Gewandung und den Turban unseres Dieners Mahmud entlehnt hatte und so dem Inder frappant ähnlich sah, ferner ein reicher Parse, dargestellt vom Büchsenmacher, der mit einem von unserem Schiffskaplan erborgten langen Rock und einem entsprechenden Embonpoint versehen war, um möglichst original zu erscheinen. Sehr charakteristisch und naturgetreu, mit Schmuck und Waffen echter Provenienz ausgerüstet, marschierten alle Insulaner auf, die Kanaken von Numea, die Papuas der SalomonInseln und endlich die Dajaks aus Borneo. Aus Australien waren Aborigines, sowie Farmer, Squatter und Buschklepper erschienen. Sehr witzig wurde das Einlangen der langersehnten Post in Hongkong durch einen schmetternden Postillon dargestellt. Die Söhne des himmlischen Reiches, bezopfte Chinesen, trippelten paarweise vorbei, gefolgt von einer ganzen Schar Japaner und Musumes, in Kimonos gehüllt, und mit allerlei japanischen Musikinstrumenten ausgerüstet, die aber zum Glück nicht gespielt wurden. Der kleine Tiroler, welcher schon bei der Äquatorialtaufe in einer weiblichen Rolle, als Amphitrite, mitgewirkt hatte, machte auch als Musume einen niedlichen Eindruck.
Den Zug beschließend, marschierte der Bootsmann Zamberlin, mit der Flagge in der Rechten und gefolgt von 20 der größten und stärksten Matrosen in Parade, auf. Er machte vor mir halt, hielt die Flagge hoch und richtete an mich eine Ansprache echt patriotischen Inhaltes, in der er darauf hinwies, dass die gemeinsame Reise auf der „Elisabeth“ ein glückliches Ende genommen habe und dass unsere Marine bei jeder Gelegenheit ihr Bestes tun werde, um die in sie gesetzten Erwartungen zu erfüllen. Wenn Seine Majestät unser Allergnädigster Kriegsherr seine Völker je wieder zum Kampf rufen sollte, so wolle die Kriegsmarine abermals einstehen mit ihrem Blut für Kaiser und Vaterland, ihr heiligstes Panier, die Flagge, stets schützend und in Ehren bewahrend. Mit einem Hurrah auf mich beendete der brave Mann seine Rede. die mich bis zu Tränen ergriff, da er in seiner schlichten Art und Weise, aber mit aus dem Herzen kommender Begeisterung gesprochen hatte. Jeder von uns fühlte, dass Zamberlin so gesprochen hatte, wie er empfand; seine Worte waren die eines patriotisch denkenden Soldaten und Österreichers.
Mögen in unserer Marine sowie im Heere stets Unteroffiziere herangebildet und erhalten werden von jener Biederkeit und Tüchtigkeit, welche Zamberlin auszeichnen, Männer, die das Herz auf dem rechten Flecke haben! Solche Leute sind die Stütze ihrer Kommandanten, das leuchtende Vorbild der jungen Mannschaft. Gewiss ist gründliche Schulung und eine Summe von Wissen erforderlich, damit der Soldat in allen Fällen seine Schuldigkeit zu thun vermöge, aber dies allein genügt nicht; um dem Feind erfolgreich die Spitze bieten zu können, muss der Mannschaft die Erfüllung ihrer Pflicht vor allem zur Herzenssache geworden sein.
Ich schritt dann die Front aller Teilnehmer des Festzuges ab, wobei ich oft Mühe hatte, einzelne der Mannschaft, die mit mir bei Gelegenheit verschiedener Expeditionen zu Wasser und zu Land in nähere Berührung gekommen waren, in ihrer Vermummung wieder zu erkennen; namentlich bot die Feststellung der Identität bei den schwarzgefärbten Wilden nicht geringe Schwierigkeit. Das Arrangement des Festzuges war nicht bloß im Ensemble, sondern auch in den Details ein überaus gelungenes, wovon ich mich bei näherer Besichtigung der einzelnen Figuren und Gruppen überzeugte. Ich kann nur wünschen, dass diejenigen, welche das Fest inszeniert haben, in dem Bewusstsein der mir bereiteten Freude und der freundlichen Erinnerung, welche ich der Vorführung der gelungenen Reisebilder bewahren werde, Entschädigung für die aufgewendete, wahrlich nicht geringe Mühe finden.
Ein Diner, zu welchem mich der Schiffsstab geladen hatte, fand auf dem von künstlerischer Hand in einen Gartensalon umgewandelten Eisendeck statt. Zum letzten Mal waren wir heute auf jenem Platz vereinigt, wo ich mich mit den Herren des Stabes so oft zusammengefunden, — unter allen Himmelsstrichen, die wir durchfahren haben, an guten und an bösen Tagen, wie wir sie eben erlebt — um Gedanken, Eindrücke, Empfindungen in gemütlichem Plaudern auszutauschen, um der lieben, fernen Heimat zu gedenken.
Wie überall, wo Soldaten zum Mahl vereinigt sind, wurde auch heute das erste Glas auf das Wohl unseres Allerhöchsten Kriegsherrn unter den feierlichen Klängen der Volkshymne geleert. Dann hielt der Kommandant eine warm empfundene Ansprache an mich, welche ich, wie es mir gerade ums Herz war, tief ergriffen von dem Gedanken, dass ich schon morgen die „Elisabeth“ verlassen, mich von den Herren des Schiffsstabes trennen soll, erwiderte, indem ich mit meinem innigsten Dank die Hoffnung ausdrückte, dass unserer schönen Kriegsmarine jede Unternehmung glücken werde wie die bisherige Reise, und den Wunsch verband, dass den Herren eine glückliche Heimkehr im Gefühl treu erfüllter Pflicht beschieden sein möge.
Während des Diners wurde ich von den Offizieren durch eine sinnige Gabe überrascht, durch Überreichung eines Bildes, welches der kunstgeübten Hand Rambergs entstammte und im Rahmen einer Reihe von Ansichten der besuchten Länder eine Weltkarte mit der ersichtlich gemachten Reiseroute darstellte. Das in Aquarell ausgeführte Bild ist durch treffende Auffassung sowie durch technische Vollendung ausgezeichnet und stellt dem ungewöhnlichen Talent des Künstlers ein glänzendes Zeugnis aus.
Links
- Ort: Yokohama, Japan
- ANNO – am 24.08.1893 in Östereichs Presse.
- Das k.u.k. Hof-Burgtheater macht Sommerpause bis zum 15. September, während das k.u.k. Hof-Operntheater das Ballet „Excelsior“ aufführt.