Jagdlager am Vei Maori — Varivari-Insel, 20. Juni 1893

Bei Morgengrauen schon zogen wir aus, und zwar zunächst alle zusammen bis zu einem beiläufig 3 km entfernten Eingeborenen-Dorf, wo die Führer für die einzelnen Herren abgeholt werden sollten. Die Temperatur war, da in der Nacht starker Tau gefallen war, leidlich, und in allen Zweigen hörte man das Gekreische der Kakadus und Papageien. Gegen 7 Uhr waren wir im Dorf angelangt, wo sich die Papuas über unsere frühe Ankunft allerdings etwas erstaunt, aber bald bereit zeigten, Führerdienste zu leisten; merkwürdigerweise ist der Papua kein Freund der Morgenstunden und, selbst wenn man ihn weckt und drängt, vor 8 Uhr schwer zu einer Arbeit zu bewegen.

Da sich die besseren Jagdplätze, der Erklärung der Führer gemäß, am jenseitigen Ufer befinden, musste der hier tief dahinstürmende Fluss überquert werden. Ein Boot war nicht zur Stelle, so dass wir uns gezwungen sahen, nach Art der Eingeborenen auf einem Baumstamm, der unter Wasser quer über dem Fluss lag, hinüberzuschreiten, was sich nicht gerade leicht bewerkstelligen ließ, weil der Stamm durch das stetig über ihn rinnende Wasser abgeschliffen und daher sehr glatt war; doch ging zum Glück der Übergang ohne Unfall vonstatten. Übrigens hatten wir im Laufe des Tages noch einige Male unsere equilibristischen Fähigkeiten zu betätigen, da hier alle Wasserarme, worunter manche von beträchtlicher Tiefe, nur mit solchen glatten Baumstämmen überbrückt sind.

Am jenseitigen Ufer teilten wir uns wieder in Partien und schlugen verschiedene Richtungen mit der Bestimmung ein, um 11 Uhr vormittags beim Lager zusammenzutreffen. Bedford ging mit mir; doch gab uns der Gouverneur, der offenbar Bedfords Ortskenntnis nicht völlig vertraute, zwei der Gegend kundige Eingeborene mit.

Bedford und die Papuas wollten mich auf einen Paradiesvogel einer neuen Art, den zwölffederigen Paradiesvogel, zu Schuss bringen. Wir gelangten fünf Mal in die Nähe eines solchen Vogels, hörten auch schon seinen Ruf; aber jedes Mal fiel, eben als wir uns anschleichen wollten, in der Nähe ein von einem der Herren abgefeuerter Schuss, welcher den überaus scheuen und vorsichtigen Vogel zur Flucht bewog. Die einheimischen Führer begingen eben den großen Fehler, uns alle zu nahe aneinander umherzuführen, so dass ein Schütze den anderen störte. Dafür kam ich wieder unter einen Baum, der mit Raggiana-Paradiesvögeln besetzt war, von welchen ich zwei junge Männchen und ein Weibchen herabschoss.

Zahlreiche Nashornvögel strichen umher, und jeden Augenblick hörte ich ihren schweren Flügelschlag; doch war es unmöglich, einen derselben zum Schuss zu bekommen. Meine weitere Strecke bildeten noch ein Papagei und ein prachtvoller Fischer, der himmelblaue Seidenliest (Tanysiptera galatea) mit seinen zwei langen, weißen Stoßfedern, die am Ende leierförmig geschweift sind.

Die Führer hatten, wie gewöhnlich, die Zeit nicht richtig veranschlagt und erklärten mir, als es schon 11 Uhr vorbei war, dass wir noch eine gute Strecke bis zum Lager zu gehen hätten. Der Gouverneur, durch das gestrige Abenteuer gewitzigt, ließ auch bereits Signalschüsse erdröhnen, doch kam ich endlich ohne weitere Fährlichkeit mit einer kleinen Verspätung im Lager an, wo sich nach und nach auch die anderen Teilnehmer einfanden, jeder mit interessantem Wild. Wurmbrand hatte zwei der so seltenen schwarzen Ara-Kakadus (Microglossus aterrimus) und eine Taube uns neuer Art, Clam einen Königsvogel und einen prachtvoll schillernden sogenannten Rifle Bird (Ptilorhis magnifica), Prönay zwei Raggiana-Paradiesvögel und Bourguignon ebenfalls einen Königsvogel nebst einem Weibchen erlegt.

Nachdem ich dem Gouverneur und den übrigen Herren aus Moresby, welche bis zum Nachmittag im Lager bleiben wollten, Lebewohl gesagt hatte, wanderten wir bis zur Barre, um hier wieder die Barkasse und die Boote zu besteigen. Wir steuerten den Fluss hinab, mit der Absicht, sobald als möglich die Redscar-Bai zu erreichen, da ich noch auf der Varivari-Insel jagen wollte, wohin abends vom Festland aus Tausende weißer Tauben mit schwarzen Flügelspitzen, eine Spezialität Neu-Guineas, zu streichen.

Aber leider hatten wir nicht mit Ebbe und Flut gerechnet, die sich flussaufwärts weit fühlbar machen und einen Niveauunterschied von 1,5 m bewirken; denn als wir an den verhängnisvollen Baumstamm kamen, mussten wir vor Anker gehen und geduldig das Steigen des Wassers abwarten. Inzwischen bereiteten wir uns in unseren Booten ein frugales Mittagsmahl.

Gegen 3 Uhr war endlich das Wasser so hoch gestiegen, dass unsere Barkasse mit einem ordentlichen Anlauf über den Stamm gelangte und nun freies Fahrwasser vor sich hatte. Wir fuhren mit aller Kraft, leider brach aber, da wir den Fluss verließen, ein Maschinenventil der Barkasse, was deren Geschwindigkeit wesentlich beeinträchtigte; hiezu gesellten sich ziemlich hoher Seegang sowie der Umstand, dass wir bis zur Varivari-Insel noch sechs Meilen in offener See zu hinterlegen hatten.

Als wir in der Nähe der unweit der Varivari-Insel verankerten „Elisabeth“ anlangten, war es fast 7 Uhr und bereits dunkel geworden, weshalb wir definitiv auf die Tauben verzichteten.

An Bord der „Elisabeth“, welche tagszuvor 40 Seemeilen nordwestlich von der Vanapa-Mündung im Hall Sound, östlich von Yule Island, vor Anker gegangen war und daselbst die Nacht verbracht hatte, fand ich eine außerordentlich reichhaltige und interessante ethnographische Sammlung vor, welche mir die freundlichen Patres der Mission auf Yule Harbour geschickt hatten. Der Kommandant sowie die Offiziere zeigten sich von der zuvorkommenden Aufnahme, die sie dort gefunden, ganz entzückt und berichteten, welche Freude die Patres über die europäischen Gäste empfunden hätten, mit denen sie einige Stunden verkehren konnten.

Nachdem die Barkasse und die Boote gehisst sowie alle unsere Trophäen von der Flussexpedition eingeschifft waren, lichteten wir um 8 Uhr abends die Anker und fuhren, Neu-Guinea verlassend, mit Kurs auf Thursday Island durch den Papua-Golf der Torres-Straße zu.

Der Eindruck, welchen Neu-Guinea auf uns gemacht hatte, war ein überaus günstiger, und wir danken der Insel manches anregende Erlebnis. Wenngleich nur in flüchtigster Weise, hatte ich dennoch einen Einblick in das Leben und Treiben der Eingeborenen getan und diese von einer günstigen Seite kennen gelernt. Auch hatten mir in meiner Eigenschaft als Naturfreund, Sammler und Jäger der Küstenstrich und das, was ich von dem Innern gesehen, allerlei geboten: den Anblick seltsamen Terrains und exotischer Vegetation, sowie dichten Urwaldes und zweier Uferlandschaften, ferner ethnographische und zoologische Ausbeute, und nicht zum wenigsten spannende Jagd auf die Vertreter der Vogelwelt Guineas, dies alles ohne mehr Fährlichkeiten als Dornen-, Ameisen-, Moskito- und jene kleinen Nadelstiche, die uns Erdgeborenen nie und nirgends völlig erspart bleiben.

Links

  • Ort: nächst Vari Vari, Neu Guinea
  • ANNO – am 20.06.1893 in Österreichs Presse.
  • Das k.u.k. Hof-Burgtheater spielt „Der Richter von Balamea“, während das k.u.k. Hof-Operntheater vom 1. Juni bis 19. Juli geschlossen bleibt.

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