In See nach Sydney, 11. Mai 1893

Lizard Island hat ebenfalls von einem Überfall Weißer durch Eingeborene zu erzählen. Vor acht Jahren hatte sich ein englischer Fischer mit Frau und Kind und einer kleinen Anzahl Diener auf der ganz unbewohnten Insel niedergelassen. Als einst der Mann dem Fischfang oblag, überfielen Eingeborene, die wahrscheinlich vom Festland herübergerudert waren, die Ansiedlung, in welcher sich die Frau mit den Dienern einige Zeit wacker verteidigte. Endlich flüchtete sich die Bedauernswerte mit ihrem Kind und einem Diener in eines der großen blechernen Wassergefäße, die zum Auffangen des Regenwassers dienten, stieß vom Land ab und schwamm so in die See. Nach längerem umhertreiben wurden die unglücklichen auf die kleine Insel Coquet geworfen, wo sie elend den Hungertod starben. Seit dieser traurigen Episode ist die Insel Lizard wieder unbewohnt.

Nach 5 Uhr wurden die Anker gelichtet und die Inseln Direction und Wooded, sowie die Two- und Three-Islands, ferner die Caps Flattery und Bedford passiert. Die Küste, welche wir ganz deutlich zu Gesicht bekamen, da wir uns sehr nahe an dieselbe hielten, nahm hier einen etwas anderen Charakter an, als jene zeigte, die wir in den letzten Tagen beobachtet hatten. Höhere Berge tauchten auf, die teils dicht bewaldet waren, teils an ihren Abhängen nur mit Gras bewachsene oder kahle Flächen aufwiesen. Manchmal zeigten sich auch, wie schon an den Vortagen, Schneefeldern gleichende, weiße Sandflächen. Viele der Berge dürften wohl vulkanischen Ursprunges sein; sie ragen steil aus der See empor, wie der 1090 m hohe, beim Cap Tribulation gelegene Peter Botte, der von weitem einem spitz zulaufenden Termitenhügel ähnelt.

Während bisher die Küste keinerlei Spuren menschlicher Ansiedlung gezeigt hatte, erblickten wir heute eine kleine Niederlassung, nämlich Cook Town mit seinem weithin sichtbaren Leuchtturm.

Wenige Meilen südlich Cook Towns erschienen auf zwei einander gegenüberliegenden Felsen, Archer Point und Rocky Island. Leuchtfeuer mit Signalstationen, welche, Schildwachen gleich, die hier schwierige Passage bei Nacht betreuen. Abermals eine kurze Strecke südwärts liegt ein historisches Riff, das Endeavour-Riff. Hier erlitt Cook auf seiner ersten Weltreise (1768 bis 1771), welche — ursprünglich von der Royal Geographica! Society angeregt, um in der Südsee den Durchgang der Venus zu beobachten — die Okkupation Ost-Australiens durch die britische Krone vorbereitet hat, im Jahre 1770 schwere Havarie. Er musste in der Bai, in welcher heute Cook Town liegt, längere Zeit verweilen, um das Leck seines wackeren Dreimasters „Endeavour“, eines Fahrzeuges von 350 Tonnen Gehalt und 85 Mann Besatzung, auszubessern.
Immer steiler und höher ragten die Berge an der Küste empor: namentlich die Kette der Heights of Dagmar bot uns schöne landschaftliche Bilder. Niederlassungen wurden häufiger. Bei Anbruch der Dunkelheit schimmerten uns die kleinen Häuser von Douglas und Cairns Harbour entgegen.

Wiederholt sahen wir hohe Rauchsäulen zum Himmel aufsteigen, die von Waldbränden herrühren, welche die Eingeborenen legen, um des vor dem Feuer flüchtenden Wildes, besonders der Känguruhs, habhaft werden zu können.

Eine Stunde nach Sonnenuntergang wurde bei Cap Grafton der Kurs gewechselt und bei den Inseln Fitzroy und Frankland vorbei genommen, bis gegen Mitternacht die Lichter von Johnstone River in Sicht kamen.

Links

  • Ort: nächst Frankland Island
  • ANNO – am  11.05.1893 in Österreichs Presse.
  • Das k.u.k. Hof-Burgtheater spielt “Die kluge Käthe”, während da k.u.k. Hof-Operntheater die Oper “Tannhäuser” aufführt.

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