In See nach Neu-Caledonien, 28. Mai 1893

Der Himmel hatte sich — „zum Abschiednehmen just das rechte Wetter“ — in tief herabhängende Wolken gehüllt, welchen feiner Regen entsprühte. Nicht weniger trüb war unsere Stimmung. Wir unterlagen alle einer Gemütsdepression — in der Heimat nennt man dies einen „moralischen Katzenjammer“ — angesichts der Notwendigkeit, Sydney, das uns so gastlich aufgenommen, und seine Bewohner, die uns so liebenswürdig und herzlich empfangen hatten, verlassen zu müssen. Nach der drückenden Schwüle der Tropengegend hatten wir hier klimatische Verhältnisse gefunden, die jenen der Heimat ähneln; von herrlichem Wetter waren die in jeder Beziehung ebenso gelungenen als anregenden Jagdexpeditionen in das Innere des Landes begünstigt gewesen; die in ihrer Großartigkeit Bewunderung, in ihrer lieblichen Umrahmung Entzücken erweckende Stadt Sydney hatte auf uns einen unvergesslichen Eindruck gemacht; alle Australier, die Bewohner und Bewohnerinnen Sydneys in erster Linie, mit denen wir in Berührung gekommen waren, hatten es verstanden, durch ihr gentiles, herzliches Wesen unsere Zuneigung zu erringen, so dass wir sie zu unseren besonderen Lieblingen erklärten — was Wunder, dass wir uns schwer von dem Benjamin der Kontinente trennten!

Ewig schade, dass Australien sich bisher in dem alten Europa fast nur durch den immer steigenden Einfluss der auf vielen wirtschaftlichen Gebieten schon bedenklichen Konkurrenz fühlbar gemacht hat, während seine intimen Vorzüge so wenig gekannt und gewürdigt sind, was infolge der brutalen Entfernung kaum anders sein kann. So möchte ich Australien einem Menschen vergleichen, der, schwer zugänglich, nur die rauhen Seiten seines Wesens fühlen lässt, jenen aber, die es verstehen, ihm näher zu kommen, den Zauber seiner trefflichen, liebenswürdigen Eigenschaften enthüllt.

Obgleich wir zu früher Stunde — um 7 Uhr morgens — die Anker gelichtet hatten, waren die Fenster aller Häuser und Villen dicht besetzt von unseren Freunden, die uns, Tücher schwenkend, Abschiedsgrüße zuwinkten. Beim Passieren des Flaggschiffes „Orlando“ spielte die Harmonie desselben unsere Volkshymne, während die Musikkapelle der „Elisabeth“ das „God save the Queen“ intonierte; von der spanischen Segelkorvette „Nautilus“ wurde „Glückliche Reise“ signalisiert.

Wir hatten Port Jackson kaum verlassen und Sydney aus dem Auge verloren, als uns schon ein scharfer Nord entgegenwehte, welcher die See hoch gehen ließ, so dass die „Elisabeth“ alsbald heftig zu stampfen begann. Anfänglich fuhren wir längs der Küste hin, nahmen dann den Kurs gegen Nordost und bald war auch das letzte Stückchen des australischen Kontinentes im Ozean versunken.

Links

  • Ort: östlich vor Australien
  • ANNO – am 28.05.1893 in Österreichs Presse.
  • Das k.u.k. Hof-Burgtheater spielt „Das Heiratsnest“, während das k.u.k. Hof-Operntheater Verdis Oper “Aida“ darbietet.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Solve : *
29 + 19 =


Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.