Garut — Tjiandjur, 15. April 1893

Eine mit Alang dicht bewachsene Hügelkette in der Nähe von Garut, eine Stunde Weges von hier, birgt zahlreiches Schwarzwild. Der Regent, ein eifriger Freund der Jagd, hatte, meinen Intentionen zuvorkommend, Anstalten für eine Saujagd in jener Hügelkette getroffen. Dem festgesetzten Programm gemäß sollte hier ein Trieb gemacht werden.

So fuhren wir denn mit dem Frühesten, so rasch unser Pony-Viergespann nur laufen konnte, zu der Stelle, an welcher die Reitpferde bereit standen, die uns zu dem Jagdplatz bringen sollten. Auch hier fanden wir stark coupiertes Terrain, so dass abermals Kulis die Wagen an steilen Stellen schieben oder hemmen mussten, um unseren so wacker galoppierenden Pferdchen das Ziehen der Gefährte zu erleichtern. In einem ziemlich tief eingeschnittenen Tal angelangt, bemerkte ich mit Erstaunen viele Hunderte von Menschen, die sämtlich mit Kind und Kegel herbeigekommen waren und in malerischer Gruppierung alle umliegenden Höhen besetzt hatten, um dem Schauspiel einer fürstlichen Jagd beizuwohnen.

Alles war im Festgewand, den landesüblichen Hut auf dem Haupt, erschienen; schlaue Händler hatten hier rasch einen ganzen Bazar aufgeschlagen, in welchem sie dem Volk Esswaren und Erfrischungen feilboten. Auf der einen Lehne des Tales war aus Bambus ein Haus errichtet, welches mit Fahnen in unseren und den niederländischen Farben, sowie mit Blumen und Girlanden reich geschmückt war. Auf der im ersten Stockwerk gelegenen Estrade sollte ich in einem mit grünem Samt ausgeschlagenen Fauteuil Platz nehmen und von hier aus meine Geschosse auf die Schweine schleudern, als sei ich ein altrömischer Imperator, den die Lust angewandelt, auch einmal und zwar in allerbequemster Weise zu jagen. Den Eindruck, dass es sich hier um ein cäsarisches Jagdfest handle, verstärkte die Ausschmückung der Zufahrtsstraße zu dem Hause; denn diese war als Via triumphalis mit Ehrenpforten, Flaggenstangen und Blumengruppen auf das prächtigste ausgeschmückt. In einem der Nebenräume des Hauses walteten Mundschenken ihres Amtes, nur floss hier nicht Falerner, sondern schäumender Wein aus der Champagne in Strömen. Eine unseren Blicken entzogene Musikkapelle brachte während der Jagd rastlos und fortissimo die Volkshymne zum Vortrag.

Das Tal und die uns gegenüberliegende Lehne waren zum Teil abgeholzt und mit einem dichten Bambusgitter umgeben, welches bis an das Haus heranreichte, so dass sich das Treiben auf Schweine offenbar auf ein eingestelltes Jagen beschränken sollte und das Ganze somit kein weidmännisches Unternehmen, sondern vielmehr eine Art Volksfest war, das mich durch seine komischen Vorbereitungen und die Ansprüche, die es auf den Titel Jagd machte, höchlichst amüsierte Treiber in großer Zahl, geführt von eingeborenen Würdenträgern, warteten auf der jenseitigen Tallehne das Zeichen zum Beginn des Triebes ab und drangen, sobald dieses gegeben worden war, mit infernalischem Geschrei und Geheul in die Grasdickung ein, wobei sie eine Meute von ungefähr vierzig Kötern aller Arten losließen. Sofort hub der  Spektakel an, da die Hunde die Schweine bald gefunden hatten und Hals gebend in dem Unterwuchs umherjagten. Dieser war trotz der erfolgten Lichtung an den noch mit hohem Gras, Bambusbüschen und Farnen bedeckten Stellen so dicht, dass uns selbst starke Schweine nur auf Augenblicke zu Gesicht kamen. Jeden Moment stellte sich ein Stück, worauf es dann viele geschlagene Hunde gab, die klagend zu ihren Herren zurückkehrten.

Das erste Opfer meiner Büchse war ein kecker Frischling, den ich auf der jenseitigen Lehne eräugte und wie eine Gemse herabschoss. Überhaupt waren die Schüsse an und für sich interessant und keineswegs leicht, da das Wild sehr flüchtig kam und an der steilen Lehne oder in der tiefen Talsohle immer nur auf Momente sichtbar wurde. Frischlinge, die nicht größer waren als Hasen, boten in der Entfernung von 100 Schritten Gelegenheit zu schönen Schüssen.

Äußerst unterhaltend war die unbeschreibliche Angst der Treiber und ihrer Führer vor den sehr harmlosen Schweinen. Kam ein Schwein in die Nähe der Helden oder versuchte es, von Hunden gehetzt, die Linie zu durchbrechen, so waren die Treiber wie die Würdenträger alsbald auf den Bäumen. Es war ein Anblick von überwältigend komischer Wirkung, wenn so ein Würdenträger, mit den blinkenden und gleißenden Insignien der amtlichen Stellung angetan, vor einem schreienden Frischlinge flüchtend, in seiner schon an und für sich die Lachlust erregenden Uniform mit affenartiger Geschwindigkeit eine schlanke Palme hinankletterte, so dass diese sich unter der ungewohnten Last niederbog. Drohte keine Gefahr, so gingen die Treiber in echt orientalischer Weise ohne Ordnung planlos im Trieb umher; die Würdenträger folgten ihnen. mit gezückten Schwertern; die Hunde vergnügten sich in irgend einer Ecke damit, Frischlinge zu fangen und natürlich anzuschneiden, so dass von vielen derselben nur mehr einzelne Überreste zur Strecke gebracht wurden.

Ich schoss im ganzen 21 Stück, darunter aber nur einen guten Keiler. Die Schweine zeigen hier einen ganz anderen Typus als unsere; sie sind kleiner, haben eine beinahe nackte Schwarte, nur am Wurf über dem Gebrech eine Art Backenbart von dichten Nadeln, ferner sehr ausgesprochene Backenknochen und viel längeren, spitz zulaufenden Wurf: die Waffen sind der ganzen Statur des Schweines entsprechend auch geringer. Die Eingeborenen unterscheiden zwei Arten: das Feld- und das Waldschwein (Sus verrucosus und Sus vittatus); doch konnte ich keine wesentlich verschiedenen Merkmale herausfinden.

Ein Frischling wurde lebend in einem großen Reisighaufen gefangen; wir banden dem Tier die Läufe zusammen und sandten es, in einem Rucksack verwahrt, direkt nach dem Hafen von Tandjong Priok aufs Schiff, wo es sich wahrscheinlich durch seine besondere Wildheit auszeichnen und daher den Zähmungskünsten meines Tierwärters Biaggio eine harte Aufgabe stellen dürfte.

Die Jagd war beendet, das Volk brach in ein unartikuliertes Freudengeheul aus und in einer Art Triumphzug verließ ich den Schauplatz der lustigen Saujagd. Bei der Rückfahrt nach Garut genoss ich — der zu Beginn der Jagd trübe Himmel hatte sich völlig aufgeheitert — einen prächtigen Blick auf den rauchenden Krater des Papandajan.

Nachmittags hatten wir uns von dem freundlichen Garut verabschiedet und waren noch am selben Abend in Tjiandjur, wo mich der Regent, ein sehr liebenswürdiger Mann, welcher den Titel und Namen Raden Adipatti Prawira dij redja trug, in seinem Hause gastlich aufnahm. Das Palais erstrahlte in festlicher Beleuchtung. Als Illuminationskörper dienten hier Stöcke des unvermeidlichen Bambus, die, in Bündeln gruppiert, die Triumphpforten und Fassaden effektvoll schmückten. Die ausgehöhlten Bambusstöcke waren mit Öl gefüllt, in dem ein brennender Docht schwamm; solch ein Stock vermag stundenlang zu leuchten.

Der Regent scheint gleichfalls ein passionierter Jäger zu sein, denn mit Stolz zeigte er mir seine Gewehre, sowie Häupter von erlegten Hirschen (Cervus hippelaphus), von Bantengs, dem wilden Rinde der indischen Inseln, und von Rhinozerossen. Als lebendes Beutestück von einer Banteng-Jagd erfreut sich hier seines Daseins ein sehr zahmer, als kleines Kalb gefangener Banteng-Stier, welcher der besondere Liebling des Regenten ist und täglich von ihm eigenhändig gefüttert wird.

Eine zweite Leidenschaft dieses Würdenträgers ist die Malerei; doch sind seine Erfolge auf diesem Gebiet nicht sehr hervorragend und die Erzeugnisse seiner Kunst derart, dass selbst eine Jury des Salon des refuses in Tjiandjur ihr Haupt dazu schütteln müsste. Dessenungeachtet hat der hochgeborene Meister von Tjiandjur die Ausstellung zu Chicago beschickt.

Die Weltausstellung am Michigansee scheint den guten Javanen überhaupt sehr in den Kopf gestiegen zu sein; denn allüberall hört man, dass dies oder jenes in das ferne Amerika gesandt worden sei; ja Herr Kerkhoven hat dahin gar ein ganzes javanisches Dorf entsendet, in welchem graziöse, javanische Mädchen Tee aus den Plantagen ihres Herrn verkaufen sollen.

Zum schwarzen Kaffee nach dem Diner erschien ein ganzes Rudel von Tänzerinnen, eine garstiger als die andere, die sämtlich eifrig Betel kauten und uns durch ihre langweiligen, rhythmischen Tänze in so schläfrige Stimmung versetzten, dass wir schleunig unser Lager aufsuchten.

Links

  • Ort: Tjiandjur, Indonesien
  • ANNO – am 15.04.1893 in Österreichs Presse.
  • Das k.u.k. Hof-Burgtheater spielt „Der Hüttenbesitzer“, während das k.u.k. Hof-Operntheater die Oper „Merlin“ aufführt.

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