Fountain Geyser Hotel, 23. Sept. 1893

Die Yellowstone Park Company verwaltet als privilegierte Hotel-Aktiengesellschaft auch das Transportwesen und hat für ihre Pferde, welche die anstrengende 68 km lange Fahrt vom Mammoth Hot Springs Hotel bis zu dem im Lower Geyser Bassin gelegenen Fountain Geyser Hotel ohne Relais zurücklegen müssen, hier eine Art Rasttag eingeschaltet, welcher in der Regel zu einer dreistündigen, ungemein interessanten Fahrt nach den schönsten und größten vulkanischen Gebild des Parkes, im Lower und im Upper Geyser Bassin benützt wird.

Clam konnte heute leider nicht an unserer Fahrt teilnehmen, da sich bei ihm abermals eine Mahnung an das Tropenfieber eingestellt hatte. Dichter Nebel überdeckte morgens das ganze Land, doch hob er sich bald und räumte einem sehr schönen, verhältnismäßig warmen Tag das Feld. Vor der Abfahrt hatten wir noch einen hartnäckigen Kampf mit unserem Kutscher, der um keinen Preis das große, aussichtbehindernde Dach der Coach abnehmen wollte und sich erst, als von uns telegraphisch ersuchte Direktion ihre Erlaubnis erteilte, brummend entschloss, unserem Wunsche zu willfahren, jedoch nicht ohne hiebei das Gerüst des Daches zu brechen.

Der Wagen rollte zunächst über eine hohl klingende Kalksinter-Terrasse, die befürchten ließ, dass wir einsinken würden, und in der Tat glitt eines unserer Hinterräder in den kleinen Krater einer heißen Quelle. Kaum fünf Minuten vom Hotel entfernt, sahen wir einen kapitalen Wolf, der auf 200 Schritte vor uns über eine ganz freie Fläche trollte und wieder unser lebhaftes Bedauern, im Park nicht jagen zu dürfen, wachrief; längere Zeit hindurch konnten wir ihn auf Schussdistanz beobachten, bis er, beständig nach uns zurückäugend, im Wald verschwunden war.

Hart an dem Firehole River liegt der Excelsior Geyser, welcher seit dem Jahre 1888, mit einer kurzen Ausnahme im Jahre 1890, nicht mehr gespielt hat, früher aber allerdings der bedeutendste im Becken war und seine Wassermassen 60 bis 90 m hoch emporschleuderte, als richtiger „Geysir“, altisländisch der Wütherich. Jetzt sieht man nur noch einen großen Krater mit siedend heißem Wasser, das in der Mitte dunkelblauen, an den Rändern aber infolge der durchscheinenden Ablagerungen rötlichen Schimmer zeigt, der sich selbst in den aufsteigenden Dämpfen spiegelt.

Unweit des Excelsior Geyser hielt unser Wagen knapp am Rande der Turkoise Springs, deren klares Wasser tatsächlich von türkisblauer Farbe ist; bemerkenswert sind auch die nebenliegenden Quellen, Artemisia und Morning Glory.

Eine Brücke des Firehole leitet in das ausgedehnte Obere Geyserbecken, welches zahlreiche Quellen und gegen 40 Geyser enthält, deren wir schon nächst der Brücke einige erblickten und zwar zuerst den Riverside Geyser, dessen in bestimmten Intervallen erfolgende Eruption wir leider versäumten, dann den Grotto, der eine Art Wölbung und einen keulenförmigen Kegel über seine Quelle gebaut hat; der nächste Geyser wird nach seiner Kraterform Castle genannt, springt in unregelmäßigen Perioden und gleicht, meiner Ansicht nach, einem rauchenden, großen Kamin.

Der schönste und größte aller gegenwärtig tätigen Geyser ist der Old Faithful, welcher diesen Namen in der Tat verdient, denn er hält seine Eruptionszeit, 65 Minuten Ruhe und 4 Minuten Spiel, genau ein. Wir konnten daher die bis zur nächsten Eruption fehlende halbe Stunde zum Besuch einer schneeweißen Kalkterrasse verwenden, die auf gewölbter Oberfläche eine ganze Reihe von Brunnen trägt; so den Beehive mit bienenkorbähnlichem Kegel, welcher derart regelmäßig gebaut ist, dass man ihn für ein Kunstprodukt halten könnte; die durch eigentümliche, schwarzviolette Wasserfarbe ausgezeichnete Giantess, welche nur alle 14 Tage springt, während ihr Gemahl, der Giant, sehr launisch ist und seine Wasserkünste in zum voraus unbestimmbaren Zwischenräumen produziert.

Sehr herzige Geyserchen sind der „Schwamm“ und der „Schmetterling“, welche lebhaft pustend und wichtig tuend kleine Wassersäulchen aufwerfen; ersterer gleicht in Farbe und Aussehen vollkommen einem Schwamm, während letzterer genau die Konturen der Flügel eines Schmetterlings zeigt. Beim Lion und bei der Lioness, kleinen Geysern mit kegelförmig aufgebauten Kratern, ist an der Außenwand eine blasenartige, harte Sinterablagerung bemerkbar, welche als etwas Neues und noch nicht Gesehenes zur Mitnahme eines Stückchens reizt; doch verhindert der scharf auslugende Soldat, welcher keine Reisegesellschaft unbeobachtet Iässt. jegliche Ausbeute und griff, als es Imhof endlich nach schwerer Mühe gelungen war, ein Stück des Sinters verschwinden zu lassen, sofort zu, um den kostbaren Schatz wieder der Tasche des Frevlers zu entreißen.

Unser Führer machte uns nun aufmerksam, dass es Zeit sei, wieder zum Old Faithful zurückzukehren, wo mich meine Neugierde zuerst noch einen Blick in den bereits rumorenden Krater werfen ließ, welches Unterfangen durch eine heiße Dampfwolke bestraft wurde, die mich plötzlich einhüllte und heftig brannte. Unmittelbar darauf erfolgte die Eruption, die gewaltige Wassermasse erhob sich wie ein immenser Springbrunnen etwa 45 m hoch, ein herrliches Schauspiel bietend, dessen Wirkung durch das schöne Wetter, den tiefblauen Himmel und den dunkelgrünen Hintergrund des Tannenwaldes bedeutend gehoben wurde. Ebenso rasch wie sie gekommen war, sank die gigantische, sich nach jeder Seite hin verschieden präsentierende Wassersäule in den Krater zurück, dessen Umgebung aus kleinen, wellenförmig gezeichneten Becken besteht, in welchen das zurückgebliebene Wasser rasch verdampft.

Auf den nach dem Naturgenuss sich einstellenden Hunger der Reisenden ist durch ein hölzernes Hotel Bedacht genommen, woselbst gefrühstückt wird. Da der Old Faithful, wie bemerkt, alle 65 Minuten springt, warteten wir diese Frist ab, um einen neuerlichen Ausbruch zu bewundern und photographische Aufnahmen zu machen.

Mit den erwähnten Geysern und Quellen ist die Zahl derartiger Erscheinungen noch lange nicht erschöpft, weshalb ich nachmittags in einem leichten Wagen noch eine Reihe anderer Geyser besichtigte. Man sollte glauben, dass diese einander mehr oder weniger gleichen und daher bei dem Besucher bald Ermüdung eintritt; doch ist dem nicht so, da jedes der Naturwunder sich durch besondere Merkwürdigkeiten und Eigentümlichkeiten auszeichnet.

Der bereits vormittags gesehene Grotto machte uns die Freude, sich eben zu produzieren, indem er einer Kaskade gleich aus verschiedenen Öffnungen heißes Wasser ausströmen ließ; dann kamen wir zur Punsch-Bowle, einer kochenden Quelle mit erhöhtem Rande, zur White Pyramid, dem Kegel eines erloschenen Kraters, zum Splendid Geyser, Fan, Mortar und wie alle diese Naturspiele noch heißen mögen. In einem kleinen Seitenthale blendete uns die schneeweiße Ablagerung mehrerer Quellen, welche sich daselbst moränenartig ausbreitet und die abgestorbenen Bäume allmählich versteinert.

Hodek wollte uns in besonders malerischer, dem Charakter der Gegend entsprechender Pose photographieren und bat uns, den sehr steilen Krater des anscheinend ruhigen Castle Geyser zu besteigen und auf dem schmalen Rand desselben Stellung zu nehmen. Dieses Bild kühner Kraterbesteigung wäre jedenfalls sehr originell gewesen, doch waren Prónay und ich kaum oben angelangt, als dem alten Castle unsere Absicht zu missfallen schien; denn plötzlich begann er zu speien und uns beide mit Wasser zu überschütten, während heißer Dampf überdies Prónay an der Nase verbrannte. Unwillkürlich mussten wir zugestehen, dass unser Unternehmen auch nicht viel vernünftiger war, als jenes des Deutschen bei dem Constant Geyser, und ließen uns in dem neuerlichen Spiel des Old Faithful, das wir aus der Ferne betrachteten, Ersatz für unseren verunglückten Einfall bieten.

Auf einem anderen Weg, als jenem, den wir gekommen waren, kehrten wir zum Hotel zurück, wobei wir unter dem Geschnatter mehrerer Flüge Gänse eine ziemlich tiefe Furt des Fireholes mit dem Wagen zu passieren hatten. Während meine Herren abends noch spazieren gingen, blieb ich im Hotel, an meinem Tagebuch schreibend, bis mich der prachtvolle Mondesaufgang wieder ins Freie lockte.

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