Von Agra aus hatten wir in nordwestlicher Richtung bis Aligarh die East Indian, von Aligarh ab in nordöstlicher, beziehungsweise östlicher Richtung die Oudh and Rohilkund Railway benützt. Um 6 Uhr früh langten wir in Bareilly an und liefen hier in die schmalspurige Linie der Rohilkund Kumaon Railway ein, welch letztere uns an unsere nordöstlich liegende Endstation Pilibhit zu bringen hatte, von wo aus die große Expedition nach Nepal ihren Anfang nehmen sollte. Der Morgen war klar und sonnig, und unmittelbar nachdem wir die Station Bareilly verlassen, winkten uns die Vorberge des Himalayas in bläulichem Duft entgegen. Wie glücklich war ich, wieder Berge mit grünenden Wäldern begrüßen zu können; ihr Anblick versetzte mich in die gleiche gehobene Stimmung, die mich damals erfüllt hatte, als ich gegen Dardschiling gefahren war. Allmählich tauchten hinter den Vorbergen blendend weiß, in Eis und Schnee starrend, die ehrwürdigen Häupter des Himalayagebirges empor; ein eigentümlicher Kontrast — die gelbe ausgedorrte Ebene, aus dieser schroff aufsteigend die bläulich schimmernden Vorberge, und hinter ihnen, weithin leuchtend, in majestätischer Ruhe aufragend, die Spitzen des Himalayas.
Schon um 9 Uhr waren wir in Pilihhit, wo uns Mr. Macpherson. der Collector des Distriktes, empfing, welcher die Arrangements für den Transport zum Lager zu leiten hatte. Je mehr wir uns der nepalischen Grenze, und zwar vorerst zu Wagen, näherten, desto üppiger wurde die Vegetation, bis wir schließlich durch geschlossenen Waldbestand zogen. Ein Baum — Sal-Baum (Shorea robusta), seines Holzes wegen geschätzt — fiel mir durch seine Ähnlichkeit mit unserer Eichen auf. Mannshohes Gras bietet, soweit es nicht niedergebrannt ist, dem Wild, wie zahlreiche Wechsel schließen lassen, treffliche Schlupfwinkel.
Nach je beiläufig 10 km wurden die Pferde gewechselt und nach ungefähr 30 km die Wagen mit Elephanten vertauscht. Der Weg zog von hier ab, nach Durchquerung eines klaren, tiefen Baches, bald durch dichte Grasdschungel und Waldparzellen, bald an einzeln stehenden großen Bäumen vorbei, unter denen mageres, verkümmertes Vieh ein klägliches Dasein fristete. Zahlreiche Skelette und über denselben kreisende Geier deuteten darauf hin, dass ein großer Teil des Viehes im freien Dschungel zugrunde geht.
An dem Fluss Sarda angelangt, der daselbst die Grenze Nepals gegen britisches Gebiet bildet, wurden wir vom englischen Residenten in Nepal, Colonel H. Wylie, welcher die Führung der Expedition übernahm, erwartet. Dem Flussufer entlang stand die achtunggebietende Anzahl von 203 Elephanten, die uns während des ganzen nepalischen Jagdausfluges als Reittiere und Treiber dienen sollten.
Noch vor Überschreitung des Flusses eröffnete ich meinen Jagdzug. Auf einer Sandbank im Fluss lagen drei gewaltige Krokodile, die ich vergeblich anzupürschen versuchte, da sie im Wasser verschwanden, bevor ich mich auf Schussdistanz genähert hatte; hingegen erbeutete ich eine der schönen Rostenten.
Ein ebenso befremdlicher als großartiger Anblick war es, die 203 Elephanten in einer Reihe den Grenzfluss durchqueren zu sehen, der hier klares Gebirgswasser führt, tief und reißend dahinströmend, etwa wie unsere Enns oder Steyr. Das Wasser reichte den größten Elephanten bis knapp unter den Rücken; die kleineren mussten schwimmen und auch hier bewiesen die Elephanten ihre Klugheit, indem sie sich schräg gegen die reißende Strömung stellten. Ohne Unfall gelangte die Karawane auf das linke Ufer, und nun waren wir in Nepal, in dem Jagd-Eldorado, wo wir durch drei Wochen ein freies Jägerleben führen sollten; in einer von der Kultur noch unberührten Gegend, mitten in einer Wildnis, in welcher die Natur keine Schranken kennt, alles sich entwickelt, gedeiht, zugrunde geht, ohne dass die regulierende Hand des Menschen eingriffe: hier sollten wir auf reißende Tiere jagen und das Leben und Weben der Tierwelt im Urwald belauschen. Voll der schönsten Hoffnungen betraten wir den Boden Nepals; hatten wir uns ja schon während der ganzen Reise auf diese Expedition gefreut und bei mancher festlichen Gelegenheit sehnsuchtsvoll an die Jagdlager und die Tiger gedacht.
Gleich der erste Eindruck war ein sehr günstiger und vielversprechender. Die herrlichste Gegend, so grundverschieden von der zumeist monotonen indischen Ebene — im Hintergrund Berge, überall Dschungel — und ein Zeltlager nach meinem Herzen empfingen uns. Da gab’s keinen Blumenschmuck, keine Gärten mit Springbrunnen, keine Stein- und Mosaikzier. Jeder von uns hatte ein kleines, praktisches Zelt, das mit einer Liegerstatt, einem Sessel und einem Tisch versehen war und genügenden Raum für Unterbringung der Effekten, Gewehre und Patronen bot. Um die Zelte lagerten in großer Zahl die Schikäris, die Elephanten- und Kameltreiber und Kulis, welch letztere das Lager aufzustellen und abzubrechen hatten. Dasselbe war unter mächtigen, schattenspendenden Bäumen, an einer im Volksmund „Dakna Bagh“ benannten Stelle aufgeschlagen und hatte uns bald gastlich aufgenommen.
Der Staat Nepal ist ein eigentümliches und im allgemeinen noch wenig bekanntes Land, das im Norden an Tibet, das große Nebenland Chinas, im Westen und Süden an die indischen Nordwestprovinzen, im Osten an Sikkim grenzt. Wie Bhutan, von welchem es durch Sikkim getrennt ist, hat sich Nepal bis auf den heutigen Tag dem anglo-indischen Reich gegenüber, welches mit Ausnahme Nepals und Bhutans das gesammte Himalayagebiet und damit die strategisch wichtigen Pässe nach Turkestan und Tibet beherrscht, seine Selbständigkeit zu bewahren gewusst. An dieser Tatsache hat die Anerkennung der englischen Suzeränität seitens Nepals ebensowenig geändert als der Umstand, dass das anglo-indische Heer unter seinen Sipois eine namhafte Zahl nepalischer Krieger, Ghurkas, — 15 Prozent des gesamten, nach der letzten Volkszählung aus 110.000 Mann bestehenden Sipoi-Kontingents — zählt. Denn diese Ghurkas oder Khas, wie die kräftigen, kriegerischen Hochländer Ost-Nepals, des Distriktes Ghurka, ohne Rücksicht auf die verschiedenen Rassen, denen sie angehören, heißen, dienen nur außerhalb ihres Stammlandes und, bis auf ein kleines von Nepal auf Grund des Vertrages von 1888 in der Stärke von 1500 Mann zu stellendes Kontingent, bloß als freiwillige Söldner unter Englands Fahnen.
Die Engländer rechnen die sehnigen, gewandten, schnellfüßigen und ausdauernden Ghurkas zu ihren besten Truppen, und die englischen Soldaten, besonders die Highlanders, vertragen sich sehr gut mit den Kameraden von Nepal. Diese sollen äußerst schneidig und tapfer sein, und zum Schluss stets mit blanker Waffe, mit ihren gekrümmten, scharf geschliffenen Messern, losgehen, welche Kampfesweise sie jeder anderen vorziehen.
Der britische Resident in Nepal ist, im Gegensatz zu der Machtfülle britischer Residenten in anderen Staaten Anglo-Indiens, äußerlich wenig einflussreich. So ist er zum Beispiel auf ein Territorium von 25 km Halbmesser im Umkreise der Hauptstadt Nepals, Katmandu, beschränkt, dessen Grenzen er ohne spezielle Abmachungen nicht verlassen darf; die beim Einlangen aus Indien und bei der Rückkehr dahin einzuschlagende Straße wird dem Residenten vom Maharadscha vorgeschrieben. Immerhin bildet Nepal vermöge seiner Lage, Formation und Gestalt sowie durch die Kriegstüchtigkeit seiner Bewohner ein höchst wertvolles Bollwerk wider jeglichen Angriff gegen das anglo-indische Reich vom Nordosten her, so dass die britischen Machtträger Indiens in ihrer diplomatischen Art alles tun, um zu Nepal, das eine Art „Militärgrenze“ gegen Tibet hin darstellt, freundliche — einmal vielleicht doch mit der Okkupation dieses Staates abschließende — Beziehungen zu erhalten.
Die geographische Lage Nepals ist eben eine ganz besondere. Im Norden an die großen, kahlen Plateaux zwischen dem Himalaya und dem transhimalayischen Gebiete reichend, bildet Nepal einen beiläufig 700 km langen, aber nur etwa 150 km breiten Streifen Landes. Den Nordrand desselben beschützt jener Teil der Hauptkette des Ost-Himalayas. welchem etwa der Dhaulagiri als westlicher, der Gaurisankar als östlicher Grenzstein dient. Den Südrand Nepals schließt gegen die Gangesebene hin der Gürtel des Tarai mit seinen Dschungeln und Sümpfen ab.
Zwischen den beiden Rändern aber erscheint das eigentliche Nepal als ein von Felslabyrinthen, schroffen Abhängen und tiefen Schluchten erfülltes Gebiet, in welchem nur das Vorland des Himalayas, die mittleren Höhen des Gebirges, die Lehnen und Kessel der Flusstäler besiedelt und bebaut sind. In den zahlreichen Tälern, welche dem Stromgebiet des Ganges angehörige Wasserläufe beleben und befruchten, wird überall Terrassenkultur getrieben, Gerste und auch Weizen gebaut; in den nach Indien zu abfallenden tieferen Territorien gedeiht selbst noch der Reis. Einzelne Landstriche, wie das etwa 20 km lange, stark bevölkerte Kesseltal, in welchem Katmandu, der berühmteste Marktort des Landes, dann Nayakot, die einstige Winterresidenz der Fürsten von Nepal gelegen sind, zeichnen sich durch subtropische Vegetation, herrliche Fruchtgärten und reiche Bewaldung der Höhen aus. Eisen- und Kupferwaren, sowie Papier aus der Faser der Daphne cannabina, Harze und andere Produkte des Waldes, Pelze, Opium, Wolle, Tuch, Salz, Türkise und Goldstaub, ferner die kleinen, vortrefflichen Pferde des Landes und endlich Moschus von den vormals hier zahlreichen Moschustieren (Moschus moschiferus) bilden neben den Erzeugnissen der Bodenkultur die wesentlichsten Produktions- und Handelsartikel Nepals. Der Handel ist sowohl nach Tibet, als auch nach Nordwest-Indien hin ein reger, wiewohl ihn allerlei Zölle und Taxen belasten und der Transport der Waren über manchen der Pässe ein höchst schwieriger ist. Für das Jahr 1892 wird die Einfuhr nach Nepal auf 11,759.314 fl. ö. Wr. und die Ausfuhr aus diesem Lande auf 10,071.685 fl. ö. W. bewertet.
Die geographische Gestaltung Nepals ist in ihren Details noch wenig bekannt, da der Maharadscha, welcher eine sehr begreifliche Abneigung gegen kartographische Aufnahmen des Landes besitzt, dem Eintritt von Europäern, insbesondere aber von Forschungsreisenden, die größten Hindernisse bereitet. Es ist denn auch nur selten ein Forscher hier eingedrungen, und der größte Teil der Routen im Innern Nepals lediglich durch einzelne von der anglo-indischen Regierung entsendete, verkleidete Panditen — Eingeborene, die bei Vermessungen und Erforschungen in den Europäern verschlossenen Gebieten Verwendung finden — ausgekundschaftet worden.
Das Areal des Staates wird auf etwa 154.000 km2, die Zahl seiner Bevölkerung — Volkszählung ist hier wohl durch Schätzung ersetzt — annäherungsweise auf 3 Millionen angegeben.
Die Einwohner Nepals stellen ein Gemisch von Völkerschaften dar, in welchem tibetanische Elemente überwiegen, doch findet sich hier auch viel arisches Blut. Insbesondere rühmen sich die Ghurkas, oder Khas wenn auch meist mit Unrecht, echte Hindus zu sein und der Kriegerkaste der Kschatriya anzugehören. Der Typus der Nepalesen ist fast ausschließlich mongolischer Eigenart.
Tibetanischen Ursprunges war auch das, dem Volk der Newar angehörige Fürstenhaus, welches, in Kirtipur nächst Katmandu residierend, im Jahre 1707 von den Ghurkas entthront worden ist. Das gegenwärtig herrschende Ghurka-Haus Sahi rühmt sich der Abstammung von den Radschputfürsten von Udaipur — ob mit Recht, bleibe dahingestellt.
Die Newars, welche die Mitte des Landes rings um dessen Hauptstadt bevölkern, stellen auch heute noch das reinste nationale Element der Nepalesen dar. Die politischen Aspirationen und die Sitten im Süden und im Westen des Landes tragen vorwiegend hinduisches, jene im Norden und Osten tibetanisches Gepräge.
Von 1792 an, nach einem unglücklichen Feldzug der Ghurkas gegen Tibet, kurze Zeit hindurch nominell zum chinesischen Reiche gehörig und seither demselben tributpflichtig, suchte Nepal eine Annäherung an England, die jedoch in der Folge zu kriegerischen Verwicklungen mit diesem führte (1814), welche mit der Abtretung der Gebiete Kumaon und Garwhal, sämtlich im Westen des Reiches gelegen, endigten. Auch wurde der ostindischen Kompanie zu jener Zeit der Transithandel über nepalisches Gebiet mit Tibet zugestanden. Aus der Geschichte Nepals sind ferner hervorzuheben der Krieg, den dieses im Jahre 1855 gegen Tibet geführt hat, und die Erweiterung des nepalischen Gebietes gegen den Brahmaputra zu (1867).
Für den gegenwärtigen, noch minderjährigen Maharadscha Adhiradsch Bikram Schamschir Dschang (geb. 1874) führt der erste Minister. Bir Schamschir Dschang Rana Bahadur die Geschäfte der Regierung. Die hohe Stellung eines Ministers in Nepal soll aber eine ziemlich gefährliche und größtenteils von kurzer Dauer sein, da die Minister hier. sobald sie einige Zeit ihre Funktionen ausgeübt haben, zumeist eines gewaltsamen Todes sterben. Es gibt in Nepal eine Menge kleiner Parteien, und wenn der Minister der einen Partei unbequem oder seine zu große Einflussnahme in Hofkreisen missliebig geworden ist, wird er einfach aus dem Weg geräumt.
Der Maharadscha besitzt eine Heeresmacht, welche nach neueren Quellen aus 17.000 Mann regulärer, mit Enfield-Gewehren bewaffneter und 13.000 Mann irregulärer Truppen bestehen soll. Die Einkünfte des Fürsten belaufen sich auf einen Wert von etwa 11,550.000 fl. ö. W.
Die Haupt- und Residenzstadt Katmandu, ihrer Bauart nach nahezu rein tibetanischen Gepräges, mit einer Einwohnerzahl von 70.000 Seelen, liegt im Innern des Landes, 144 km von der nächsten Eisenbahnstation entfernt.
Die Gegend, in welcher wir durch mehr als zwei Wochen jagen sollten, ist das oben erwähnte Tarai-Gebiet, eine schmale, sumpfige Ebene, die zwischen dem Grenzfluss Nepals, Sarda, und den Ausläufern des Himalayas liegt und durch ihren Wildreichtum bekannt ist; auf Befehl des Maharadschas genießen hier selbst die Tiger einer gewissen Schonung. Nicht ohne Schwierigkeiten ist die Erlaubnis zu erhalten, in diesem jagdlichen Paradies dem Waidwerk obliegen zu dürfen. In der Regel werden nur in jedem zweiten oder dritten Jahre größere Jagdexpeditionen zusammengestellt, welche dieses Gebiet während einiger Wochen durchstreifen. An dem letzten Jagdzug hat der seither verstorbene Herzog von Clarence teilgenommen; vor ihm hatten der Herzog von Orleans und im Jahre 1875 der Prinz von Wales hier gejagt. Auch der britische Resident in Nepal, durch dessen Vermittlung ab und zu einzelnen englischen Sportsmen die Bewilligung erteilt wird, in den Grenzgebieten zu jagen, weilt des öfteren während der Wintermonate hier, sein Waidmannsheil zu versuchen.
Leider ist gerade der die besten Jagdplätze enthaltende Teil des Landes durch die daselbst herrschenden Fieber übel berüchtigt und dünn besiedelt, da die Bevölkerung durch Krankheiten aller Art dezimiert wird. Die Regierung tut das Möglichste, um das Land zu bevölkern, teilt Grund und Boden unentgeltlich aus und begünstigt Niederlassungen in jeder Weise, ohne jedoch bisher ein wesentliches Resultat erzielt zu haben.
Bei Jagdexpeditionen von dem Umfange der unseren, bildet die Verpflegung so vieler Menschen und die Ernährung so zahlreicher Tiere eine besondere Schwierigkeit. Hatten wir ja doch einen Verpflegungsstand von 1223 Mann und 415 Tieren, darunter 203 Elephanten! Erwägt man, dass ein Elephant täglich an Futter etwa 75 kg Heu oder Gras sowie Brot und Körner bedarf und dass selbst diese Futterstoffe aus weiter Entfernung herbeigeschafft werden müssen, so lässt sich ein Schluss ziehen auf die Größe des Apparates, welcher lediglich für die tägliche Approvisionierung des Lagers in Bewegung gesetzt werden musste. Der Bedarf für unsere Küche kann nur von Pilibhit, also einer Entfernung von 41 km, gedeckt werden, da das Jagdgebiet bloß das liefert, was wir an Wild erlegen.
Das Arrangement der Jagden wird von dem Residenten im Vereine mit einem Oheim des Maharadschas, namens Kesar Singh, und dessen Sohne Prem Schamschir besorgt, welch letztere der Maharadscha zu diesem Zweck entsendet hatte.
Da es bei unserem Eintreffen in Dakna Bagh noch früh an der Zeit war, wünschte ich die Umgebung des Lagers zu durchstreifen, worauf der Resident sofort 50 Elephanten zur Treibjagd beorderte. In dem Gebiet, in welchem wir uns befanden, kann bloß mit Elephanten getrieben werden, da das Dschungel viel zu hoch und dicht ist, als dass ein Fußgänger durchzukommen, geschweige denn Wild herauszutreiben vermöchte. Auf das Kommando „Line“ stehen in wenigen Augenblicken sämtliche Elephanten in einer Linie gerade ausgerichtet da, die einzelnen Tiere ziemlich nahe aneinander; die Schützen sind in ihren Häudas in bestimmten Intervallen eingeteilt. Trotz mancher Unebenheiten des Terrains und zahlreicher Hindernisse rückt die Linie in vollster Ordnung vor, fast wie es bei einer wohlgeregelten und ausgesteckten Hasenjagd in Böhmen der Fall ist.
Misslich bleibt nur die uns schon bekannte Schwierigkeit, aus der Häuda sicher zu schießen. In der Regel gestatten die Umstände nicht, den Elephanten halten zu lassen, sondern der Schütze muss meist seinen Schuss anzubringen suchen, während die gewaltige Masse in Bewegung ist. Nur wenn es sich um Schüsse mit der Kugel handelt, die sonst gar zu riskiert wären, ruft man dem Mahaut das Wort „Rok“ (Halt) zu, obgleich, wie wir schon wiederholt erfahren, die Häuda, auch wenn der Elephant in der Bewegung innehält, noch bedeutend schwankt. Dank der Vorübung in den früheren Jagdlagern gelangen mir übrigens schon nach wenigen Tagen sehr häufig Kugelschüsse selbst von dem fortschreitenden Elephanten herab.
Der Erfolg des Jägers ist sehr wesentlich von dem Mahäut und dessen verständnisvollem Eingehen auf des ersteren Intentionen abhängig. Mit Hilfe eines recht dürftigen Schatzes von Worten der Hindustani-Sprache — rok halt, deihne rechts, beine links, sidah geradeaus, bohut atscha sehr gut, tschelao schnell u. dgl. — trachtet der Schütze seine Wünsche dem Mahaut klar zu machen, der dieselben, wenn mit ihnen einverstanden, durch verschiedene Hilfen, als Zuruf und Mahnworte, Stöße mit den Beinen hinter die Ohren, Stockschläge und gar Stiche mit dem spitzen Kaschwar, auf den Klephanten überträgt. Ist der Mahaut jedoch anderer Ansicht als der Jäger, so hält er meist eine längere, uns natürlich unverständliche Rede, die damit schließt, dass des Lenkers Wille geschieht. Etwaiger Zwang, sich der Anordnung des Jägers zu fügen, erzeugt in des Mahauts Busen nur allzu leicht Missmut und Groll oder veranlasst den seiner Wichtigkeit wohlbewussten Mann, in lautes Gelächter auszubrechen, in welches die anderen Mahäuts einstimmen, um überdies durch ganz unzweideutige Gebärden ihrer Geringschätzung des hilflosen Jägers Ausdruck zu geben. Anfänglich ist der Jäger Gegenstand sorgfältiger Beobachtung seitens des Mahauts, der, wenn der Schütze sich als wohlbewandert in der Handhabung der Büchse und treffsicher erweist, bald Vertrauen zu demselben fasst und sein Möglichstes tut, ihn zum Schuss zu bringen.
Der unternommene Streif lieferte uns einen Schweinshirsch (Cervus porcinus), mehrere Geier, Falken und Frankoline, sowie einen Schakal.
Entzückt von dem prächtigen Schauspiele, welches die in den Strahlen der sinkenden Sonne effektvoll beleuchteten Gebirge darboten, kehrten wir bei anbrechender Dunkelheit in das Lager zurück.
Links
- Ort: Dakna Bagh, Nepal
- ANNO – am 08.03.1893 in Österreichs Presse.
- Das k.u.k. Hof-Burgtheater spielt “Die Eine weint, die Andere lacht“, während das k.u.k. Hof-Operntheater die Oper „Die Rantzau“ aufführt.