Am Vorabend war der Himmel noch völlig klar gewesen und ein Meer von Sternen hatte auf uns herabgefunkelt. Im Lauf der Nacht änderte sich jedoch das Wetter; ein Platzregen weckte uns aus dem Schlaf und auch des Morgens goss es in Strömen. Trotzdem sollte gejagt werden und das umsomehr, als noch während des Frühstücks fast gleichzeitig zwei erfreuliche Botschaften eingelaufen waren. Die eine besagte, dass in der Nacht ein Tiger aus einer kleinen, 15 km vom Lager befindlichen Ansiedlung ein Stück Vieh geraubt habe und von den Bauern bestätigt worden sei; die andere, dass die mit den Elephanten ausgesandten Jäger in der Nähe des Lagers zwei Tiger in ein Dschungel wechseln gesehen und dasselbe gleich eingekreist hätten. Da hieß es nicht zaudern; im Nu waren wir auf unseren schnellen Elephanten und eilten der Stelle zu, wo wir den Kreis bereits gebildet fanden.
Der Resident wies jedem rasch seinen Platz an, die Lücken im Kreise wurden noch durch die Reitelephanten ausgefüllt und drei Schikäris drangen wie an den vorhergehenden Tagen in das Innere des Kreises ein. Zu meiner rechten Hand befand sich junger Wald, zu meiner linken und vor mir hohes Schilfdschungel. Nach wenigen Augenblicken höre ich rechts von mir die Elephantenführer schreien, ihre Tiere zeigen Unruhe und durch das Stangenholz sehe ich ein tigerähnliches Raubtier in voller Flucht gegen das Dschungel wechseln. In dem Momente, da es in das Dschungel setzen will, schieße ich zweimal und glaube gut abgekommen zu sein. Die Schikäris tummeln sich mittlerweile noch immer im Gras und Röhricht umher, bis Kinsky und drei seiner Nachbarn feuern, worauf ich das Gras in dem Dschungel sich so bewegen sehe, als ob daselbst ein größeres Stück im Verenden liege. Ich ritt nun zu der Stelle hin und fand da einen sehr starken, bereits verendeten Panther, den Kinsky erlegt hatte, während dort, wo ich hingeschossen, ebenfalls ein auffallend starker, dunkelgefärbter Panther mit zwei Blattschüssen lag. Die Kugeln hatten so nahe nebeneinander eingeschlagen, dass sie sich dann beim Zerwirken des Panthers in dessen jenseitigem Schulterblatt aufeinanderliegend fanden. Der Irrtum der Schikäris, welche anfänglich die Panther für Tiger gehalten hatten, erklärte sich aus der seltenen Stärke der Panther, deren einen erlegt zu haben, mich umsomehr beglückte, als er mein erster war. Doch war noch nicht aller Tage Abend; es sollte noch besser kommen.
Der Jagdrat, bestehend aus dem Residenten und den einheimischen Leitern der Expedition, beschloss, trotz der Entfernung von 15 km auch jenen Tiger aufzusuchen, der sich zum Morgenimbiss ein Stück Vieh bei den Bauern geholt hatte. Was ist auch diese Distanz für begeisterte Nimrode, wenn ihnen die Hoffnung winkt, einen Tiger zu erlegen!
Als wir an Ort und Stelle angelangt waren, gaben uns entgegenkommende Schikäris die frohe Kunde, dass drei Tiger bestätigt worden seien, jedoch das Dschungel Schwierigkeiten bereite, sonach der Erfolg unsicher sei. Der erste Teil der Botschaft wirkte elektrisierend, so dass wir das Eintreffen sämtlicher Elephanten kaum erwarten konnten; der zweite entmutigte nicht, obwohl die Schwierigkeit, das Dschungel zu durchstreifen, sehr bedeutend war. Wir hatten in einen mit Lianen völlig überwucherten, dichten Wald einzudringen, der zwar dem Auge ein malerisches Bild bot, aber uns auch zwang, jeden Schritt zu erkämpfen; Elephanten und Messer mussten zusammenwirken, um einen Weg zu bahnen. Eine Folge des fast undurchdringlichen Dickichts war, dass ein Schikäri mit den ihm anvertrauten Schützen, zu welchen auch Wurmbrand, Clam und Kinsky gehörten, die Richtung verlor, und ich nur mit Prónay und den englischen Herren an der Stelle, wo der Kreis geschlossen werden sollte, anlangte.
Das hohe Grasdickicht, in dem sich die Tiger befinden sollten. maß kaum 50 Schritte im Durchmesser und bildete einen regelmäßigen Kreis, der ganz von dicht stehenden Bäumen umgeben war. Bevor an das Auftreiben der Tiger gegangen werden konnte, hatten die Elephanten noch eine harte Arbeit zu verrichten; sie mussten nämlich alle am Rand des Dschungels stehenden Bäume im Umkreis von ungefähr zehn Metern stürzen, damit ein ausbrechender Tiger nicht etwa, von einem Baum gedeckt, entweichen könne, und falls ein Tiger einen der Elephanten anspringe, der Ausschuss nicht behindert sei. In der unglaublich kurzen Zeit von einer Viertelstunde war-diese herkulische Arbeit vollbracht. Die Elephanten stemmten sich mit dem Kopf und den Stoßzähnen gegen die stärksten Bäume, diese wie Strohhalme knickend; Buschwerk und kleinere Bäume wurden mit Hilfe des Rüssels entwurzelt. Fast schien es, als ob diese Leistung den mächtigen Tieren keinerlei Anstrengung kostete.
Nachdem die Elephanten rasch noch vor der Schützenlinie das Gras niedergetreten hatten, drangen die Schikäris gegen die Mitte des Dschungels vor. Einer ihrer Elephanten kündigte alsbald durch einen Trompetenstoß die Anwesenheit eines Tigers an, der gleich darauf in voller Flucht zwischen mir und einem der englischen Herren auszubrechen suchte. Durch das plötzliche Erscheinen des Tigers erschreckt, machten einige jüngere Elephanten Miene, auszureißen, wurden aber durch- kräftige Hiebe bald zur Besinnung gebracht. Mein Elephant hatte wie eine Säule Standgehalten. Durch Geschrei zurückgescheucht, wandte sich der Tiger wieder gegen das Dschungel, nicht ohne dass mein Nachbar, vom Jagdeifer hingerissen, versucht hätte, ihm knapp vor mir einen Schuss beizubringen. Glücklicherweise ging der Schuss fehl, worauf ich dem Tiger eine Kugel nachsandte, auf die er, sich im Dschungel bergend, mit Gebrüll antwortete. Die Schikäris streiften unentwegt im Dickicht hin und her, so dass bald danach auf dem schon vom ersten Tiger benützten Wechsel ein zweiter Tiger hervorstürzte, auf den ich zweimal, Crawford einmal feuerte.
Durch die Schüsse in die richtige Direktion geleitet, waren endlich auch die verirrten Schützen angelangt und hatten in der Kreislinie Stellung genommen, wobei Clam und Kinsky neben mir zu stehen kamen. Innerhalb des Kreises wurde es immer lebhafter, die Elephanten trompeteten, die Tiger brüllten; ja plötzlich wandte sich ein Tiger gegen einen zurückweichenden Elephanten und sprang, beide Pranten einschlagend, auf dessen Croupe.
Nicht minder kritisch war die Situation, als ein Elephant, den ein verwundeter Tiger plötzlich ansprang, durch den Überfall erschreckt, bei einer raschen Wendung stürzte, so dass der Mahaut und der Schikäri in Gefahr kamen, abgeschleudert und vom Tiger erfasst zu werden. Diese ernsteren Intermezzi liefen jedoch ohne Unfall ab, da die Tiger vom Angriff ablassend, sich in das Gras bargen, wo ich dem bereits verwundeten Tiger den Fangschuss gab. Kinsky schoss, kurz nachdem er angelangt war, den von mir angeschweißten Tiger — ein prächtiges Exemplar — nieder. Wenige Minuten darauf stürzten sich in unmittelbarer Aufeinanderfolge abermals zwei gesunde Tiger brüllend in riesigen Sätzen gegen den Elephanten Clams. Crawford erlegte die eine, Clam die andere der Bestien.
Auf der anderen Seite des Kreises war mittlerweile abermals ein Schnellfeuer eröffnet worden, dessen Ergebnis ein vielfach zerschossener und zerfetzter, geringer Tiger war, welcher dem englischen Arzt der Expedition zugesprochen wurde. Die Beteiligung desselben an der Jagd wollte meinem Leibjäger nicht einleuchten, welcher der Meinung war, dass der Arzt im Lager der Verwundeten harren solle, deren es jedoch glücklicherweise keine gab, obwohl seitens einiger Herren hitzig auf jeden Grasbusch, in dem sich etwas zu bewegen schien, geschossen wurde, ja sogar der schwere Paradox-Stutzen eines der Schützen sich unmittelbar oberhalb unserer Köpfe entladen hatte. Auch darauf wurde keine Rücksicht genommen, in wessen Nähe ein Tiger sich befand und wer daher berufen war, zuerst zu schießen, doch wussten wir immer genau, wer von uns den ersten Schuss getan und wer getroffen hatte, so dass, da wir außerdem unsere Schüsse kannten, darüber kein Zweifel bestand, dass ich zwei und Clam einen Tiger erlegt hatte. Andernfalls wäre eine Entscheidung recht schwierig gewesen, da alle Tiger durchlöchert waren wie Siebe.
So waren denn auch heute fünf Tiger zur Strecke gebracht worden. An zwei Tagen, bei nicht sonderlich günstigem Wetter, zehn Tiger und zwei Panther! Fürwahr ein Waidmannsheil, das keiner von uns zu träumen gewagt hätte. Dieses glänzende Resultat ist nur dem trefflichen Arrangement der Jagden, der Geschicklichkeit und dem Eifer der Eingeborenen, die ich nicht genug zu rühmen vermag, zuzuschreiben. Da die wackeren Hathis (Elephanten) sich so besonders ausgezeichnet hatten, erließen wir ihnen zum Lohn ein General-shooting und kehrten linea recta ins Lager zurück, von wo wir einen Boten nachdem 41 km entfernten Telegraphenamt abfertigten, um die Nachricht von unseren Jagderfolgen in die Heimat zu senden.
Hodek widmete seine künstlerische Hand den erbeuteten Tigern, während wir am Abend die Strecke des Tages gebührend feierten.
Links
- Ort: Dakna Bagh, Nepal
- ANNO – am 11.03.1893 in Österreichs Presse.
- Das k.u.k. Hof-Burgtheater spielt “Der Veilchentreffer“, während das k.u.k. Hof-Operntheater Massenets „Manon“ aufführt.