Dakna Bagh, 10. März 1893

Es war 9 Uhr vormittags, als wir aufbrachen, um in einem mit Röhricht dicht bedeckten Sumpf, in dem mehrere Tiger bestätigt worden waren, zu jagen. Das Terrain zeigte einen wesentlich anderen Charakter als jenes des gestrigen Tages, da es sich als eine ausgedehnte Sumpfregion darstellte, in der sich fast undurchdringliche Röhrichtpartien befanden, welche gute Schlupfwinkel für Tiger bilden. Wir schnitten einige Stengel des hier vorkommenden Rohres ab, welche bis zu 6 m maßen, eine Längendimension, die man geneigt sein könnte, für unglaublich zu halten. In gewohnter Ordnung und Schnelligkeit wurde an der geeignetsten Stelle ein Kreis gebildet; doch leider ohne Resultat — in jedem Dschungel können eben nicht fünf Tiger hausen. Wenn wir auch nicht zum Schuss kamen, so boten doch der Eifer und die Geschicklichkeit, welche die Eingeborenen an den Tag legten, Interesse genug. Hier vollzog sich jede Bewegung ohne Geschrei und Zeitverlust, bloß unter einigen kurzen Kommandos, ganz in militärischer Art, so dass sich die Nepalesen zu ihren Gunsten wesentlich von ihren indischen Brüdern unterschieden, bei denen Unentschlossenheit und Lärm unentbehrliche Erfordernisse jeder Jagd zu bilden scheinen.

Die Schikäris entschuldigten sich ob des Misserfolges, wollten ihr Glück wiederholt versuchen und kreisten noch zweimal ein, aber ebenfalls vergeblich, so dass nur zwei der seltenen Sumpffrankoline die ganze Beute des letzten Triebes bildeten. Ein auf einer kleinen Insel sich sonnendes Krokodil von riesigen Dimensionen schoss ich an, ohne desselben habhaft werden zu können, da es nach dem Schuss in tiefes, schlammiges Wasser glitt und darin verschwand.
Die Fruchtlosigkeit ihrer Bemühungen wurde von den Schikäris dadurch erklärt, dass das Wasser infolge der jüngsten Regengüsse gestiegen sei und die Tiger vertrieben habe.

Tatsächlich stand das Wasser im Sumpf so hoch, dass unsere Elephanten bis an den Bauch im Schlamm versanken und sich nur mühsam durcharbeiten konnten. Nach dem anstrengenden Marsch durch den tiefen Sumpf gönnten wir den braven Elephanten etwas Ruhe, um dann, wieder in langer Linie aufgelöst, ein Gebiet, in welchem Sal-Wälder mit Dschungeln abwechselten, zu durchstreifen. Hier gab es reiche Ausbeute; unter anderem schoss Wurmbrand einen auffallend starken Keiler und Kinsky einen Sumpfhirsch-Spießer, während ich ein Tier gleicher Art erlegte. Der Sumpfhirsch, welcher sich, wie schon sein Name bezeugt, in der Regel in feuchten Rieden aufhält, ist ein wenig verbreitetes Wild, das sich hauptsächlich durch seine Größe, welche jene unseres Hochwildes weit übertrifft, auszeichnet.

Charakteristische Merkmale sind die langen bartähnlichen Granen am Vorschlag, die zolltiefen, ovalen Tränengruben und der schuhlange Wedel; die Farbe der Decke entspricht jener unseres Hochwildes; die Tiere sind schwächer und lichter gefärbt als die Hirsche. Unmittelbar nachher erlegte ich auch mein erstes Stachelschwein, das in der Nähe meines Elephanten hoch geworden war und in der Flucht einen höchst befremdlichen, komischen Anblick dargeboten hatte. Die Gesamtstrecke belief sich auf 57 Stück verschiedenen Wildes.

Beim Passieren einer Sumpfader geriet ich in eine nicht sehr erfreuliche Situation; denn mein besonders großer, schwerer Elephant war an einer tieferen Stelle stecken geblieben und sank um so weiter ein, je heftigere Versuche er machte, vorwärts zu kommen. Seine Bewegungen wurden schließlich so ungestüm, dass ich mich, die Gewehre erfassend, mit aller Kraft an die Wand der Häuda anklammern musste. um nicht herausgeschleudert zu werden. Endlich riss der große Gurt der Hauda, so dass ich jeden Augenblick gefasst war, mit allen Jagdgeräten in den tiefen Sumpf geworfen zu werden; der Elephant hielt jedoch, als hätte er die kritische Situation erfasst, plötzlich inne, ruhte eine Weile, stemmte dann den langen Rüssel gegen den Boden, um das Gewicht besser zu verteilen, und arbeitete sich aus der schlimmen Lage heraus.

Links

  • Ort: Dakna Bagh, Nepal
  • ANNO – am 10.03.1893 in Österreichs Presse.
  • Das k.u.k. Hof-Burgtheater spielt “Kriemhilde“, während das k.u.k. Hof-Operntheater ein Potpourri von „Wiener Walzer“ und anderem anbietet.

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