Vor Kälte klappernd verließen wir am frühen Morgen unser Lager, um unter wolkenlosem Himmel nochmals dem Fischfang zu obliegen; der Dampfschiffbesitzer, welcher neben dem Hotel wohnt und einer der wenigen zuvorkommenden Amerikaner war, die ich kennen lernte, lieh uns das nötige Angelgerät, mit welchem ausgerüstet wir nach einer kleinen Traversade über den See bald wieder am Fluss waren. Diesmal fischte jeder von uns allein in einem Boot, und ich ließ mich weiter flussabwärts rudern, weil ich dort eine günstigere Stelle vermutete.
Während der Überfahrt konnte ich die zahlreiche Arten aufweisende Vogelwelt des Yellowstone Rivers beobachten; Entenflüge zogen unausgesetzt auf und nieder, Gänse flatterten mit lautem Geschrei auf, Möven strichen eleganten Fluges pfeilschnell einher und Bussarde, Weihen und Fischadler zogen ihre Kreise über dem Kahn, dessen Bewegungen von den Hehern, die auf dem Ufer aufgebäumt hatten, mit heiseren Lauten begleitet wurden.
In einer kleinen Bucht, die mir für den Fang günstig schien, legte ich das Boot vor Anker und ging mit großer Geduld an mein Werk: zu meiner Freude biss nach etwa einer Stunde die erste Forelle an, welcher nach längeren Zwischenräumen weitere vier Stücke folgten, deren jedes ungefähr ein Kilogramm wog; einige andere Forellen, die ich schon erbeutet glaubte, gingen mir wieder verloren, da es mitunter nicht möglich war, die an der Angel hängenden, blitzschnell umherschießenden Fische sofort ins Boot zu bringen. Man konnte deutlich erkennen, wie die Fische infolge der Kälte nur widerstrebend die lockende Fliege annahmen, die sie oftmals umspielten, ohne darnach zu schnappen. In der guten Saison muss der Fischfang hier einen sehr unterhaltenden Sport bilden, da man zu jener Zeit, wie ich hörte, binnen kürzester Frist an hundert Stücke fangen kann.
Als in der Folge keine Forelle mehr anbeißen wollte und mein Bemühen auch an einer anderen Stelle fruchtlos blieb, vereinigte ich mich mit den anderen Herren, die ebenfalls einige Beute hatten, und kehrte zum Hotel zurück, wo sieben in der Nacht gefangene und getötete Stinktiere zu sehen waren. Diese besitzen einen dachsartigen Körper und weiches, schwarz und weiß geflecktes Fell; da sie die ganze Umgebung, in der sie sich befinden, durch ihren penetranten Geruch verpesten, werden sie eifrig verfolgt.
Nachmittags machten wir uns in unserer Coach auf den Weg zum Yellowstone Canon, zuerst dem Ufer des Sees, dann jenem des Yellowstone-Flusses folgend. Bald hörte der geschlossene Wald auf und machte freien, mit Artemisia-Pflanzen bedeckten Stellen Platz, die, von Bäumen umgeben, dem Wild ein treffliches Äsungsterrain bieten; wohl manche Büffelherde dürfte einstmals diese Plätze aufgesucht haben.
Auf halbem Wege, nächst der Straße, zeigt sich eine der seltsamsten Erscheinungen des Parkes, der Mud Cauldron oder Schlammgeyser, ein tiefer Trichter, aus dessen seitlicher Öffnung unausgesetzt unter starker Dampfentwickelung und dumpfem Dröhnen blaugrauer, kochender Schaum ausgeworfen wird, was sich recht unheimlich ausnimmt. Jeder Gegenstand, der hineingeworfen wird, verschwindet in der schauerlichen Öffnung für immer, nur Holzstücke kommen manchmal für kurze Zeit, doch bereits ganz zersetzt wieder an die Oberfläche.
Das nördlicher gelegene Hayden Valley, ein völlig baumloses, ödes Tal mit wellenförmigen Hügelketten, wird von einem Bächlein in Schlangenwindungen durchflossen; ein noch sichtbarer, ausgetretener Pfad zeigt den Weg an, den einst ein ganzer Indianerstamm, nach bedeutenden Verlusten im Kampf gegen andere Stämme mit Weib und Kind aus den südlichen Gebieten in den Norden auswandernd, benützt hatte. Heutzutage ist es den Indianern untersagt, das Territorium des Yellowstone-Parkes zu betreten.
Als wir eben über eine Brücke gefahren waren, erblickte ich ein Stinktier vorbeiwechseln; dem Kutscher „Stop“ zurufen, die Stöcke ergreifen und aus dem Wagen springen, war Eins, und nun begann eine sehr heitere Jagd, bei der wir Steine als Wurfgeschosse verwendeten. Das Stinktier wollte, obwohl in die Enge getrieben, durchaus nicht das Wasser annehmen, sondern lief am Ufer auf und ab, bis es sich endlich stellte und von seinem letzten Rettungsmittel, einem abscheulichen Parfüm, den ausgiebigsten Gebrauch machte, was uns aber nicht abhielt, es gleichwohl zu erbeuten. So hatten wir im Gefilde des Parkes, wenn auch ohne die Gewehre benützt zu haben, doch eine Strecke zu verzeichnen; ich gab Auftrag, diese auf dem zweiten Wagen unterzubringen, und dann fuhren wir, die lustige Stinktierjagd besprechend, fröhlich weiter.
Kaum waren wir im Grand Canon Hotel, unserer Nachtstation, angelangt, als Hodek auch schon mit der Meldung eintraf, dass der Kutscher des zweiten Wagens die Mitnahme des Stinktieres nicht zugelassen habe; er — Hodek — habe eben versucht, dasselbe an die Achse zu binden, doch sei der Kutscher vom Bock gesprungen und habe es weit weg geschleudert, was zu einem heftigen Auftritte zwischen beiden geführt habe. Das Stinktier war daher liegen geblieben; ich wollte aber die schwer errungene Beute nicht fahren lassen, und so wurde nun Kriegsrat gehalten, was zu tun sei, umsomehr als das Tier auch nicht ins Hotel gebracht werden durfte. Endlich siegte eine bedeutendere Anzahl von Dollars über die Bedenken des Kutschers, der mit Hodek zurückritt, und bald lag der Balg unseres Stinktieres in einer Blechbüchse wohl verpackt bei den Gepäcksstücken.
Die größte Sehenswürdigkeit des Parkes ist unstreitig der große Canon des Yellowstone-Flusses, welcher allein schon eine Reise nach dem Nationalpark verlohnen würde. Durch Erfahrungen gewitzigt, hatte ich mich auch der Anpreisung dieser Naturschönheit gegenüber sehr reserviert verhalten, gestehe jedoch gerne, dass hier meine Erwartungen weitaus übertroffen worden sind.
Wir kamen gerade zu rechter Zeit an, weil der Abend kurz vor Sonnenuntergang der günstigste Moment für die Besichtigung des Canons ist, und fuhren in einem kleinen Wagen, welcher den mangelhaften Zustand des Waldweges unserer Erinnerung schonungslos einprägte, vom Hotel ab. An mehreren niedrigen Aussichtspunkten vorbeikommend, welche uns die Pracht des Tales bereits ahnen ließen, sehen wir uns endlich am Fuß des 460 m über den Yellowstone aufragenden Inspiration Points. Da liegt sie nun vor uns, die mehr als 300 m tief abstürzende Schlucht, mit steilen, fast senkrechten Wänden, welche phantastisch geformte Vorsprünge mit wild zerrissenen Spitzen und Felsennadeln aussenden, während sich der Fluss in der Talsohle einem blauen Bande gleich dahinschlängelt. Die kulissenartig nebeneinander aufstrebenden Felszacken zeigen selbst ebenfalls die kühnsten Gestaltungen und schließen kleine Schluchten sowie Schutthalden, mit abgebröckeltem Gestein erfüllt, ein; der Rhyolith, aus welchem die Felsen bestehen, unterliegt eben sehr der Verwitterung und Zersetzung, so dass sich unausgesetzt einzelne Stücke ablösen und die Zerklüftung immer weiterschreitet.
Bei weitem das Schönste und Eigenartigste des Canons sind die mannigfaltigen Färbungen, in welchen das felsige Gestein und vor allem die Schütten erglänzen; alle nur erdenklichen Farben in den verschiedensten Schattierungen sind hier vertreten, doch herrschen gelb, rot, rosa und weiß vor. Besonders in Rot finden sich alle Nuancen vom dunkelsten Blutrot bis zum zartesten Rosa, wie solche kaum ein wohlausgestatteter Farbenkasten aufzuweisen vermag; die einzigen dunklen Stellen werden von wenigen, verkrüppelten Kiefern gebildet, die sich in Felsspalten fortfristen. Vermöchte selbst der Pinsel eines Malers alle die Farben, die wir hier erschauen, in ihren Abtönungen und in ihrem Schmelz sowie die bizarren Formen des Gesteines getreu wiederzugeben, so würde doch jedermann behaupten, dass das Bild unnatürlich sei und ein ähnliches in der Natur nicht existieren könne. Selbst die detaillierteste Beschreibung von Meisterhand wäre durchaus ungenügend, um eine zutreffende Vorstellung von der hier in so überraschender Fülle entwickelten seltsamen Pracht und Herrlichkeit zu vermitteln. Wer diese in ihrer ganzen Größe erfassen will, muss hier an einem schönen Herbstabende geweilt haben, um einen Traum der kühnsten Einbildungskraft verwirklicht zu sehen.
Im Beginn der Schlucht zeigt sich der Große oder Untere Wasserfall des Yellowstones, welcher an dieser Stelle schäumend und tosend über eine senkrechte Felswand von fast 100 m Höhe herabstürzt, während der Obere Wasserfall, in weiter Ferne liegend, nur als silberweißer Punkt erscheint; gegen die andere Seite zu verliert sich die Schlucht in bewaldeten Bergen, die abends eine dunkelviolette Färbung annehmen, während hinter diesen ein schneebedeckter Bergriese die Szenerie effektvoll abschließt. Diesem herrlichen Anblick kann ich nur jene wenigen Momente, da sich in Dardschiling der Nebel zerteilte und mir die Spitzen des Himalayas in ihrer jungfräulichen Majestät enthüllte, würdig zur Seite stellen.
Der Inspiration Point, eine mitten im Canon gelegene, für Schwindelfreie nicht allzuschwierig erreichbare Felsspitze, ist für die Rundschau der günstigste Punkt; umsomehr nahm es mich Wunder, dass für den Schutz der Reisenden an diesem Ort gar nicht gesorgt ist und weder Geländer noch Stufen den immerhin gefährlichen Weg erleichtern, vor dessen Zurücklegung bis zum äußersten Punkt ich jeden, der nicht Bergsteiger ist, warnen möchte.
Je tiefer die Sonne hinter die Berge sank, um so wechselnder wurde auch das Spiel der Farben, so dass wir, in Bewunderung versunken, uns lange von dem Schauspiel nicht trennen konnten, bis die wiederholte Mahnung des Kutschers, welcher die Rückfahrt in der Dunkelheit scheute, zwang, vom Inspiration Point zu scheiden. Einige große Steine, die wir zuvor noch abrollten, sprangen donnernd von Absatz zu Absatz, durchsausten die enorme Fallhöhe in wenigen Sekunden und verschwanden aufklatschend im Fluss. Auf einer der Felsnadeln, an deren höchste Spitze geklebt, entdeckten wir einen großen Adlerhorst, dessen Erbauer sich ein wohl unersteigliches Plätzchen gewählt haben.
Abends stöberten drei Bären, anscheinend eine Alte mit zwei Jungen, in dem kaum 200 Schritte vom Hotel entfernt liegenden Haufen von Konservenbüchsen, bei welcher Beschäftigung ein Herr, der sich schon vorher in der Nähe des Platzes verborgen hatte, die Tiere erblickte; als aber der ganze Schwarm Reisender, darunter auch wir, herbeieilte, verschwanden die Bären leider auf Nimmerwiedersehen, weil die Hotelgäste, besonders aber die Damen, äußerst unruhig waren, schwätzten und kicherten, was wohl selbst einen zahmen Bären vertrieben hätte.
Ohne das unerbittliche „No Shooting“ hätte ich mich gewiss an diesem allerdings nicht poetischen Platz angesetzt, überzeugt, dass ich im Lauf der Nacht zum Schuss gekommen wäre.
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