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diary entries of Franz Ferdinand

Kanton, 26. Juli 1893

Dem ursprünglichen Plan zufolge hätte ich schon in der Nacht nach Macao fahren sollen, aber das große Interesse, welches Kanton in mir erweckte, bewog mich, Mr. Drew zu ersuchen, uns noch einen Tag Gastfreundschaft zu erweisen, zumal ich mit meinen Einkäufen noch nicht völlig zu Ende war. Da ich von meinem Standpunkt aus in Kanton leicht einen Tag zugeben konnte, nachdem durch das Entfallen des Besuches Bangkoks gegenüber dem offiziellen Programm
ein gewisser Vorsprung gewonnen war, und da mein liebenswürdiger Wirt sich über mein Ansinnen sehr erfreut gezeigt hatte, erfuhr unser Aufenthalt in der Tat eine eintägige Verlängerung.

Mein erstes war, im Palankin wieder in die Straßen der Chinesenstadt zu eilen, um mich heute den Möbelhändlern und nochmals den Malern zu widmen. Wir hatten uns in zwei Partien geteilt, um so rasch als möglich alle noch zu besorgenden Einkäufe fertig zu bringen. Bis am späten Nachmittag handelten, feilschten und kauften wir in der Stadt, und selbst abends knapp vor der Abreise war des Geschäftes kein Ende, da uns Händler mit Spitzen und namentlich mit seidenen Geweben noch auf Scha-mien aufsuchten.

Als uns der Himmel nachmittags einen freundlichen Sonnenstrahl gönnte, fuhren wir nach dem an einem Seitenarm des Perlflusses gelegenen Kollegium, welches der letzte Gouverneur zur Pflege höherer chinesischer Wissenschaft hatte erbauen lassen. Die Gründung besteht aus zahlreichen, tempelartig aufeinanderfolgenden Gebäuden, die durch Hallen und Gänge verbunden sind und große Prüfungs-, Lehr- und Konferenzsäle umfassen, deren Wände Sprüche aus den Schriften der Weisen bedecken; eine Flucht von Räumen dient zur Aufnahme von Studierenden.

Nicht weit von diesem Kollegium breitet sich ein Dorf, eigentlich eine Vorstadt Kantons, mit großen Anstalten für die künstliche Erbrütung von Enten aus. In niedrigen Räumen werden hier die Enteneier, schichtenweise in Körben, die mit Papier ausgefüllt sind, übereinandergelagert, durch ungefähr drei Wochen einer ziemlich hohen, gleichmäßigen Temperatur ausgesetzt. Nach Ablauf dieser Frist ist das Piepsen des Jungen im Ei hörbar, — hievon habe ich mich selbst überzeugt — und bald darauf durchbricht das Entchen die Hülle, um erstaunt in die Welt zu blicken, sich dann aber, ins nasse Element versetzt, darin sofort heimisch zu fühlen. Dem chinesischen Gaumen sagen merkwürdigerweise angebrütete Eier und eben ausgekrochene Küklein besonders zu, so dass Brutanstalten recht gute Geschäfte machen; unser eingeborener Cicerone trug hiezu bei, indem er gelegentlich des Besuches einige angebrütete Eier zum Souper erwarb.

Wie mir Mr. Drew im Verlauf des Abschieds-Diners erzählte, waren an ihn während meines Aufenthaltes in Kanton von Chinesen mancherlei Fragen über den fremden Prinzen gerichtet worden. Bei den Verhören, welche Mr. Drew um meinetwillen zu bestehen hatte, äußerten die Wissbegierigen meist das Verlangen, zu erfahren, wie viel Frauen ich wohl besäße, und gingen, als die Aufklärung zuteil wurde, dass ich kein teueres Weib mein eigen nenne, kopfschüttelnd und ungläubig von dannen.

Wir nahmen recht herzlichen Abschied von unseren Gastfreunden, deren Bemühungen ich es danke, dass der Aufenthalt in Kanton sich so überaus befriedigend gestaltet hat, und schifften uns auf dem „Tschuen-tiao“ ein, um bei herrlichstem Vollmond — dem besten Feuerwerker auch in China — stromabwärts gegen Macao zu steuern. Von magischem Licht übergossen lag die Landschaft vor uns, die wir auf dem zitternden, glitzernden Tschu-kiang dahinschwammen, und lange genoss ich auf dem Deck das schöne Schauspiel sowie die Wonne, frische Luft atmen zu können.

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  • Ort: Kanton
  • ANNO – am 26.07.1893 in Österreichs Presse.
  • Das k.u.k. Hof-Burgtheater macht Sommerpause bis zum 15. September, während das k.u.k. Hof-Operntheater ein Ballet „Die goldene Märchenwelt“ aufführt.

Canton, 26 July 1893

According to the original plan I should have departed for Macao already during the night but the great interest about Canton that had developed in me, made me ask Mr. Drew to extend his hospitality for another day, especially as I had not fully completed my shopping. As I could easily add a day in Canton from my point of view because we were in advance of our official plan due to the cancellation of Bangkok and as our dear host showed himself very pleased with our intention, our stay was in fact extended for a day.

My first action was to rush into the Chinese city, again in palanquins, to devote my time to furniture dealers and again to painters. We had split into two parties in order to complete all the intended purchases. Until the late afternoon we negotiated, bargained, haggled and bought in the city. And even shortly before our departure we could not stop doing business as a merchant of lace and namely of silk clothing came to visit us on Shamian.

When heaven granted us a friendly sun shine in the afternoon, we drove to a college situated at a side arm of the Pearl river. The college had been built by the previous governor in order to foster Chinese higher education. The foundation consisted of numerous temple-like buildings in a row that were connected by halls and corridors and contained large examination, lecture and conference halls whose walls were covered with sayings out of the writings of sages. One wing of rooms is intended to take in students.

Not far from the college was a village, actually a suburb of Canton with large institutions for the artificial hatching of ducks. In low rooms, the duck eggs are stored in layers in baskets that are stuffed with paper and exposed for about three weeks to a high but regular temperature. After this delay the chirping of the young in the eggs is audible — I have checked this personally — and soon the small ducklings break out of the shell and look astonished out to the world. Quickly placing in a wet environment, they immediately feel at home. The Chinese palate is strangely very keen on nearly hatched eggs and just hatched ducklings so that these hatcheries make good business. Our native cicerone added to their profit by buying some nearly hatched eggs during the visit for his supper.

As Mr. Drew told me during the farewell dinner, during my stay in Canton, there were many questions asked about the foreign prince. In the grilling that Mr. Drew had to endure for my sake the questioners mostly wanted to know how many women I had and having been told that I did not have a single dear wife, they left shaking their head in disbelief.

We said a heartfelt good-bye to our hosts whose efforts I owe that our stay in Canton was so very satisfying and embarked on the „Tschuen-tiao“  in order to steer downstream to Macao at a gorgeous full moon — China’s best fireworker. Illuminated by magical light, the landscape lay in front of us which I enjoyed for a long time on deck, swimming on the shaky, glittering Guangzhouwan, and apreciating the joy of breathing in fresh air.

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  • Location: Canton
  • ANNO – on 26.07.1893 in Austria’s newspapers.
  • The k.u.k. Hof-Burgtheater is closed for summer until 15 September. The k.u.k. Hof-Operntheater is performing a ballet „Die goldene Märchenwelt“.

Kanton, 25. Juli 1893

Mehrere Gänge und Hallen durchschreitend, kamen wir in den Verhandlungssaal des Gerichtsgebäudes. Hier saß der Richter, umgeben von den Mitgliedern des Tribunales, an einem Tisch, vor welchem ein Angeklagter kniete, um einem Verhör unterzogen zu werden; in dieser Stellung hat jener zu verharren, um dem Gericht seine Ehrfurcht zu bezeigen. Rauchend und Tee schlürfend, leitet der Richter die Verhandlung und beginnt das Verhör, wobei er sich eines Dolmetsches bedient; denn der Grundsatz, wonach Beamte gewisser Kategorien nicht in der Provinz ihrer Heimat, sondern nur in anderen Provinzen bestellt sein dürfen, in Verbindung mit dem Umstand, dass die chinesische Sprache in eine Menge von erheblich verschiedenen Dialekten zerfällt, bringt es mit sich, dass sehr häufig jene Beamten sich mit der Bevölkerung ihres Amtsbezirkes nicht unmittelbar verständigen können.

Der Angeklagte stand eines Kuhdiebstahls halber vor Gericht und beteuerte auf die eindringlichen Fragen des Richters stets seine Unschuld, obschon er, wie man uns erzählte, ein bereits öfters abgestraftes Individuum war, was auch sein mit Striemen bedeckter Rücken bewies. Als der Richter sah, dass er durch sein Zureden kein Geständnis erzielen konnte, winkte er einem der Schergen, einem dicken Soldaten mit rohem Gesichtsausdruck, zu dessen Physiognomie ein rundes, aus Stroh verfertigtes Schäferhütchen einen grellen Kontrast bildete, und ließ dem Angeklagten vermittels eines gespaltenen Rohrstocks einen wuchtigen Hieb auf den entblößten Rücken versetzen. Der Unglückliche brach in Heulen und Jammern aus, worauf die erneuerte Frage des Richters folgte, ob jener den Diebstahl einbekenne; da der Inculpat abermals leugnete, wiederholte sich die Prozedur, was so lange währte, als wir in der Halle anwesend waren.

Die chinesischen Gesetze gestatten die Anwendung der Folter, um ein Geständnis zu erpressen, eigentlich nicht, was aber — die Gesetze bleiben eben auch hierin toter Buchstabe — nicht hindert, dass sich die Praxis der Tortur im ausgedehntesten Maß und in der grausamsten Weise bedient, um ein Geständnis zu erzielen, worin die chinesischen Richter die Regina probationis erblicken. Hiebei zeichnen sich die Rechtspfleger nicht nur durch Hartherzigkeit, sondern auch durch Willkür und Bestechlichkeit aus, so dass die Verurteilung eines Reichen zu den größten Seltenheiten gehört.

Während der erste Richter noch immer den des Kuhdiebstahls Angeklagten torquierte, wurde einem anderen, sehr beleibten Jünger der Themis ein Polizist vorgeführt, der beschuldigt erschien, einen Diebstahl nicht verhindert zu haben. Der Angeklagte war ein alter, gebrechlicher Mann, dessen Körper von früher durchgemachten Untersuchungen und erlittenen Strafen her mit Wunden bedeckt erschien, so dass man mit dem Elenden Mitleid haben musste, obgleich aus seinem falschen, frechen Gesicht das Verbrechertum hervorlugte. Diese Verhandlung dauerte sehr kurz und wurde summarisch zu Ende geführt. Der feiste Richter stellte einige barsche Fragen an den Angeklagten, welche dieser, mit der Stirne den Boden berührend, durch Beteuerung seiner Unschuld und den Vorwurf der Ungerechtigkeit des Richters beantwortete; dies erregte aber offenbar den besonderen Zorn des Richters, welcher dem Angeklagten, ohne ihn einer Erwiderung zu würdigen, 100 Stockhiebe diktierte, die sofort verabfolgt wurden. Der Unglückliche jammerte und brüllte entsetzlich, während ihn zwei Mann hielten und zwei andere in der Erteilung der Hiebe abwechselten: stöhnend wandte er sich nach Vollzug der Tortur wieder an den Richter, abermals an der Behauptung seiner Unschuld festhaltend, worauf ihm der Richter unter zynischem Lachen neuerdings 100 Hiebe zu erteilen befahl. Nach dieser fürchterlichen Behandlung sank der Beklagenswerte blutüberströmt zusammen, um dann, durch Polizeisoldaten gestützt, von dannen zu wanken. Die Widerstandsfähigkeit des alten Mannes, dessen Organismus diese furchtbare Marter zu ertragen vermochte, musste das größte Staunen erwecken.

An der Wand des Gerichtssaales hingen außer Stöcken noch andere Folterinstrumente, vor allem das Kia-dsy, jenes viereckige Brett zum Einspannen des Halses, und ein löffelartiges Stück Sohlleder, womit nur Frauen auf den Mund geschlagen werden. Zwei bis drei Hiebe genügen, um den Mund so anschwellen zu machen, dass die Gemarterte oft tagelang weder essen noch reden kann. Wir hatten an den Proben chinesischer Rechtspflege und den hier geschauten Greueln genug und verließen schleunigst diesen Ort, wo jeder Menschlichkeit Hohn gesprochen wird.

Einkäufe zu besorgen, ist in Kanton noch weniger als anderwärts eine leichte Sache. Hatten wir uns durch das Labyrinth der Gassen und Gässchen hindurchgewunden und den gesuchten Laden gefunden, so erforderte das Handeln mit den Verkäufern besonders lange Zeit, da anfänglich von uns ungeheuerliche Preise begehrt wurden; auch Neugierde war recht störend; denn kaum betraten wir einen Laden, so sammelte sich eine Menge Volkes vor demselben, drang sogar ein und ließ sich nicht wegweisen. Vorerst wandte ich mich jenen Verkaufsstätten zu, in welchen die uns unter dem Namen Chinoiserien geläufigen Gegenstände feilgeboten wurden, erwarb hier eine große Zahl schöner Objekte aus Holz sowie aus Bronze und plünderte förmlich einen benachbarten, Porzellanwaren enthaltenden Laden, so dass meine Beute 14 große Kisten füllte. Nicht wenig war ich hier über die verhältnismäßig niedrigen Preise erstaunt, zu welchen es gelang, die Einkäufe abzuschließen, hatte aber allerdings in Clam einen Begleiter, der sich ganz vorzüglich auf das Handeln verstand. Von hier gings zu den Elfenbeinschnitzern und Messinggießern, welch letztere schöne Tempelgefäße anfertigen; hierauf kamen die Maler und Dekorateure an die Reihe, und so durchwanderte ich alle Läden, welche mein Interesse erweckende Gegenstände bargen, bis ich die gewünschte Kollektion ziemlich vollständig beisammen hatte.

Ganz besonders erwähnt zu werden verdienen der Reichtum an Phantasie und der Humor sowie die meisterhafte Geschicklichkeit, mit der die Chinesen Elfenbein schnitzen und Holz für die Darstellung von allerlei Fratzen und Ungetümen verwenden.

Wiederholt hatte ich Gelegenheit, in die primitive Art und Weise der Produktion Einblick zu gewinnen, wobei ich nur manuelle Tätigkeit ohne Zuhilfenahme irgendwelcher maschinellen Behelfe beobachten konnte; denn alles ist hier Handwerk, und wie der Chinese vor Jahrhunderten, vielleicht vor Jahrtausenden gearbeitet hat, so arbeitet er heute; allerdings ist Arbeitskraft reichlich vorhanden und sowohl aus diesem Grund als infolge der enormen Anspruchslosigkeit des Chinesen sehr wohlfeil.

Man braucht sich in Kanton nur von einem Laden zum anderen zu wenden, denn in jedem findet sich Originelles, wodurch die Kauflust angeregt wird. Die Menge von Verkaufsstätten, welche die Straßen Kantons bergen, setzt geradezu in Verwunderung; selbst in den engsten Gässchen, deren eines dem anderen, folgt, findet sich Laden an Laden; jeder ist mit Waren gefüllt, sauber und nett ausgestattet. Die Chinesen verstehen es trefflich, ihren Buden ein reines und geschmackvolles Äußere zu geben, die Waren in einladendster Weise zu gruppieren.
Was überhaupt Reinlichkeit betrifft, so findet man bei den Söhnen des himmlischen Reiches frappante Gegensätze. In Bezug auf äußere Erscheinung, Wohnräume und Verkaufsstätten huldigen die Chinesen großer Sauberkeit, während wir in manch anderer Hinsicht der Verwahrlosung und dem starrenden Schmutz in einem Grad begegnen, dass wir uns angeekelt fühlen. Solche aufeinanderplatzende Kontrast drängen sich bei Rundgängen in Kantons Straßen nur allzu häufig auf.

Die Handwerker derselben Zunft oder Händler, welche gleichartige Artikel feilbieten, finden sich oft zusammen und halten, ohne die gegenseitige Konkurrenz zu fürchten, ihre Läden nebeneinander. So kam ich durch eine lange Gasse, in welcher nur Fächermacher zu sehen waren; eine andere hatten Schuster inne; in einer dritten wurden bloß Feuerwerkskörper feilgeboten u. s. w. Da die Hausaltäre in Kanton eine große Rolle spielen, ist die Bewohnerschaft eines ganzen Stadtviertels damit beschäftigt, Götter zu erzeugen, zu bemalen und all den Flitterschmuck und Kram zu verfertigen, dessen man für die Ausstattung der Altäre bedarf, und auch die phantastisch geformten Dinge, wie Aufsätze, Fahnen, Laternen u. dgl. m. werden hier gemacht, die man bei festlichen Aufzügen unter lärmender Musik durch die Straßen trägt.

Unter den Läden sind jene mit Esswaren zahlreich vertreten, und die Feststellung alles dessen, was da geboten wird, was der Chinese isst, könnte den Gegenstand eines interessanten Spezialstudiums bilden, zu welchem hier noch mehr Gelegenheit geboten ist, als in Hongkong. Alle die Ingredienzen, welche uns bei dem Diner im Blumenboot vorgesetzt worden waren, konnten wir da in natura haben, daneben aber noch eine Menge von Dingen, die, wie Ratten, einen geradezu widerlichen Eindruck machten, oder solche, deren Provenienz ganz unbekannt war und die nicht immer sehr einladend aussahen. Der Chinese ist in der Wahl seiner Nahrungsmittel durchaus nicht engherzig; er ist Omnivore in des Wortes verwegenster Bedeutung, Lieblingsgerichte jedoch scheinen Schweine sowie Enten zu bilden, und wir konnten solche, appetitlich braun gebraten, allenthalben in Läden und Garküchen hängen sehen. Auch Fische spielen in der chinesischen Gastronomie eine Rolle, da sie vielfach feilgeboten werden und zwar in lebendem Zustande, schwimmend in kleinen, mit Zufluss frischen Wassers versehenen Behältern. Ich freute mich, hier zahlreiche Brüder des heimatlichen Gemeinen Karpfens zu finden, muss aber pour l’honneur du drapeau bezeugen, dass unsere Karpfen stärker und wohlgenährter sind als die schmalen chinesischen.

Leider wird in den Straßen Kantons das Geruchsorgan ununterbrochen arg beleidigt; denn Düfte schlimmster Sorte, aller Art und unbestimmbaren Ursprunges schweben in der Luft, vereinigen sich zu einer alles durchziehenden, alles überlagernden, Orten, Dingen und Menschen anhaftenden Odeur de Chine, deren geringste Eigenschaft die Lieblichkeit ist. Und doch würde ich diesen Parfum jenem, der, von verbrannten Hindus und Sandelöl herrührend, eine Spezialität Indiens bildet, noch vorziehen.

Schwer beladen kehrten wir nach Scha-mien zurück, um ein schweigsames Dejeuner mit Mrs. Drew einzunehmen und gleich hierauf das Seidenlager einer deutschen Firma zu besuchen, an der unser Konsulargerent in Hongkong als Compagnon beteiligt ist. Welche Bedeutung der Seidenbau für China erlangt hat, beweist nicht so sehr die Tatsache, dass der Ursprung des Seidenspinners Gegenstand der Mythenbildung geworden ist und eine Göttin des Seidenwurmes sich der Verehrung erfreuen soll, als vielmehr der Umstand, dass Seide neben Tee die erste Stelle in der Ausfuhr aus China einnimmt. Schanghai und sodann Kanton sind die Hauptexportorte für Seide, wie denn auch die Provinz Kiang-(Gjang-)su, deren wichtigster Ort
dermalen Schanghai ist, und die südlich hievon gelegene Provinz Tsche-kiang (Dsche-gjang) in ihren nördlichen Teilen, endlich die Provinz Kwang-tung die größten Quantitäten bester Seide liefern. In der letzteren Provinz ist namentlich die Umgebung von Kanton, überhaupt das westlich von Kanton beginnende und bis Macao sich erstreckende Flussdelta jener Bereich, welcher wertvolle Seide in bedeutenden Mengen erzeugt.

Nicht nur die Rohprodukte der genannten Gebiete, sondern auch deren Fabrikate erfreuen sich guten Rufes. Die größte Berühmtheit genießen in ganz China Seidenmanufacte von Su-tschöu in der Provinz Kiang-su, so dass der kaiserliche Hof in Peking seinen Bedarf ausschließlich aus Su-tschöu deckt; auch in Kanton, in der Schan- tschün-(dschoeTn-) Straße gibt es renommierte Seidenwebereien. In dem Lager, das ich besah, wird die Seide in Zöpfe geschlungen und zu Ballen, deren einzelne einen bedeutenden Wert repräsentieren, verpackt, worauf sie ihren Weg meist nach Frankreich und in die Schweiz nimmt. Ich gestehe, dass ich trotz meines Interesses für die Seidenproduktion, die ja auch in der Heimat eine wenngleich bescheidene Rolle spielt und für deren Hebung in letzterer Zeit viel geschehen ist, mit nicht geringer Befriedigung ein Glas recht gut eingekühlten Champagners akzeptierte, der bei der drückenden Hitze, obschon nur vorübergehend, angenehme Erfrischung bot.

Bei strömendem Regen setzten wir über den Fluss nach der Insel Ho-nan über, um hier zunächst ein Teelagerhaus in Augenschein zu nehmen. China, die Wiege der Teekultur, beherrscht die Produktion auf diesem Gebiet noch immer, obwohl seit geraumer Zeit dem chinesischen Erzeugnisse aus anderen Gebieten, so insbesondere aus jenen von Indien, Ceylon und Japan, fühlbare Konkurrenz entstanden ist; doch gilt auch heute noch der Geschmack des feinen chinesischen Tees jenem der Produkte anderer Länder als weit überlegen. Zugunsten der Erzeugnisse Indiens, Ceylons und Japans fällt aber in die Wage, dass diese Länder billiger zu produzieren in der Lage sind, zum Teil deshalb, weil in China der Tee mit mancherlei Abgaben belastet ist, welche anderwärts nicht oder nicht im gleichen Maß bestehen, ferner dass, wie man glaubt, in China unter dem Einflusse der weichenden Preise die Qualität des Produktes abgenommen, hingegen die des Erzeugnisses anderer Himmelsstriche durch sorgfältige Behandlung sich gehoben hat. Tatsächlich ist in der Ausfuhr an Tee aus China über die Vertragshäfen eine gewisse Stagnation eingetreten.

Schwarzer und grüner Tee unterscheiden sich nicht, wie vielfach angenommen wird, durch die Provenienz von Sträuchern verschiedener Arten, sondern nur durch den Vorgang bei der Behandlung. Der große Abfall von Staubtee, welcher bei der Manipulation mit den Teeblättern entsteht, hat Veranlassung zur Fabrikation von Tee in Ziegelform gegeben, der leicht zu verpacken sowie zu versenden ist und seinen Weg meist zu Land nach Russland findet. Der auch bei uns bekannte Karawanentee ist eben dieser zum Teil als Kamellast transportierte Tee, der nur irrigerweise den besten Sorten beigezählt wird. Die für die Teeproduktion hauptsächlich in Betracht kommenden Gebiete Chinas sind die Provinzen Kiang-su, Tsche-kiang, Fu-kien, Ngan-hwei und Kwang-tung, wo der Tee meist an Abhängen, aber nicht in Plantagen, sondern von einzelnen zwischen Feldern oder horstweise beisammen liegenden Sträuchern gewonnen wird.

Die Chinesen schreiben auch diesem Strauch einen legendarischen Ursprung zu; doch habe ich von einem Teegott oder einer Teegöttin nichts erfahren.

Wir besahen noch zwei im großen betriebene Fabrikationen, nämlich die Erzeugung von Pinseln aus Schweinsborsten, wobei Mädchen zarten Alters tätig sind, und die Flechterei von Strohmatten, welch letzterer Betrieb von besonderem Interesse ist, nicht nur wegen seines Umfanges, sondern auch wegen des kunstgewerblichen Charakters, den er an sich trägt. Matten in Form von Teppichen und Lauftüchern werden hier in den geschmackvollsten Farbenzusammenstellungen sowie in den reizendsten Dessins aus Stroh gewoben und setzen den Käufer durch die Geringfügigkeit der geforderten Preise geradezu in Erstaunen. Wir alle machten hier bedeutende Bestellungen, um in der Heimat Überraschungen zu bereiten.

In einer an einem kleineren Arm des Perlflusses gelegenen Kunstgärtnerei werden in großer Menge und in prachtvollen Exemplaren Blumen aller Art gezogen, ein in Kanton vielbegehrter Artikel: eine Spezialität dieses Etablissements ist die Anzucht von Bäumen und Sträuchern in merkwürdig verschrobenen, verschnörkelten und verkrüppelten Formen. Diese Produkte, welche man als Ausgeburten des Zopfstiles bezeichnen könnte, finden als besondere Zierde von Gärten Verwendung und bezeugen die absonderliche, dem Grotesken zuneigende und doch des Humors nicht entbehrende Richtung des chinesischen Geschmackes. Wir sahen hier in verhältnismäßig kleinen Töpfen ziemlich stark entwickelte Bäume, welche durch fortwährendes Beschneiden und Binden die abenteuerlichsten Formen, solche von Drachen, Löwen, ja selbst jene der menschlichen Gestalt angenommen hatten; eine ganze Reihe von Bäumchen, die menschliche Körper darstellten, trug Köpfe, Hände und Füße aus Porzellan, was denselben ein überaus drolliges Aussehen verlieh. Die Wege in dem Gartenetablissement waren mit spiegelblanken, glasierten Ziegeln belegt, was unter meiner Begleitung einige Stürze zur Folge hatte.

An dem Diner im Hause Mr. Drews nahm auch die Gemahlin unseres Generalkonsuls Haas teil, welche ihrem Gatten von Schanghai her das Geleit gegeben hatte. Ein im Garten abgebranntes originalchinesisches Feuerwerk währte zwei Stunden und wies folgende Programm-Nummern auf:

1. Ein Festmahl bei Seiner Majestät dem Kaiser; 2. die Riesen-Pllaumenblüte; 3. die goldene Ente inmitten eines Lilienteiches; 4. aus dem Mund eines Einhorns springt ein Stück Jadestein, die Geburt des geheiligten Mannes Chinas anzeigend; 5. eine Pagode mit den Namen berühmter Gelehrter; 6. der aufgehende Mond; 7. Fackelzug; 8. Illumination bei Kaisers Geburtstag; 9. ein Karpfen springt über das Drachentor, das Zeichen des höchsten Erfolges; 10. großes Feu de joie; 11. fünf Phönixe im Angesicht der Sonne, das Zeichen kommenden Glückes; 12. Fung-wu (Hong-u), der Gründer des kaiserlichen Hauses der Ming, als Kuhhirt.

All dieser hochtrabenden und mitunter komischen Bezeichnungen ungeachtet, glich eine Nummer der andern aufs Haar, und originell war nur das nach dem Abbrennen emporsteigender Feuerwerkskörper erfolgende Herabfallen ganzer Garben schön bemalter, von innen erhellter und weithin leuchtender Lampions. Den Stolz des chinesischen Stuwer machte die letzte Nummer aus, bei der die Blätter eines pyrotechnischen Baumes unter großem Gekrache bald blau, bald rot erglänzten.

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  • Ort: Kanton
  • ANNO – am 25.07.1893 in Österreichs Presse.
  • Das k.u.k. Hof-Burgtheater macht Sommerpause bis zum 15. September, während das k.u.k. Hof-Operntheater ein Ballet „Excelsior“ aufführt.

Canton, 25 July 1893

Passing through many corridors and halls, we arrived at the courtroom of the courthouse. Here the judge sat, surrounded by the members of the tribunal, at a table in front of which the defendant was kneeling in order to be interrogated. He had to remain in this position to show respect to the court. Smoking and drinking tea, the judge chaired the process and started the interrogation for which he used an interpreter. The principle that public officials of certain categories should not serve in their home province but in another province in connection with the circumstance that the Chinese language is divided into an important number of different dialects  leads to the consequence that the public officials often can not understand directly the population of the district they are assigned to.

The defendant was accused of having stolen a cow and always proclaimed his innocence when answering the insisting questions of the judge, even though he was an individual with a long criminal record. This fact was proved by the welts covering his back. When the judge realized that his words would not produce an admission of guilt, he waved at one of the henchmen, a fat soldier with a hard face whose physiognomy stood in stark contrast to his tiny shepherd’s hat made out of straw, and had the defendant be struck hard with a split cane on his naked back. The unfortunate started to cry and lament. Then the judge repeated his question whether he would admit the theft. As the defendant again lied, the procedure was repeated. This continued like this as long as we stayed in the room.

Chinese law does not actually allow torture to produce confessions, which however — laws here too are but dead letters — does not impede the use of torture in the most extended and cruel way to get to confessions which a Chinese judge considers to be the Regina probationis. The men of the law thus are not only very harsh but also notable for their arbitrariness and venality so that the conviction of a wealthy man is one of the greatest rarities.

While the first judge was still tormenting the defendant regarding the theft of the cow, another, very corpulent disciple of Themis was confronted with a policeman accused of not having prevented a theft. The defendant was an old, fragile man whose body was covered in wounds from prior examinations and incurred punishments so that one felt pity with the miserable man even though his deceptive insolent face gave off a criminal air. The process was over quickly and ended summarily. The fat judge asked the defendant a few curt questions which he answered with the front of his face touching the ground by insisting on his innocence and accusing the judge of injustice. This made the judge especially angry who without replying dictated 100 strokes with the cane that were promptly executed. The unfortunate man wailed and cried horribly while two men held him and two more alternated in applying the strokes. Moaning after the end of the torture, he turned to the judge and insisted on his innocence which made the judge, laughing cynically, award a further 100 strokes. After this horrible treatment the unfortunate man, covered with blood, collapsed and then was led out, swaying and supported by police soldiers. The stamina of the old man whose organism had to tolerate this horrible torture caused great astonishment.

On the wall of the courtroom hung, besides canes, other instruments of torture, especially one called Kia-dsy, a square board to be applied around the neck and a spoon-like shoe leather with which only women are hit on the mouth. Two to three strikes are sufficient to make the mouth swell so that the tortured woman may neither eat nor talk for days. We had seen enough examples of Chinese justice and the horrors seen here and left this place that scorned humanity.

Shopping is in Canton even is even less easy than elsewhere. After we had passed through a labyrinth of alleys and lanes and found the desired shop, the bargaining with the sellers took considerable time as the asked prices started at an exorbitant level. Curiosity was also intruding. As soon as we had entered a shop, a crowd assembled in front of it, entered too and could not be sent away. At first I turned to those shops that sold objects that are known as Chinoiserie at home and bought a large number of beautiful objects made out of wood as well as bronze and formally plundered a porcelain shop nearby so that my catch filled 14 large boxes. I was quite surprised at the relatively low prices we managed to complete our deals but we had Clam as our companion who was very skilled in bargaining. From here we turned to ivory carvings and brass casters who create beautiful temple vessels. Then it was the turn of the painters and decorators and I passed through all the shops that had objects which interested me until I had assembled almost the complete collection I desired.

A special mention is deserved for the wealth of fantasy and humor as well as the masterful skill that the Chinese apply in carving ivory and wood for the depiction of all kind of grotesques and monsters.

Repeatedly I had the chance to witness the primitive way how the objects were produced manually without the assistance of any machines. Everything here is produced by manual labor as the Chinese create today like they might have produced it centuries or even millennia ago. Labor, however, is available in abundance. This reason as well as the enormous frugality of the Chinese is why it is so cheap.

One only has to turn from one shop to the next as in each one there are original things to be found that increases the shopping lust. The number of shops in Canton’s streets is truly astonishing. Even in the most narrow lanes that follow one upon the next there are shops upon shops. Each one is filled with goods, clean and neatly decorated. The Chinese are very good at keeping their shops clean and giving them a tasteful exterior appearance and group the goods in an inviting manner.

As far as cleanliness is concerned, there is a stark contrast among the sons of the Heavenly Kingdom. As far as their external appearance, their rooms and shops are concerned, the Chinese are very dedicated to cleanliness, while we have otherwise been exposed to a state of neglect and fixed dirt at a level that we found disgusting. These clashing contrasts are found all too often during our journeys in Canton’s streets.

The artisans of the same trade or merchants offering the same articles often are found close together and open their shops next to each other without fearing their mutual competition. Thus I came to a long lane in which only fan makers were visible. Another only had shoemakers in it. A third one saw only the sale of fireworks etc.  As the house altars in Canton play an important role, it occupies the population of a full city district to produce gods, paint and decorate it with glittering ornaments and all the stuff required for equipping an altar. Also the fantastically formed things such as fixtures, flags, lanterns etc. are made here and are carried through the streets during festive processions with loud music.

Among the shops the food stores are represented in great numbers. The documentation of all that is offered and that is eaten by the Chinese could be the object of an interesting special study that offers here even more opportunity of observation than in Hongkong. All the ingredients that we were served on the flower boat could be observed in natura besides many other things such as rats that made a really despicable impression or such things whose origin was completely alien and did not always look inviting. The Chinese are not close-minded in the choice of what they eat. He is an omnivore in the word’s most audacious interpretation.

Favorite dishes seem to be pigs and ducks. We could observe them  appetizingly grilled brown hang everywhere in shops and kitchens. Fish too play a role in Chinese cooking as they are often offered and namely still alive, swimming in a small container filled with fresh water. I was happy to find here numerous brothers of our common carp but have to insist pour l’honneur du drapeau that our carps are bigger and better nourished than the slim Chinese ones.

Unfortunately the sense of smell is continuously deeply offended in the streets of Canton. Smells of the worst kind and of all sorts and undetectable origin waft through the air and unite into an all penetrating, all blanketing and sticking to everything, places, things and humans as an Odeur de Chine whose least quality is its loveliness. And still I would prefer this perfume to that of the burnt Hindus and sandalwood oil, a speciality of India.

Heavily laden we returned to Shamian to eat a silent dejeuner with Mrs. Drew and to visit a silk depot of a German company of which our consular agent in Hong Kong owns a part. The importance of silk production for China is not best exemplified by the fact that the origin of silk-weaving has become an object of myth and a goddess of the silkworm is said to be venerated but instead that silk is beside tea the first product among Chinese exports. Shanghai and then Canton are the main silk export places as the province Kiang-(Gjang-)su, whose most important place is Shanghai, and the province to the South of it, Tsche-kiang (Dsche-gjang) in its Northern parts and finally the province of Kwang-tung supply the largest quantities of best quality silk. In the latter province it is namely the surrounding of Canton, actually the area of the estuary from the West of Canton up to Macao which produces valuable silk in important quantities.

Not only the raw products of these regions but also the finished goods have a good reputation. Most famous in the whole of China are the silk manufacture of Su-tschöu in the province of Kiang-su, so that the Imperial Court orders its supplies only from Su-tschöu. In Canton too, Schan-tschün-(dschoein-) Street there are renowned silk manufactures. In the depot I visited the silk is formed into braids and packages into bales, each of which has a considerable value, and then sent on their way mostly to France and Switzerland. I admit that despite my interest for silk production that also plays a role even if a very limited one at home and which has seen many efforts to improve it during the recent years, I accepted a glass of quite well cooled champaign not with minor satisfaction as this provided an agreeable if temporary refreshment given the oppressive heat.

During a rainstorm we crossed the river to the island of Ho-nan in order to observe a tea depot. China is the cradle of tea culture and still is dominant in its production even though for some time the Chinese products are in notable competition with those from other territories, especially those out of India, Ceylon and Japan. But still today the taste of fine Chinese tea is by far considered superior to the products of the other countries. A point in favor of the products of India, Ceylon and Japan is that these countries are able to produce cheaper in part because tea is taxed with all kinds of fees in China that do not exist elsewhere or not to the same extent. Furthermore there is a belief that the sinking prices in China had made them lower the quality of their product while the quality of the products from other regions has been increasing due to careful handling.  In fact the export of tea from the treaty ports out of China has seen a certain stagnation.

Black and green tea do not differ, as is often assumed, in their provenience from different plants but in the way they are treated. The great waste of tea power that is created during the manipulation of the tea leaves led to production of tea in brick form that can be packaged and shipped easily and finds its way on land mostly to Russia. This is also known at home as caravan tea transported in part by camels that is falsely counted among the best qualities. The regions of China best suited for the production of tea are the provinces of Kiang-su, Tsche-kiang, Fu-kien, Ngan-hwei and Kwang-tung where tea is produced mostly on slopes but not in plantations but from individual bushes between fields or in clusters of bushes close together like an aerie.

The Chinese had also developed a legendary origin for this plant. But I have learned nothing about the existence of a tea god or goddess.

We then saw two other productions done at grand scale, namely the production of brushes made out of pig bristles by very tender young girls and weaving straw mats. The latter one was of special interest not only due to its size but also due to its art-industrial character. Mats in the form of rugs and carpets in the most tasteful color combinations and the most delightful designs are woven with straw and really astonish the buyer by the low level of the prices asked. We all gave large orders to create some surprises at home.

In a artistic plant nursery at a smaller arm of the Pearl river all kinds of flowers are grown in large volume and in splendid exemplars, a highly desired object in Canton. A speciality of that establishment was growing trees and bushes in strangely turned, twisted or crippled forms. en. These products that might be said to be the output of the late rococo style are used to decorate gardens and demonstrate the strange Chinese taste for the grotesque that is still not bereft of humor. We saw here in relatively small pots rather strongly developed trees that are continuously cut and bound into the most adventurous forms such as dragons, lions and even human forms. A whole row of trees that formed human bodies had heads, hands and feet made out of porcelain which gave them a very comic appearance. The paths of this garden establishments were laid out with mirror-like, glazed tiles which caused some falls among my companions.

The wife of our consul general Haas also participated in the dinner of Mr. Drew. She had accompanied her husband from Shanghai to here. A firework burned in the garden lasted for two hours and included the following numbers:

1. A feast at His Majesty the Emperor; 2. the giant plum blossom; 3. the golden duck in the middle of the lily pond; 4. out of the unicorn’s mouth jumps a piece of jade, indicating the birth of the holy man of China; 5. a pagoda with the names of famous scholars; 6. the rising moon; 7. a torchlight procession; 8. illumination on the Emperor’s birthday; 9. a carp jumps over the dragon gate, a sign of the highest success; 10. a large feu de joie; 11. five phoenix in view of the sun, a sign of forthcoming good fortune; 12. Fung-wu (Hong-u), the founder of the imperial Ming dynasty as cowherd.

Despite all these grandiloquent and sometimes funny names, one act looked exactly like the next one. Originally was only the fireworks that rose up into the sky after ignition and produced full sheaves of beautifully colored lampions that were illuminated from within and were visible from afar. The pride of these Chinese Stuwer was a numero where the leaves of a pyrotechnic tree glittered first blue and then red with great cracking sounds.

Links

  • Location: Canton
  • ANNO – on 25.07.1893 in Austria’s newspapers.
  • The k.u.k. Hof-Burgtheater is closed for summer until 15 September. The k.u.k. Hof-Operntheater is performing a ballet „Excelsior“.

Canton, 24 July 1893

A German, Mr. Lange, who has been living for many years in China and also knows Canton well has offered his services as a guide for the city which I gladly accepted as a cicerone familiar with the place is irreplaceable if all the interesting places of which there are many in Canton are to be discovered in a short time. Consul general Haas from Shanghai, whose arrival on time had been prevented by a typhoon, joined us too having arrived this morning in Canton as well as Mr. Goetz. Early in the morning the caravan started in palanquins towards the city.

Soon after we had crossed the bridge that separates Shamian from the mainland, a view developed in front of our astonished eyes that is not comparable to the street views in Singapore and Hongkong. At once we had stepped into a completely strange new world, a true, unadulterated Chinese city untouched by European civilization, a city that today still looks as it did since ancient times. The constancy with which the Chinese continue the tracks set by their ancestors and maintain the existing and bequeath it to the coming generations extends to all aspects of life, also to the way people live, to the cities. Enlargement, regulation and  refurbishment of communities seem to be completely unknown things — things only good enough for us barbarians. The sons of the Zhongguo, the „Middle Kingdom“ are deeply rooted towards containing all foreign elements and their influence, even though they had been repeatedly forced to bend to the iron fist of European states and are connected by various trade relations with the old world and know the superiority of Western civilization very well, still there are no signs of a sustained European influence whatsoever that can be detected and this will be also the case for quite some time.

The Chinese, whom I find quite unsympathetic, look back in big-headed illusions to their ancient strange high civilization that has not been copied from another people but whose development process has been completely arrested, The Chinese hold on, with a tough determination, to the gains made centuries and even millennia ago. Their per se commendable conservatism has in this manner led  to a fossilization. Probably only an event with a fundamental effect will manage to create a breach and thus open the way for European civilization — whether that is to the benefit of Europe remains to be seen.

The streets of the city are so narrow that we hardly think it possible. In many main avenues of traffic there is insufficient space for two humans to squeeze past one another with difficulty. Not one of rear passageways in our cities is as narrow as these alleys. The practical Chinese taking the density of the population into consideration is thus an enemy of wasting space. He prefers to squeeze through narrow streets and push to decide to build broader streets. Still the streets of Canton are spacious enough to offer many occurrences so that one requires eyes of Argus to view everything, to observe to catch all impressions that intrude upon the stranger. During the long duration of the journey I have practised and become used to catch new thing but here the amount, the diversity, the color, the liveliness of the images that emerged everywhere, changed, disappeared, returned, impeded themselves and supplanted one another seemed to bewilder the traveler, to benumb and overwhelm him.

Shouting loudly our carriers cleared a path for our palanquins, in the midst of the moving crowd where all classes of the population are present. The coolie carrying burden pushes forward and the hideous beggar struggles to claim space to come close to our palanquins wailing with his collecting box. Other palanquins, closed and ornamented, in which rich Chinese careen around approach towards us. Sidestepping is difficult, a collision unavoidable and a flood of mutual recriminations of the carriers the consequence. A heavily burdened coolie clears a path, the pedestrians are unable to move out of the way quickly enough in order to escape a collision with a box, a bale, a bucket containing water or worse.

Here a marriage procession is approaching, there a funeral cortege. The show-pieces carried in front, the deafening music generates general attention. The crowd rushes together and stops traffic so that only flight into a shop and a stay there is possible until the obstacle is no longer present. Furthermore, as in Hongkong, mobile kitchens and tables are set up alongside the houses. On the tables objects of daily activities are displayed in order to incite a sale even though there are shops upon shops in each of which is lively motion, a constant entering and exiting and no shop misses to have a house altar. In most shops, the goods for sale are also directly produced like in India. Noise of all kind escapes into the street out of these places of assiduous production. There is no end to the knocking, hammering, sawing, planing etc. The houses are covered by vertically hanging signboards of often considerable length and not rarely with an artistic decoration. Who proclaims that a bazaar in India is also an example of active street life has not see a street in Canton!

We guided our steps towards an institution where sick people are cared for ambulant and receive medicine for free while the cost are borne by rich persons. The courtyard of the building and the entrance hall were filled with sick people while two Chinese doctors were working on the balcony with incredibly important means. The art of the local curing artists is said to be at a very basic level and limited to feeling the pulse, bleeding etc. as well as prescribing and handing out quackery. We also saw how the very quick consultations happened. However different the illnesses might have been, the sons of Asclepius always felt the pulse of the patient, brushed some medicinal prescription on a paper and had the patient go away with a kind motion of the hand. The exterior wall of this Chinese general hospital is covered with numerous red papers with brush painted thanks so that here to one finds this color represented that one finds everywhere here besides yellow.

A painter had set up his studio next to the hospital and produces here in a very fine attractive manner natural and pleasingly executed scenes of Chinese lives, myths as well as ships, plants, animals etc. out on a material made out of plant fibers. As the son of the muses was very modest in what he asked for we plundered his studio and left it with a whole load of his productions.

Now we turned to the Chinese „glory grove“ Wa-lem-dsy (Hoa-lin-sy). This temple lies outside the circular wall in the Western suburbs and is said to be one of the wealthiest in Canton which is not difficult to explain as it contain no less than the representation of 500 gods or disciples of Buddha, apparently famous Chinese who have risen to superhuman status thanks to the esteem of their deeds by posterity. Here the believers have a rich choice of heavenly people whose blessings have to be bought. Many a Croesus of Canton might have had this or that reason to turn to one of the gods with a dedication and thus contribute to the wealth of the temple.

Seeing the actual large temple hall is at first glance almost surprising due to the imposing number of five hundred about life-sized and gilded statues that stare down on the intruder from the walls and their square pedestals in the middle of the room. The rich fantasy that has enabled to depict the five hundred beings in individual manner, sometimes drastically so, is astonishing and one encounters the funniest ideas while examining the artworks. Here is a god who is apparently in a very good mood and shows a very amused face. There another one threatens humanity with irate gestures. One, apparently the god of the jokers, whiles away his time by balancing a hat on his nose. Another one turns his attention in a very conspicuous manner towards a goddess positioned next to him who is, it seems, not unaffected. It goes on in a colorful turns in which even a gynecologist would feel very pleased as he would find opportunities to see the most difficult problems solved. Of greatest interest for a European is probably seeing that even the famous Venetian Marco Polo has been placed among Buddha’s disciples and is in a corner spot with an expression of proud dignity. Every god has its own incense cones in front of it.

Viewing so many statues I could not resist a smile. At first I had feared that my hilarity would be negatively interpreted as a profanity and was therefore quite a bit astonished that the accompanying natives joined in heartily in laughing too. In general religiosity in our sense seems not to exist in the Chinese and replaced mostly by all kinds of superstitions as well as fears about evil spirits, while good spirits from whose side nothing was coming were much easier to ignore. This low development of religious sentiment is apparently related that the temples lack the usual spirit of holiness practised at home and huge numbers of noisy playing children run around in them and rushing pedestrians use the temples as public traffic short cuts. Still one can see now and then deeply religious Chinese who murmur prayers in deep meditation, bowing repeatedly and touch the ground with their front and finally ignite incense cones or a strip of paper as a sacrifice to be burned. Or they burn some firework in front of the temple in order to shy away some demons. This display of a pious attitude „à la Stuwer“ which was quite surprising and entertaining to a clueless wanderer who suddenly was faced with whizzing firecrackers around his legs den a. According to the frequency this was occurring, this was a popular custom.

In front of three large Buddha statues that were decorating also Wa-lem-dsy is a small tablet with inscribed wishes for the reigning Emperor that he may live countless years and reign over coming generations. The attention is caught by two pagodas one of which is made out of bronze the other is marble. The latter one has been donated by the Qianlong Emperor who does not meet the ideal of male beauty as the image of the noble donor in front of the Buddha altar revealed.

Continuing our pilgrimage we walked through the maze of small alleys to the temple of the five genii in the upper Tatar city. At the entrance hangs a large bell of a weight of 10.000 pounds in an archway. Its sound is said to announce calamity as it was heard in the whole city during the bombardment of Canton by the English and the French in the year 1857 when one of the first balls struck the bell and broken off a large part. The five genii in the temple hall are figurative representations of contemplative kneeling respectable Chinese in front of whom lay five stones, without doubt meteorites. There is a myth that the five genii had ridden across the sky on the backs of rams and had brought five grains as a symbol of wealth with them. The rams were then transfigured into those stones that are kept in the temple. That is why Canton is also known as the „city of rams“. The ride through the air seems to have been beneficial to the genii. They have a blooming and quite content air while the walls of the temple hall and namely the upper floor has again very evil looking life-sized companions, apparently horrible demons, look down upon the visitor.

As in the other temples the superstition here finds too its „highest fructification without risk“, as everyone is offered the opportunity to take a look into the future. The means for this are very primitive and the attempt is not as dangerous as lifting the veil of the image in Sais. Two of the Chinese methods to discover the secrets of the future are called Tsien and Kao-dsy. In the first one the fortune seeker is given a cup filled with sticks that have signs. The cup is shaken until a stick has fallen out of the cup to the ground. A bonze then presents an oracle saying for the sign, naturally for a high fee.

Kao-dsy is reserved for ladies that want to know whether they will be blessed with children about which they are reliably informed after they have thrown two sticks on  sacrifice table If the two sticks fall so that their ends point towards each other, then this is a clear sign that children will arrive soon while two ends turned away from each other will destroy all hope. As there are moments in the life of a human „where he is closer to the world spirit than otherwise — and will get a free question to ask fate“, I took heart and grasped the cup to throw my oracle. I was informed that I would have  — what a shock — 83 sons!

It is remarkable that the glass of the windows of the temple is replaced by thinly cut shells which are joined in the manner of Old Gothic glass roundels. While they are not transparent they nevertheless let in enough rays of light into the holy rooms. From the first floor of the temple one has a pretty panoramic view of the Tatar city out of which the core of Canton’s garrison is recruited.

Just next to the temple of the genii stands a smaller rather neglected temple which displays a foot print of Buddha impressed in a rock. He must have lived large as the trace was at least one meter long. All kinds of debris is heaped upon this „holy“ place that apparently is not highly respected.

What interests about a particular mosque is not its architecture but the circumstance that it stands at the foot of a hill ornamented by a pagoda and is said to have been the first Muslim house of prayer built in China already during the first half of the 7th century. Since that time, Islam has become the religion of a not inconsiderable part of the population of China that owes its propagation in China to the continuous trade relations between the empire and Arabia.  In the interior, the mosque shows the usual decorations with Arabic inscriptions taken from the Koran. It is connected to a school for boys where the Koran is read in Arabic. A 50 m high  leaning tower that is said to have been built in the year 900 by an Arab traveller met my approval — a feast for the eyes among the sea of houses — and was entwined by the most gorgeous ivy up to the top.

That we didn’t pass a temple of Confucius without visiting is natural. The place devoted to the memory of the sage who started out of humble beginnings and became the archetype of human perfection in the eyes of every educated Chinese, so that his philosophy has become the official philosophy of the government. The display of idols that are in part over-abundant in the up to now visited temples are completely missing here. There are only panels that remind about Confucius and his disciples. They have to be venerated twice a year which is paid by the state. Within certain areas and in larger cities there has to be a temple of Confucius which has to be built according to fixed instructions. In these temples there are no priests employed in contrast to their large number in the places of worship of other religions. It is rather the duty of the highest official to perform a honorable service during certain festive occasions in memory of Confucius and his disciples. The temple we visited also had a practical function as its pillar hall and side buildings served to house poor students for free in order to prepare for their examinations. As elsewhere beggars of all kinds approached the visitors in a very obnoxious manner and only by offering alimony freely one is able to get rid of them.

In order to do all exotic creeds justice we had us carried in our palanquins also to a Taoist temple. This consists of a row of buildings and makes an impression of careful maintenance, as numerous idols were spotlessly clean and beautifully gilded. In astonishing variations we were faced here with the never missing demons one of which was squashing a dog while others threaten humanity with ridiculously formed weapons. Truly artistically executed and of high value are the gorgeous bronze vases and urns that stand on pedestals. They have the purpose to receive the burning sacrificial papers. I was told that these bronzes are produced in a city to the North of Canton that supplies all of China with these master-works. In front of the temple extends a terrace with blooming potted plants among them the rose-red lotus flower is most conspicuous. Walking here I entered into a row of small rooms where numerous idols, apparently of a secondary rank, were located with their altars. The room was fragrant with the burning smell of the incense cones. I enlarged my collection by quickly taking incense cones, fortune telling sticks and sacrificial papers away from a bonze. The priest was at first quite astonished about the sweeping process but then completely reconciled after a corresponding sacrificial offering.

In the Middle Kingdom there apparently does not seem a closure of the nunneries which I concluded after our guide proposed to visit such a convent which I gladly accepted and this project did not meet any resistance. At the entrance of the convent we were received by the abbess and accompanied to the temple where we were offered horrible tea that reminded vividly of chamomile decoction. Around the temple there was a group of tiny, semi-derelict and very dirty houses in which the nuns lived. Curiosity had led some of these women out of their houses. They wore blue clothes and had their heads shaved and made quite a bad impression given the reigning lack of order. The nuns are generally not respected and have a rather low social rank. They buy children of poor people whom they expose to a rather questionable education. Me too the pious women asked to buy some of these children. I could get 25 to 30, 3 to 4 dollars per „piece“. But I declined to enlarge my ethnographic collection like this and left this location after the abbess had asked for alms for the monastery. I had not only not felt uplifted but rather disgusted.

Caring to find a favorable place of burial that promises good fortune is in Chinese thinking a very important activity in which soothsayers play an important role to decide about the suitability of a spot for the peace of the deceased. If somebody dies before the place of rest has been decided, it is necessary to find an interim resting place. The same applies if a Chinese dies outside his homeland. Burying him simply in the place where he died would mean to deprive him of the necessary participation and honoring by the family members during the mourning and funeral procession.

The level of importance assigned to the burial in home ground is shown by the circumstance that the Chinese are very often only willing to work abroad if they are contractually guaranteed that their dead bodies are transported home for burial in case of death abroad. By the way, one also helps oneself by burying those who died abroad in earth that has been brought from home. This lessens the dead’s sad fate of having to rest abroad. For the temporary keep of the dead there are dedicated buildings called Kun-tsoi-tschöngs (Goantsaitschang), that is „hall of caskets“,  which has grown in Canton in numbers and area to the size of a village called the „city of the dead“, Wing-sching-dsy (Jöng-tscheng), situated close to the Eastern gate of the Tatar city. It is surrounded by a wall, has neatly kept paved alleys and is decorated with flowers.The city’s small, narrow houses built out of stone contain one or more chambers in which the bodies are provisionally buried with the usual ceremonies. In each of these chambers that remind of bath changing rooms there is a low frame for the casket in the rear and an altar in front of it on which a tablet with the name of the dead is placed. Tables, chairs and candleholders complete the equipment of these chambers whose walls are draped in white and blue cloth. Depending on the wealth of the families of the dead waiting here for their grave, the equipment and the decoration of the burial chambers is more or less luxurious. The caskets are all lacquered in black and decorated with similar round forms at the corners as we have to come to see them on pagodas. In consideration of the sanitary requirements the caskets are made out of thick wood, filled with quicklime and well closed off with tar pitch.

The makeshift burial in the city of the dead extends for considerable time, even many years but is linked to the condition that an inscription fee and rent are paid. The amount for these services is said to depend on the wealth and the rank of the deceased. Often however the dead are not transferred to the funeral institution but kept in a coffin at home in the house of the deceased for a long time, namely in case if the bereaved are unable to separate themselves from the body of the dear departed. The family sense of the Chinese active beyond the grave plays an important role in the cult of the dead with its high piety for the memory of the dead family members and is the most attractive trait of the yellow people’s character.

From the city of the dead we cast a glance on the „cemetery“ of Canton, as I’d like to call the hill to the North of the city. The Chinese diviners indicate hills, especially if they have views on flowing or standing waters as auspicious grave sites. Therefore the hills rising to the North of Canton are peppered with graves up to the white mountain clouds — in fact it is a cemetery over a huge extended area. Thousands upon thousands of gravestones are glittering towards us, scanty green tufts sprout out of the dust of generations and an eternal melancholy wafts down the hill towards the living, reminding them that they will have to atone  in death for their life.

Along the crown of the city wall we undertook a mountain hike to the Northern part of the city to the five story pagoda of the wall. The value of the wall for defense is, as already mentioned, very low. The bastions and the towers make a very infirm impression and the guns positioned on the walls were part of the most varied systems. These guns are never cleaned and have become rusty and the playground for artfully weaving spiders so that these cannons will be highly unlikely to be used in their original purpose.

At the gate through which the path led to the city wall stood Chinese military. The soldiers wore an inscription of their unit on the front of their dirty uniforms. On the back there was some assurance about the great bravery of the soldier which was probably intended to creat fear in the enemy. It was, however, not clear to me how the brave Chinese will expect a result from this testimonial of bravery as it is applied to the back side of the warrior which an enemy also in China will usually only see when the end of bravery is reached. By the way, such inscriptions on flags, weapons etc. are said to be a common practice in the Chinese army. Halfway on our journey we came to a small Manchu barracks connected to the city wall into which I naturally immediately ventured in. In one room of this military building I surprised the troops at exercising at shooting in the room „with arrow and bow“. A NCO was just instructing recruits in adopting the most funny positions for this „shooting battle“ as a part of the Chinese army seems to be still equipped with the ancient bow and arrow.

Whether and if the command apparently included in a Chinese regulation that the soldiers should display fierce faces to the enemy to support the effects of their weapons is still in effect, I could not resolve. An exercise we observed I found quite puzzling: It was indoor gymnastics with „barbells“ but not with the instruments according to our understanding but with some that consisted of a thick peg at whose end was stuck a stone that reminded me in form and dimension of a millstone. The considerable weight had to be lifted, swung and finally made to turn in circles on the naked neck without the help of the hands — feats of strength worthy of an athlete.

Having finally reached the heights for which we had to climb a steep wooden stairs of the five stories of the pagoda which owed its existence in the 14th century not to religious but to military purposes and now serves as an observation tower. Still there are on the top floor idols and an altar. The traveler visits this pagoda for the panoramic view that is offered. The city lies at its feet. The city offers an impression of a compact mass with its sea of houses of the barely perceptible alleys, surrounded and criss-crossed by the arms of the Pearl river like bands of silver. Endless rice paddies extend in the plain. At a far distance the blue heights and mountain ranges wave towards us. Behind us rise the sad hills of the graves towards the white mountains of clouds. The panorama developing in front of us is missing in light, vivid colors and saturated tones that are produced by luxurious vegetation, in captivating contrasts and still it makes an impression. The eye glances from point to point attracted by the strangeness, by the newness of the image of the city and its landscape. The matt colors that are used to produce this image create a strange attraction of a harmonious image whose elements unite.

The caring Mr. Drew had foreseen the moment when the interest for the sights of Canton would step back behind the closer desire to appease one’s hunger and had us served breakfast in a side building of the Kun-jem temple. In intimate closeness to various Buddhas we rested and drew new force from our snack.

Turning again to the city and what it offered we took a look at the water clock that dates back to the third century AD and is the pride of Canton’s inhabitants. Three metal vessels to which water is led out of a rock are arranged in stages above one another. The cascade from one vessel into the next is so regulated that the level in the lowest vessels indicates the hours.

As I wished to attend one of the notorious Chinese court trials we turned to the courthouse where we however found the hearings already finished so that we had to postpone this project to tomorrow and had to accept as a preliminary replacement to visit the prison next to the administrative building. This presents itself as a long rectangular low building with with connected wings that multiple courtyards in which the larger and smaller cells that resemble barns are situated. We first entered into the department for women who were locked in chains penned together in one cell. The room, the dirt in it, the horrible smells that wafted towards us, the depraved and neglected state of the prisoners combined to a truly horrible impression. The miserable beings asked for alms in real howls of lament. Male prisoners who were also chained we met in a courtyard where they pressed their hands out of the bars where they crowded to catch some gift. The physiognomies of some showed the mark of criminals, of crookedness per se. Hard criminals were placed in a nearly dark cell and were placed under more severe conditions as a punishment as they had to carry a rectangular neck weight made out of heavy boards called Kia-(Gja-)dsy on which the name of the prisoner and his crime were noted. This more severe punishment is a mean torture as the neck board prevents the wearer from lying down and sleeping so that the prisoner can only get some rest despite this torture instrument by using special tools. The impression a visitor receives here is no less repellent than in the women cell. The prisoners apparently also suffer the most from all the dirt that fills the cells, the pestilential smell and, like the women, the deficiency of food.

A strange observation we could make at the gate of the courthouse. The law strictly prohibits gambling in China, a prohibition that enjoys a peaceful coexistence on paper with the impassioned Chinese penchant for games of chance of all kinds and the corruption that rules among the officials. But that just the entrance to a courthouse has been selected as a suitable place for the booths where the games of chance are booming in view of the high officials entering and leaving every day is proof that the corruption of the administration is joined with shamelessness.

Passing the house of the vice king marked by two flag poles and crossing two streets we arrived at the temple of horrors.  Brisk activity, now and then a bad crowding was taking place in front of the temple that consisted out of a number of buildings of which some were dedicated for the use of the priests performing their duties here. Multiple tooth extractors had set up their booths here and decorated them in a neither appetizing nor inviting way by rows of hundreds of extracted teeth on strings. Food sellers and money changers were looking out for business. In rows up to the interior of the temple soothsayers have established themselves. They read the future partly from the face of their clients — physiognomy is booming in China — partly by casting dice into a tortoise shell bowl. The other forms known to us of divining the future are also very lively practised. Each telling of fortune is quickly brushed with ink on a colored paper and given to the client. To these very crooked frauds who do their business here and praise their art on large boards fixed above small tables the noisy people surges in great numbers. Beggars  of all kinds ask for mild alms in the crowd.

The temple owes its name to the images of the punishments used in the Buddhist hell that are shown in the background of the temple hall right and left in chapel-like niches that are closed off with lattice nad bathed in a mythical clair-obscure light. The sinner who is to be shocked and deterred by the presentation of the torture awaiting him is shown a row of very realistically painted images that show the boiling in oil, the crushing and breaking between boards, the sawing into parts, the transformation into animals etc. The developed quite uninviting perspective seems not to miss to have an effect on the  superstitious Chinese as might be concluded by the numerous visits that the temple garners and the votive and appeasement papers affixed everywhere.

From this place of demonstrated anguishes a path led to one of actual torture — behind the examination halls called Kung-jün (Gong-jüe’i’n). The different literary degrees are awarded by passing exams successfully which form part of the most important elements of Chinese government institutions as these grant also the qualification for a government post. The exam for the first degree is held every one and a half year in the whole empire and namely in the capitals of the prefectures. Those of the second degree are held every third year and only in the capitals of the provinces while the candidates for the exam of the third and and fourth degree have to pass them in the empire’s capital. On the eighth day of the eighth month in the respective year the exams for the second degree start for which sometimes up to 10.000 candidates are inscribed.

The path leads trough multiple gates to a wide avenue at whose end are, in an open field, long rows of cubicles,  11.616 in numbers, made out of stone and brick and containing about an area of about 1,5 m2 where the candidates have to produce the written exams in strict seclusion for multiple days. Guards check that there is no cheating. A longer stay in these cubicles must be, even if one does not undergo to pain of writing an exam, not exactly part of the amenities of life. In the center of the area of the cubicle rows rises a hall where the exam commission is assembled. Among them are also two representatives sent fro Peking — a proof of the importance that is given to these examinations.

The candidates that have passed the exam are the object of excellent treatment. They are decorated and are honored in an official banquet. The achieved success is considered so high that the family and the relations of the candidate may participate in the glamor. The whole extended family is joyfully excited which is expressed in large feasts that are held after the return home of the successful candidate. Everybody may attempt to pass the examination for the literary grade whatever class or rank he may be —  except for the children of actors etc.  . This shows a democratic equality of all in terms of their relationship with the governmental institutions. But this comes quickly to an end. „As many are called but few are chosen“. The examination for the second degree in front of a commission pass always only about 100 candidates who are not always those with the best performance but those with the capability to gain the favors of the examiners.

In any case it is astonishing that the examinations about literature open the path to public service both in civil and military affairs. The required level of this knowledge does not go beyond the knowledge of the language, of writing and some acquaintance with the classical texts. What is considered the basics of education at home is considered in China the embodiment of wisdom and preparation for public service, an exception that may be reasonably explained by the difficulty of learning spoken and written Chinese. The number of characters is estimated at 40.000 to 50.000, or even 100.000.

At the end of our journey today it was the turn of visiting a place of execution, a place playing an important role in Chinese criminal justice as the Chinese criminal law is written in blood. Crucifixion and being cut into countless pieces — mitigating circumstances limited them to eight pieces — decapitation and strangulation are the capital punishments of the criminal law. But it seems they are satisfied in using the less cruel forms at present, namely hanging and beheading. Corporal punishments are used frequently and  in the form of strokes with bamboo canes and the form of a bastinado. These punishments can be applied in five levels of intensity.

Other punishments are exile in five levels in terms of duration and transportation for life in three levels of distance. During recent times the number of executions in Canton was 300 annually. In the year 1855, however, there are said to have happened 50.000 executions. During the month we were present there was no execution. Still the place of execution reveals its purpose in a ghastly way as the heads of the criminals are kept there in earthen pots which at least has a chilling effect for the Chinese devoted to Buddhist teachings as these fear any kind of mutilation in their belief that this will affect their appearance in the after-life. Also the common hasty burial of the executed must be horrible for the Chinese as the place of burial is important for the fortune of the dead in the next world.

The henchman approached towards me on his workplace. He was clad in black and seemed to mirror his shady trade in his dark hard face. The assistant judge removed the covering straw bundles from a few of the ominous pots that revealed the grinning heads of the executed, both very well preserved ones and bleached skulls. I had a man asked by consul general Haas whether he knew the number of his victims. He replied that this was not the case but that the number of those he had executed would be about 1000. The fellow smelled, steamed and dripped blood — at least it seemed to me — and offered his tool of the trade for sale, a short broad sword with which he had executed thirty pirates during the past month.

Quite tired and filled with a number of unexpected impressions we returned to Mr. Drew’s villa on Shamian where we met Coudenhove who, coming from Bangkok, finally delivered the mail for which we had longed for four and a half months. In great haste and in joyous expectation the letters were opened, the lines devoured and many a happy and some painful news learned. I found myself disappointed by the number of letters as I had expected more. Not a few friends and acquaintance may have refrained from sending messages in the belief that the wealth of experiences offered during the journey would not make me miss messages from home. How bad is the judgement of those who stay on homeground in regard to the power of home which keeps its attraction even very far away!  The memory of my homeland, of all those who had stayed behind remains fresh and vivid. No impressions may make me forget those and every page, every line, every word from my dear home country is a salute that enters deeply into my heart.

Unfortunately the mail had many sad messages for those of us on board of „Elisabeth“ that  touched our compassion. Thus both adjunct commissary Pietzuk and the oldest marine cadet Sternhardt were informed about the death of their fathers while our brave boatswain Zamberlin learned about the death of his oldest son into whom he had laid all his hopes. Only a few days ago I had promised the brave man that I would assist in getting his son admitted to a cadet school.

The evening of the day was devoted to a culinary curiosity, an original Chinese dinner that Mandarin Ho, a rich Chinese official who was partially able to speak English, was hosting on a large flower boat. In a dining room on the first floor of a flower boat that distinguished itself by its luxurious furniture and rich decoration with flower garlands, the table was set where, apart from me and the host as well as Mr. Drew, also my gentlemen, commander Becker, the other gentlemen of the staff, consul general Haas and furthermore the gentlemen Lange and Goetz had assembled. Everything, the service, especially the cutlery, namely the famous ivory chopsticks, was Chinese originals. The menu too was genuinely Chinese. The use of the chopsticks with which we were not familiar caused much hilarity and we proved quite inept at using them only to finally turn to a much simpler tool — our fingers.

This very strange meal consisted of the following courses: 1. Fresh fruits; 2. dried fruits; 3. fruits with flowers; 4. preserved fruits; 5. candied eggs; 6. candied pears; 7. Mandarin bird nest soup; 8. snow morel soup; 9. pigeon egg soup; 10. grilled shark fins; 11. grilled pheasant; 12. fish stomach soup; 13. grilled wild duck; 14. grilled young bamboo; 15. various cakes; 16. kidney soup; 17. fresh mushrooms; 18. grilled fish; 19. roasted mutton; 20. shark fin ragout and bêche de mer (Trepang); 21. game ragout; 22. mushrooms with vegetables; 23. lily seeds, fresh and candied; 24. various small cakes and dessert. Vine and liquor naturally were not missing either.

As this menu shows, there were actually two complete dinners whose completion also required a suitably long time, namely three hours. Even though an outstanding meal was served according to Chinese ideas, we could not like the taste of East-Asian cooking, the swallowing of some of the dishes even cost some effort. The often praised bird nests and the shark fins, the two pièces de résistance of the dinner, tasted quite similar, namely sticky and like fish oil. The other more consistent dishes were remarkable by their one similar but undefinable taste however different the ingredients might have been. As original beverage tea without sugar was served and a so called wine that actually was a hot liquor and did not please us at all. Our host had in wise anticipation provided some bottles of champaign to add zest to the dinner.

About 20 richly decorated and richly made up young girls were serving us, that is they sat in a circle behind us and watched us, sometimes smiling about our clumsy use of the chopsticks. I had been assigned a „peach blossom“ (Tao-hoa) who was quite apathetic in regard to all activities and only took out a small mirror from time to time to look pleased at her face and renew her make-up. Even 12 cups of the strong Chinese wine that I had the peach blossom drink and a personal feeding of her with lotus flower pits did not change the mood of the beauty. Munching she sat there otherwise stock still like a pagoda until it was her turn to torture our ears, like the other ladies, with hideous singing accompanied by squeaking music.

In order to give the artists some information about the effect of their singing we imitated it and accompanied it with beats of the gong which at first made the Chinese speechless and astonished but they then erupted into a loud laughter that however soon returned to a phlegmatic quietness. The continued musical productions incited our nerves so much that I finally had our interpreter tell the singers that I appreciate their beautiful and even gorgeous performances but asked the ladies with hands held high to finally come to an end. They were probably very outraged internally about the barbarian who was not showing proper respect about their art, but we had achieved our purpose and could turn to the culinary dishes without further disturbances.

Very strange we considered at first the custom that after each course of the meal each participant was handed a hot towel from the girls to be placed on the head. Soon however we had to acknowledge the positive effect of this custom as this caused a very agreeable cooling effect, double welcome in these rooms without ventilation.

After our stomach had given a happy proof of its capability to absorb such a meal, I said good-bye to Peach Blossom who was still munching lotus flower pits in order to drive to the flower boat whose attraction was our crowing friend. Unfortunately he had not managed to separate himself from his penates and I did not meet him in the place where he enacted his show and thus returned to the friendly Shamian where I devoted myself to reading the mail until late in the night.

Links

  • Location: Canton
  • ANNO – on 24.07.1893 in Austria’s newspapers.
  • The k.u.k. Hof-Burgtheater is closed for summer until 15 September. The k.u.k. Hof-Operntheater is performing a ballet „Sylvia, die Nymphe der Diana“.

Kanton, 24. Juli 1893

Ein Deutscher, Herr Lange, welcher schon viele Jahre in China weilt und auch Kanton genau kennt, hatte sich als Führer durch diese Stadt angeboten, was ich dankend annahm, da ein ortskundiger Cicerone gar nicht zu entbehren ist, wenn während eines kurzen Zeitraumes all das Interessante, woran Kanton so reich ist, besehen werden soll. Der Generalkonsul Haas aus Schanghai, dessen rechtzeitiges Eintreffen durch einen Taifun verhindert worden, schloss sich, heute morgens in Kanton eingelangt, uns ebenso an, wie Herr Goetz. Früh am Morgen brach die Karawane in Palankinen nach der Stadt auf.

Kaum haben wir die Brücke, welche Scha-mien mit dem Festland verbindet, überschritten, so entrollt sich vor unserem erstaunten Auge ein Bild, womit die Straßenbilder von Singapur und Hongkong nicht zu vergleichen sind. Mit einem Schlag fühlen wir uns in eine uns völlig fremde, neue Welt, in eine echte, unverfälschte, von europäischer Kultur nicht berührte chinesische Stadt versetzt, die heute wohl noch genau so aussieht, wie in altersgrauen Zeiten. Die Treue,
mit welcher die Chinesen sich in den von den Altvordern beschrittenen Bahnen weiter bewegen, mit der sie das Bestehende erhalten und auf die kommenden Generationen vererben, erstreckt sich auf alle Gebiete des Lebens, auch auf die Wohnungsverhältnisse, auf die Städte; Erweiterung, Regulierung, Assanierung eines Gemeinwesens scheinen hier völlig unbekannte Dinge zu sein — Dinge, die für uns Barbaren gut sein mögen. In den Söhnen des Tschung-kuock (Dschong-koe), des „Reiches der Mitte“, ist, wenngleich sie, durch die eiserne Faust europäischer Staaten wiederholt gebeugt und in vielfachen Handelsbeziehungen mit der alten Welt stehend, die Überlegenheit abendländischer Kultur sehr genau kennen, die Abschließung gegen alle fremden Elemente und deren Einfluss so tief gewurzelt, dass von einer irgendwie nachhaltigen europäischen Einwirkung noch nichts zu verspüren ist und wohl auch noch lange nicht wird die Rede sein können. Die mir recht unsympathischen Chinesen blicken in dünkelhafter Verblendung auf eine uralte, verhältnismäßig hohe, jedenfalls aber eigenartige, nicht einem anderen Volk abgelauschte Kultur zurück, in deren Entwicklungsprozesse jedoch ein vollkommener Stillstand eingetreten ist; an den vor Jahrhunderten, ja, vor Jahrtausenden bereits gemachten Errungenschaften halten die Chinesen mit zäher Beharrlichkeit fest, und ihr an sich achtungswerter Konservativismus ist in dieser Richtung zur Verknöcherung geworden. Wohl nur ein Ereignis von elementarer Wirkung wird hier im Stande sein, Bresche zu legen und so europäischer Kultur Bahn zu brechen — ob zum Wohl Europas, bleibe dahingestellt.

Die Straßen der Stadt haben eine so geringe Breite, dass sie uns kaum möglich dünkt; in vielen Verkehrsadern können sich zwei Menschen nur mühsam aneinander vorbeidrücken, keines der Durchhäuser in unseren Städten ist so schmal wie diese Gassen. Der praktische und der Dichtigkeit der Bevölkerung Rechnung tragende Chinese ist eben ein Feind von Raumverschwendung; er zieht vor, sich durch enge Straßen hindurchzuzwängen und zu schieben, als sich zu einer breiteren Anlage derselben zu entschließen. Dennoch sind die Straßen Kantons hinlänglich geräumig, um eine solche Fülle von Erscheinungen zu bergen, dass es der Augen des Argus bedürfte, um alles zu sehen, zu beobachten, um alle die Eindrücke aufzunehmen, welche auf den Fremdling eindringen. Während der langen Dauer der Reise habe ich mich geübt und gewöhnt, Neues zu erfassen, hier aber wollte die Fülle, die Mannigfaltigkeit, die Buntheit, die Lebendigkeit der Bilder, die allenthalben auftauchten, wechselten, verschwanden, wiederkehrten, sich gegenseitig behindernd und verdrängend, den Wanderer schier verwirren, betäuben, erdrücken.

Unter lautem Geschrei schaffen sich die Träger unserer Palankine Platz, mitten in der sich hin und her windenden Menge, worin alle Schichten der Bevölkerung vertreten sind, der Lasten schleppende Kuli sich vorwärts schiebt und der ekelhafte Bettler nach Raum ringt, um jammernd mit der Sammelbüchse an unsere Tragsessel zu gelangen. Andere Palankine, geschlossen und geschmückt, in welchen reiche Chinesen einherschwanken, kommen uns entgegen; das Ausweichen macht Schwierigkeiten, ein Zusammenstoß ist unvermeidlich und eine Flut gegenseitiger Beschimpfungen der Träger die Folge. Ein schwer beladener Kuli bricht sich Bahn, die Fußgänger können sich nicht rasch genug beiseite drücken, um einer Kollision mit einer Kiste, einem Ballen, einem Kübel, Wasser oder Schlimmeres enthaltend, vorzubeugen.

Hier naht ein Hochzeits-, dort ein Leichenzug; die vorangetragenen Schaustücke, die betäubende Musik erwecken allgemeine Aufmerksamkeit; die Menge drängt sich herbei und sperrt den Verkehr. so dass nur die Flucht in einen Laden und das Verweilen daselbst erübrigt, bis das Hindernis vorbei. Zu all dem sind auch hier wie in Hongkong längs der Häuser mobile Garküchen aufgeschlagen und Tische gestellt, auf welchen verschiedene Gegenstände des täglichen Gebrauches zum Verkauf ausgelegt sind. Dabei reiht sich Laden an Laden, in jedem herrscht lebhafte Bewegung, ein fortwährendes Ein und Aus und in keinem fehlt der Hausaltar. In den meisten Läden werden, wie in den indischen Bazars, die Vekaufsartikel auch erzeugt; Lärm aller Art dringt aus diesen Stätten emsigsten Betriebes auf die Straße; da ist des Klopfens, Hämmerns, Sägens, Hobelns u. s. w. kein Ende. Die Häuser sind bedeckt mit senkrecht herabhängenden Schildern von oft bedeutender Länge und nicht selten geradezu künstlerischer Ausschmückung. Wer etwa behauptet, dass ein Bazar allenfalls in Indien der Inbegriff bewegten Straßenlebens sei, der hat noch keine Straße in Kanton gesehen!

Wir lenkten unsere Schritte einer Anstalt zu, in der auf Kosten reicher Leute Kranke unentgeltlich in ambulatorische Behandlung genommen werden und Heilmittel erhalten; der Hof des Gebäudes und die Vorhalle waren mit Siechen gefüllt, während auf einer Estrade zwei chinesische Ärzte mit ungemein wichtiger Miene ordinierten. Die Kunst der einheimischen Heilkünstler soll sich noch auf einer sehr niedrigen Stute befinden und auf Pulsfühlen, Schröpfen u. dgl. m. sowie auf die Verschreibung und Verabfolgung von Quacksalbereien beschränkt sein. Wir sahen denn auch hier die Ordinationen sich sehr rasch abspielen; denn wie verschieden die einzelnen Krankheitsfälle gewiss auch waren, die Söhne Aesculaps griffen immer nur nach dem Puls der Patienten, pinselten irgend ein Remedium auf einen Zettel und entließen die Kranken mittels gütiger Handbewegung. Die Außenseite dieser chinesischen Polyklinik ist mit zahllosen, auf rotem Papier gepinselten Danksagungen beklebt, so dass sich auch hier jene Farbe vertreten findet, der man sowie der gelben überall wiederbegegnet.

Ein Maler hat neben dem Ambulatorium sein Atelier aufgeschlagen und bringt hier in einer sehr feinen, ansprechenden Manier auf einem aus Pflanzenfasern hergestellten Stoffe naturwahre und nett ausgeführte Szenen aus dem chinesischen Leben, aus der Göttersage sowie Schiffe, Pflanzen, Tiere u. dgl. m. zur Darstellung. Da der Musensohn in den Anforderungen sehr bescheiden war, plünderten wir die Stätte seines Schaffens und verließen dieselbe mit einer ganzen Ladung seiner Erzeugnisse beschwert.

Nun wandten wir uns dem chinesischen „Ruhmeshain“, dem Wa-lem-dsy (Hoa-lin-sy) zu; dieser Tempel, welcher in den westlichen Vorstädten, außerhalb der Ringmauer, liegt, gilt als einer der reichsten in Kanton, was unschwer zu erklären ist; denn er enthält in der Tat die Darstellung von nicht weniger als fünfhundert Gottheiten oder Schülern Buddhas, offenbar berühmter Chinesen, die dank ihren Verdiensten in der Anerkennung der Nachwelt eine übermenschliche Stufe erklommen haben. Hier ist daher den Gläubigen reiche Auswahl unter Himmlischen geboten, deren Wohlwollen erkauft werden muss, und mancher Krösus Kantons mag diese oder jene Veranlassung gehabt haben, sich mittels einer reichen Widmung an eine der Gottheiten zu wenden, so zum Reichtum des Tempels beitragend. Der Anblick der eigentlichen großen Tempelhalle wirkt im ersten Augenblick geradezu verblüffend, wegen der imponierenden Anzahl von fünfhundert Statuen, die, etwas unter Lebensgröße, aus Holz gebildet und vergoldet, von den Wänden und aus der Mitte des Raumes von ihren quadratisch angeordneten Sockeln auf den Eindringling herabstarren. Die Üppigkeit der Phantasie, welche es vermocht hat, die fünfhundert Gestalten mitunter in drastischer Weise zu individualisieren, ist erstaunlich, und man stößt, die Kunstwerke einzeln durchmusternd, auf die drolligsten Einfälle. Hier ist ein Gott offenbar besonders guter Stimmung und zeigt uns eine äußerst vergnügte Miene; dort droht ein anderer mit wütender Gebärde auf die Menschheit herab; jener, offenbar der Gott der Spassvögel, verkürzt sich die Zeit, indem er einen Hut auf der Nase balanciert; dieser wendet in auffallendster Weise seine Aufmerksamkeit der neben ihm postierten Göttin zu, die ihm, wie es scheint, nicht gleichgültig ist, — und so weiter in buntem Wechsel, innerhalb dessen selbst ein Gynäkologe an manchen Darstellungen seine Freude, weil Gelegenheit zur Lösung der schwierigsten Probleme, fände. Dem Europäer gewährt es wohl das größte Interesse, zu sehen, dass auch der berühmte Venezianer Marco Polo als Buddha-Schüler hier Aufnahme gefunden hat und mit dem Ausdruck stolzer Würde einen Eckplatz einnimmt. Jede Gottheit hat ihre Räucherkerzen vor sich stehen.

Bei dem Anblick so mancher der Statuen konnte ich mich des Lachens nicht erwehren; ich hatte anfänglich gefürchtet, dass meine Heiterkeit als Profanation übel gedeutet werden könnte und war daher nicht wenig erstaunt, zu sehen, dass die begleitenden Eingeborenen in mein Lachen herzlich einstimmten. Im allgemeinen scheint Religiosität in unserem Sinn bei den Chinesen nicht vorhanden zu sein und hauptsächlich durch Aberglauben aller Art sowie durch Furcht vor bösen Geistern ersetzt zu werden, während die guten Geister, von deren Seite nichts zu besorgen, leichter ignoriert werden können. Mit dieser Geringwertigkeit des religiösen Sinnes steht es offenbar in Zusammenhang, dass die Gotteshäuser der bei uns gewohnten Heilighaltung entbehren und Scharen lärmender, spielender Kinder sich in denselben umhertreiben, eilende Fußgänger die Tempel als dem öffentlichen Verkehre dienende Durchhäuser benützen. Gleichwohl sieht man ab und zu doch strenggläubige Chinesen, welche ihre Gebete in andächtigster Weise murmeln, sich hiebei wiederholt verneigen und den Boden mit der Stirne berühren, um endlich Räucherkerzen oder einen Papierstreifen als Rauchopfer zu entzünden oder vor dem Tempel irgend einen Feuerwerkskörper abzubrennen und so Dämonen zu verscheuchen. Diese Betätigung frommer Gesinnung „à la Stuwer“, welche für den ahnungslosen Wanderer, dem plötzlich Schwärmer zischend um die Beine schwirren, ebenso überraschend als unterhaltend ist, erfreut sich, nach der Häufigkeit zu urteilen, in der sie auftritt, offenbar großer Beliebtheit.

Vor drei großen Buddha-Figuren, welche auch den Wa-lem-dsy schmücken, liegt eine kleine Tafel mit dem inschriftlichen Wunsch für den jeweils regierenden Kaiser, dass er ungezählte Jahre leben und kommende Geschlechter beherrschen möge. Die Aufmerksamkeit wird hier durch zwei Pagoden erregt, deren eine aus Bronze, die andere aus Marmor; letztere wurde vom Kaiser Kien-lung gestiftet, welcher nicht als Ideal männlicher Schönheit betrachtet werden kann, wie das vor dem Buddha-Altar prangende Bild des hohen Spenders verrät.

Unsere. Wallfahrt fortsetzend, pilgerten wir durch das Gewirr der kleinen Gassen zu dem Tempel der Fünf Genien in der oberen Tartarenstadt. Beim Eingang hängt in einem Torbogen eine große Glocke, deren Gewicht 10.000 Pfund betragen und die durch ihr Erklingen Unheil künden soll; denn dieselbe ertönte in der ganzen Stadt vernehmlich während des Bombardements von Kanton durch die Engländer und die Franzosen im Jahre 1857, als eine der ersten feindlichen Kugeln in die Glocke eingeschlagen und ein großes Stück herausgebrochen hatte. Die Fünf Genien in der Tempelhalle sind figurale Darstellungen biederer, mit untergeschlagenen Beinen beschaulich dasitzender Chinesen, vor welchen fünf Steine liegen, die zweifelsohne Meteoriten sind. Es geht die Sage, dass die Fünf Genien auf Widdern durch die Luft geritten wären und fünf Körner als Symbol des Reichtums mit sich gebracht hätten, worauf die Widder in eben jene Steine verwandelt wurden, welche im Tempel aufbewahrt sind, weshalb denn Kanton auch die „Stadt der Widder“ genannt wird. Der Ritt durch die Luft scheint den Genien wohl bekommen zu haben; sie tragen ein blühendes und recht vergnügtes Aussehen zur Schau, während an den Wänden der Tempelhalle und namentlich im oberen Stockwerk wieder gar finstere Gesellen in Lebensgröße, offenbar fürchterliche Dämonen, dem Besucher entgegendräuen.

Wie in den anderen Tempern findet auch hier der Aberglaube die „höchste Fruktifizierung ohne Risiko“, da jedermann Gelegenheit geboten ist, einen Blick in die Zukunft zu tun; die Mittel hiezu sind höchst primitive, und der Versuch ist nicht so gefährlich wie jener, den Schleier des Bildes zu Sais zu lüften. Zwei der chinesischen Methoden, der Zukunft ihre Geheimnisse zu entreißen, sind Tsien und Kao-dsy benannt. Bei der ersteren wird dem Wissbegierigen ein mit Stäbchen, welche Zeichen tragen, gefüllter Becher gereicht, der so lange zu schütteln ist, bis ein Stäbchen aus dem Becher und zu Boden fällt. Ein Bonze folgt dann, natürlich gegen hohes Entgelt, den dem Zeichen auf dem Stäbchen entsprechenden Orakelspruch aus. Das Kao-dsy ist Damen vorbehalten, welche zu wissen wünschen, ob ihnen Kindersegen beschieden sein wird, was sie zuverlässig erfahren, wenn sie zwei Stäbchen auf einen Opfertisch weifen. Fallen die Stäbchen so, dass die Spitzen derselben einander zugekehrt sind, so gilt dies als sicheres Zeichen bevorstehenden Kindersegens, während die von einander abgekehrten Spitzen jede Hoffnung benehmen. Da es bekanntlich im Leben des Menschen Augenblicke gibt, „wo er dem Weltgeist näher ist als sonst — und eine Frage frei hat an das Schicksal“, fasste ich mir ein Herz und ergriff den Becher, mein Orakel herauszuschütteln. Ich erfuhr, dass mir — o Schreck — 83 Söhne beschert sein würden!

Bemerkenswert ist, dass bei den Fenstern des Tempels das Glas durch dünngeschliffene Muschelschalen vertreten wird, welche wie altgotische Butzenscheiben eingefügt sind und, ohne durchsichtig zu sein, doch einer genügenden Menge von Lichtstrahlen gestatten, in die heiligen Räume einzudringen. Von dem ersten Stockwerk des Tempels bietet sich eine hübsche Rundsicht auf die Tartarenstadt, aus deren Bewohnern sich der Kern der Garnison Kantons rekrutiert.

Hart neben dem Tempel der Genien steht ein kleinerer, ziemlich vernachlässigter Tempel, in dem, in einen Felsen eingedrückt, die Fußspur Buddhas gezeigt wird, der auf einem sehr großen Fuß gelebt haben muss, da die Spur zum mindesten einen Meter Länge hat. Aller erdenkliche Unrat wird auf diese „geheiligte“ Stätte, die sich offenbar keiner besonderen Achtung erfreut, abgelagert.

An einer Moschee ist zwar nicht der Baustil, wohl aber der Umstand von Interesse, dass sie, am Fuß eines durch eine Pagode geschmückten Hügels stehend, als das erste mohammedanische Gotteshaus in China bereits in der ersten Hälfte des 7. Jahrhunderts erbaut worden ist. Seither ist der Islam, welcher seine Ausbreitung in China den zwischen dem Reiche der Mitte und Arabien aufrechterhaltenen Handelsbeziehungen dankt, die Religion eines nicht unbeträchtlichen Teiles der Bevölkerung Chinas geworden. Die Moschee weist im Innern die übliche Ausschmückung durch arabische, dem Koran entnommene Inschriften auf und ist mit einer Schule für Knaben verbunden, in welcher der Koran in arabischer Sprache gelesen wird. Meinen Beifall hat zumeist ein über 50 m hoher, schiefer Turm gefunden, der angeblich im Jahre 900 von arabischen Reisenden erbaut worden und nun — eine Augenweide in dem Häusermeer — bis zur Spitze empor von dem herrlichsten Efeu umrankt ist.

Dass wir an einem Konfuzius-Tempel nicht vorbeigingen, ohne ihn zu besichtigen, ist selbstverständlich. An der Stätte, welche der Erinnerung an den Weisen gewidmet ist, der, von niedrigen Anfängen ausgehend, sich in den Augen jedes gebildeten Chinesen zu dem Urbild menschlicher Vollkommenheit erhoben hat, so dass dessen Philosophie zur Staatslehre geworden ist, fehlen die in den bisher besuchten Tempeln zum Teil im Übermaß vorhandenen Darstellungen von Götzen vollständig. Hier finden sich nur Tafeln, die an Kong-fu-dsy und seine Schüler gemahnen; diesen muss wenigstens zweimal im Jahr auf Staatskosten Verehrung bezeigt werden. Innerhalb gewisser Gebiete und größerer Städte muss ein Tempel des Konfuzius und zwar nach den für die Bauart erlassenen Vorschriften errichtet sein. An diesen Tempeln sind im Gegensatz zu der großen Zahl von Priestern an den Kultusstätten anderer Bekenntnisse keine Gottesdiener bestellt; es ist vielmehr Sache des höchsten Beamten, bei gewissen feierlichen Gelegenheiten den Ehrendienst zur Erinnerung an Kong-fu-dsy und seine Schüler abzuhalten. Der von uns besuchte Tempel dient übrigens noch einem sehr praktischen Zweck, da in den Säulenhallen und Nebengebäuden arme Studenten unentgeltliche Wohnung finden können, um sich für die Prüfungen vorzubereiten. Wie anderwärts, so drängen sich auch hier Bettler aller Art in der lästigsten Weise an den Besucher heran, und nur durch reichliches Almosen vermag man sich ihrer zu entledigen.

Um allen exotischen Bekenntnissen gerecht zu werden, ließen wir uns in unseren Palankinen auch nach einem Tempel der Daoisten tragen; dieser besteht aus einer Reihe von Baulichkeiten und macht den Eindruck sorgfältiger Instandhaltung, da die zahlreichen Götzenbilder in tadelloser Sauberkeit und schöner Vergoldung prangen. In den erstaunlichsten Varianten treten uns hier die nie fehlenden Dämonen entgegen, deren einer einen Hund zermalmt, während andere die Menschheit mit den abenteuerlichst geformten Waffen bedrohen. Wahrhaft künstlerisch ausgeführt und einen hohen Wert repräsentierend sind die herrlichen Bronzevasen und Urnen, welche, auf Sockeln stehend, die Bestimmung haben, die brennenden Opferpapiere aufzunehmen. Wie man mir sagte, werden derartige Bronzen in einer Stadt nördlich von Kanton erzeugt, die ganz China mit diesen Meisterwerken versieht. Vor dem Tempel erstreckt sich eine Terrasse, mit blühenden Topfpflanzen geschmückt, worunter die rosenrote Lotosblume hervorragt. Hier wandelnd, geriet ich in eine Reihe kleiner Gelasse, worin zahlreiche Götzen, offenbar solche zweiter Kategorie, umduftet von dem brenzlichen Geruch der Räucherkerzen, mit ihren Altären untergebracht sind, und bereicherte daselbst meine Sammlung, indem ich kurzerhand einem Bonzen Räucherkerzen, Wahrsagestäbchen und Opferpapier abnahm; der Priester war ob des summarischen Vorganges anfänglich nicht wenig erstaunt, bald aber infolge einer entsprechenden Opfergabe mit demselben völlig ausgesöhnt.

Im Reich der Mitte scheint die Klausur für Nonnenklöster nicht eingeführt zu sein, wie ich daraus schloss, dass unser Führer den gern angenommenen Vorschlag machen konnte, einem solchen Konvent unseren Besuch abzustatten, und dass dieses Projekt in seiner Ausführung auf keinerlei Hindernisse stieß. An der Pforte des Klosters wurden wir durch die Oberin begrüßt und sodann in den Tempel geleitet, wo sie uns greulichen Tee vorsetzte, der lebhaft an einen Absud von Kamillen erinnerte. Rings um den Tempel steht ein Konglomerat winziger, halb zerfallener und äußerst schmutziger Häuschen, in denen die Nonnen wohnen; die Neugierde hatte einige der in blaue Gewänder gehüllten Frauen, deren Häupter kahl geschoren sind, vor ihre Behausungen getrieben, die mir ob des darin herrschenden Mangels an Ordnung einen recht üblen Eindruck hinterließen. Die Nonnen erfreuen sich keiner besonderen Achtung, nehmen überhaupt eine recht untergeordnete Stellung ein und kaufen armer Leute Kinder, denen sie dann eine fragwürdige Erziehung angedeihen lassen. Auch mir muteten die frommen Frauen zu, einige dieser Kinder käuflich zu erwerben, wobei mir versichert wurde, dass ich deren 25 bis 30, das „Stück“ zu 3 bis 4 Dollars, erhalten könne; doch lehnte ich diese Bereicherung meiner ethnographischen Sammlung dankend ab und verließ, nachdem die Oberin mich um eine milde Gabe für das Kloster ersucht, nicht nur nicht erbaut, sondern vielmehr angewidert diesen Ort. um die Totenstadt zu besehen.

Die Fürsorge für einen günstigen, das ist für einen glückverheißenden Begräbnisort ist eine nach chinesischer Auffassung höchst wichtige Angelegenheit, bei deren Entscheidung dem Wahrsager, der über die Eignung einer dem Frieden der Abgeschiedenen günstigen Stelle zu entscheiden hat, eine wichtige Rolle zufällt. Tritt ein Todesfall ein und ist die Wahl der Ruhestätte noch nicht getroffen, so ergibt sich die Notwendigkeit der einstweiligen Beisetzung; das gleiche Bedürfnis liegt vor, wenn ein Chinese außerhalb seiner Heimat das Zeitliche segnet; denn ihn ohne weiters an dem Ort, wo er gestorben, bestatten, hieße ihn der bei der Trauer- und Leichenfeier erforderlichen Teilnahme und Ehrenbezeigung der Familienglieder berauben.

Welche Wichtigkeit der Beisetzung in heimatlicher Erde zugeschrieben wird, beweist der Umstand, dass Chinesen sehr häufig nur dann bereit waren, sich zur Arbeit im Ausland zu verdingen, wenn ihnen vertragsmäßig zugesichert wurde, dass ihre Leichname, im Falle des Ablebens in der Fremde, zur Beisetzung in die Heimat zurückgesendet werden würden.

Übrigens greift man häufig auch zu dem Auskunftsmittel, die im Ausland Verstorbenen in Erde beizusetzen, welche aus der Heimat gebracht wurde; hiedurch wird für den Toten das traurige Schicksal, in der Fremde ruhen zu müssen, gemildert. Für die einstweilige Aufbewahrung der Toten sind eigene Gebäude, die Kun-tsoi-tschöngs (Goantsaitschang), das heißt „Sarghallen“, bestimmt, deren Anzahl und Anlage sich in Kanton zu dem Umfang einer Ortschaft, der in der Nähe des Osttores der Tartarenstadt gelegenen Totenstadt, Wing-sching-dsy (Jöng-tscheng), ausgedehnt hat. Diese ist von einer Mauer umgeben, von reinlich gehaltenen, gepflasterten Gassen durchzogen und mit Anpflanzungen geschmückt; die aus Stein erbauten, kleinen, niedrigen Häuser dieser Stadt enthalten ein Gelass oder deren mehrere, in welchen die Leichname mit den bei Bestattungen üblichen Zeremonien einstweilen beigesetzt werden. In jedem dieser Räume, welche an Badekabinen gemahnen, ist im Hintergrund ein niederes Gestelle für den Sarg und davor ein Altar errichtet, auf den eine Tafel mit dem Namen des Toten gelegt wird; Tische, Stühle und Leuchter vervollständigen die Ausstattung der Gelasse, deren Wände mit weißem und blauem Stoffe drapiert sind. Je nach den Vermögensverhältnissen der Familien, deren Tote hier ihres Grabes harren, ist die Ausstattung und der Schmuck der Leichenkammern mehr oder weniger reich. Die Särge sind durchwegs schwarz lackiert und an den Ecken mit ähnlichen Schweifungen verziert, wie wir sie an den Pagoden zu sehen gewohnt sind. Den sanitären Anforderungen soll dadurch Rechnung getragen sein, dass die Särge aus starkem Holz angefertigt, mit ungelöschtem Kalk gefüllt und gut verpecht werden.

Das Provisorium der Beisetzung in der Totenstadt erstreckt sich oft auf geraume Zeit, ja mitunter auf viele Jahre, ist aber an die Bedingung geknüpft, dass eine Gebühr für Einschreibung und ein Mietzins entrichtet werde; für die Höhe dieser Leistungen sollen das Vermögen und die Rangstellung der Familie des Verstorbenen maßgebend sein. Häufig werden jedoch die Toten nicht der Leichenbewahranstalt übergeben, sondern eingesargt im Sterbehaus selbst lange Zeit hindurch aufbehalten, namentlich dann, wenn die Hinterbliebenen sich von der Hülle des teueren Abgeschiedenen nicht trennen können. Die im Totenkultus sich ausprägende hohe Pietät für das Andenken an die verstorbenen Glieder der Familie ist der über das Grab hinaus wirkende Familiensinn der Chinesen und der mich im Charakterbild der gelben Menschen am meisten ansprechende Zug.

Von der Totenstadt aus werfen wir einen Blick auf den „Friedhof“ von Kanton, wie ich die im Norden der Stadt ansteigenden Hügel nennen möchte. Die chinesischen Wahrsager bezeichnen Anhöhen, insbesondere wenn diese Ausblick auf fließende oder stehende Gewässer bieten, als glückverheißende Grabstätten; daher sind denn jene nordwärts von Kanton aufragenden Hügel weithin, bis gegen die Weißen Wolkenberge mit Gräbern besäet — in der Tat ein Leichenfeld von ungeheuerer Ausdehnung. Tausende und Tausende von Grabsteinen schimmern herüber zu uns, spärliches Grün sprießt hervor aus dem Staube von Generationen und unendliche Melancholie weht von jenen Hügeln herab den Lebenden zu, diese daran gemahnend, dass sie mit dem Tod büßen müssen, gelebt zu haben.

Der Krone der Stadtmauer entlang traten wir eine kleine Bergpartie nach der im nördlichen Teile der Stadt gelegenen Fünfstöckigen Pagode der Mauer an. Der fortifikatorische Wert der Stadtmauer ist, wie schon erwähnt, ein sehr geringer, die Bastionen sowie die Türme machen einen recht wackeligen Eindruck, und die auf den Wällen postierten Geschütze gehören den verschiedensten Systemen an; der Tummelplatz kunstvoll webender Spinnen und mit fingerdickem Roste bedeckt, werden diese Kanonen grundsätzlich nie gereinigt und dürften ihrer Bestimmung wohl kaum mehr zuzuführen sein.

An dem Tor, durch welches der Weg auf die Stadtmauer führt, stand chinesisches Militär. Die Mannschaft trug auf den schmutzigen Uniformen vorne die Bezeichnung des Truppenkörpers, rückwärts jedoch über die Größe der Tapferkeit des Soldaten Versicherungen, die wahrscheinlicherweise den Feind in Schrecken zu setzen bestimmt sind. Hiebei ist mir allerdings nicht ganz klar, in welcher Weise die biederen Chinesen sich eine Wirkung von jenem Zeugnis der Tapferkeit erwarten, da ja dieses doch auf der Kehrseite des Kriegers angebracht ist, welche der Feind auch in China regelmäßig erst dann erblicken dürfte, wenn die Tapferkeit ihr Ende erreicht hat. Übrigens sollen ähnliche, den persönlichen Mut anpreisende Aufschriften auf Fahnen, Waffen u. dgl. m. eine stehende Einrichtung in der chinesischen Armee sein. Auf halbem Weg kamen wir zu einer an die Stadtmauer gelehnten, kleinen Mandschuren-Kaserne, in die ich natürlich sofort eindrang. In einem Raume dieses militärischen Gebäudes überraschte ich die Mannschaft bei dem Exercitium des Zimmerschießens „mit dem Pfeil, dem Bogen“. Ein Unteroffizier war eben beschäftigt, Rekruten in den höchst drolligen Stellungen zu unterweisen, die sie für jenes „Feuergefecht“ einzunehmen hatten; denn ein Teil der chinesischen Armee erscheint noch mit dem altväterlichen Pfeil und Bogen bewaffnet. Ob und inwieweit das angeblich im früheren chinesischen Reglement enthaltene Kommando, wonach die Mannschaft zur Unterstützung der Wirkung ihrer Waffen dem Feind ein grimmiges Gesicht zu zeigen hat, auch jetzt noch in Anwendung steht, konnte ich nicht in Erfahrung bringen. Eine Übung, welche wir hier beobachteten, setzte mich in gerechtes Erstaunen; es war dies zimmergymnastisches Turnen mit „Hanteln“, aber nicht etwa mit so benannten Vorrichtungen nach unseren Begriffen, sondern mit Instrumenten, die aus einem starken Pflock bestanden, an dessen Enden je ein Stein, etwa von der Form und Dimension eines kleinen Mühlsteines, stak. Dieses bedeutende Gewicht musste gestemmt, geschwungen und schließlich auf dem entblößten Nacken ohne Zuhilfenahme der Hände in kreisrunde Bewegungen versetzt werden — Kraftstücke, eines Athleten würdig.

Endlich auf der Höhe angelangt, hatten wir nur noch über eine steile Holztreppe die fünf Stockwerke der Pagode zu erklimmen, welche nicht so sehr religiösen als militärischen Rücksichten ihre Entstehung im 14. Jahrhunderte verdanken und jetzt als Beobachtungsposten dienen soll; gleichwohl befinden sich in der obersten Etage Götzenfiguren und ein Altar. Der Wanderer sucht diese Pagode um des Rundblickes willen auf, der sich hier bietet; denn zu Füßen liegt die Stadt, deren Häusermeer der kaum wahrnehmbaren Gässchen wegen den Eindruck einer kompakten Masse macht, von den Armen des Perlflusses gleich Silberbändern durchzogen und umsäumt; endlos dehnen sich die Reisfelder über die Ebene hin; aus weiter Ferne winken blaue Höhen und Bergketten herüber; hinter uns steigen die traurigen Hügel der Gräber gegen die Weißen Wolkenberge an. Dem vor uns entrollten Panorama fehlt es an den lichten, lebendigen Farben, an den satten Tönen, welche üppige Vegetation hervorbringt, an den fesselnden Gegensätzen, und dennoch macht es Eindruck. Das Auge schweift, durch die Ungewohntheit, die Neuartigkeit des Bildes von Stadt und Landschaft angezogen, in dem weiten Rahmen von Punkt zu Punkt; die matten Tinten, in welchen das Bild gehalten ist, verleihen demselben, harmonisch ineinander fließend, eigentümliche Anziehungskraft.

Mr. Drew hatte in seiner Fürsorge den Augenblick vorhergesehen, in welchem das Interesse an den Sehenswürdigkeiten Kantons hinter dem näher liegenden Streben, den allmählich sich einstellenden Hunger zu stillen, zurücktreten würde, und ließ uns nun ein Frühstück in einem der Nebengebäude des Kun-jem-Tempels servieren. In trauter Nachbarschaft mit verschiedenen Buddhas ruhten wir hier und schöpften aus dem Imbisse neue Kraft.
Uns der Stadt und dem, was sie bietet, wieder zuwendend, besahen wir die Wasseruhr, welche aus dem 3. Jahrhunderte n. Chr. stammt und Gegenstand des Stolzes der Bewohner Kantons ist. Drei Metallgefäße, in welche aus Felsen hervorrieselndes Wasser geleitet wird, sind hier stufenförmig übereinander angeordnet, und der Wasserüberfall aus dem einen dieser Gefäße in das andere ist derart geregelt, dass der Niveaustand in dem untersten Gefäße mittels eines Indikators die Stunden angibt.

Da ich wünschte, einer der berüchtigten chinesischen Gerichtsverhandlungen anzuwohnen, wandten wir uns nach dem Gerichtshaus, wo wir jedoch die Verhandlungen bereits geschlossen fanden, so dass wir dieses Projekt auf morgen verschieben mussten und als vorläufigen Ersatz das bei dem Amtsgebäude befindliche Gefängnis besichtigten. Dieses präsentiert sich als länglich-viereckiger, niedriger Bau, der mehrere mit Höfen versehene, aneinandergrenzende Flügel enthält, in welchen größere und kleinere, an Scheunen erinnernde Zellen angeordnet sind. Wir betraten zunächst die Abteilung für Frauen, die, mit Ketten gefesselt, in einer Zelle zusammengepfercht waren; der Raum, der in demselben starrende Schmutz, die scheußlichen Gerüche, welche uns entgegenströmten, das verkommene, verwahrloste Aussehen der Gefangenen vereinigten sich zu einem geradezu abschreckenden Eindruck; die elenden Geschöpfe flehten in wahren Jammertönen um Almosen. Männliche Häftlinge, die gleichfalls gefesselt waren, trafen wir in einem Hof, an dessen Gitter sie sich herandrängten, um, die Hände hindurchstreckend, eine Gabe zu erhaschen; die Physiognomien einzelner trugen den Stempel des Verbrechertums, der Verworfenheit an sich. Die schwereren Missetäter befanden sich in einer beinahe dunklen Zelle und waren einer Verschärfung der Strafe unterworfen, indem sie aus gewichtigen, viereckigen Brettern angefertigte Kragen, Kia-(Gja-)dsy genannt, auf welchen der Name des Verbrechers und dessen Übeltat ersichtlich gemacht ist, um den Hals zu tragen hatten. Diese Strafverschärfung bildet eine arge Tortur, da der Kragen seinen Träger hindert, zu liegen und zu schlafen, so dass es den Sträflingen nur durch Anwendung besonderer Hilfsmittel gelingen soll, sich ungeachtet dieses Marterwerkzeuges etwas Ruhe zu verschaffen. Der Eindruck, welchen der Besucher hier empfängt, ist ein nicht minder abstoßender als in der Frauenzelle; die Gefangenen leiden offenbar auch da am meisten unter dem Unrat, welcher die Zellen erfüllt, dem pestilenzialischen Gestank und, wie die Frauen, unter dem Mangel an Nahrung.

Eine eigentümliche Beobachtung konnten wir am Tor des Gerichtsgebäudes machen. Das Gesetz verbietet in China strenge jedes Hazardspiel, eine Anordnung, die bei dem leidenschaftlichen Hang der Chinesen für Glücksspiele aller Arten in Verbindung mit der Korruption, welche unter der Beamtenschaft herrscht, ein friedliches Leben auf dem Papier führt; aber dass gerade der Eingang in das Gerichtsgebäude als passende Stelle für die Errichtung von Buden erkoren werden konnte, in welchen das Hazardspiel unter den Augen der täglich ein- und ausgehenden obrigkeitlichen Personen floriert, ist ein Beleg dafür, dass die Bestechlichkeit der behördlichen Organe mit Schamlosigkeit gepaart ist.

An dem durch zwei Flaggenstangen gekennzeichneten Haus des Vizekönigs vorbeikommend und zwei Straßen durchschreitend, erreichten wir den Tempel der Schrecken. Reges Leben, ab und zu selbst arges Gedränge herrschten vor dem Gotteshaus, das aus einer Reihe von Bauwerken besteht, deren einige für die hier ihres Amtes waltenden Priester bestimmt sind. Mehrere Zahnbrecher haben hier Buden aufgeschlagen und diese in weder appetitlicher, noch einladender Weise mit Hunderten gerissener Zähne, welche auf Schnüren aufgereiht sind, geschmückt; Verkäufer von Esswaren und Wechsler trachten Geschäfte zu machen; reihenweise sind bis ins Innere des Tempels Wahrsager etabliert, welche teils aus den Gesichtszügen der an ihre Kunst Appellierenden —. die Physiognomik erfreut sich in China einer hohen Blüte — teils nach Würfeln, die aus einer Schildpattschale geworfen werden, die Zukunft eröffnen; auch die uns schon bekannten Formen der Entschleierung der Zukunft sind in lebhafter Übung; jeder Schicksalsspruch wird rasch mittels Tusches auf farbiges Papier gepinselt und dem Fragenden überreicht. Zu all diesen abgefeimten Schwindlern, die hier ihr Unwesen treiben und ihre Kunst auf großen, oberhalb kleiner Tische befestigten Tafeln anpreisen, drängt sich das lärmende Volk in hellen Scharen herbei. Bettler aller Arten flehen in dem Gewühl um milde Gaben.

Der Tempel hat seinen Namen daher, dass im Hintergrund der Tempelhalle rechts und links in kapellenartigen Nischen, die man mittels Gitter abgeschlossen und in mystisches Clair-obscur getaucht hat, Darstellungen der in der buddhistischen Hölle im Gebrauche stehenden Strafen enthalten sind. Dem Sünder, welcher durch Vorführung der seiner harrenden Martern erschüttert und abgeschreckt werden soll, wird in einer Reihe von sehr realistisch gehaltenen Bildern die Abkochung in siedendem Öl, die Zermalmung, die Zerquetschung zwischen Brettern, die Zersägung, die Verwandlung in Tiere u. dgl. m. dargestellt. Die hier entrollte, wenig einladende Perspektive scheint ihre Wirkung auf die abergläubischen Chinesen nicht zu verfehlen, wie wohl aus dem zahlreichen Besuch, dessen sich der Tempel erfreut, und aus den allenthalben angebrachten Votiv- und Beschwichtigungszetteln geschlossen werden darf.
Von diesem Ort der veranschaulichten Qualen führte der Weg nach einem solchen wirklicher Folterung — nach den Prüfungshallen, Kung-jün (Gong-jue’i’n) genannt. Die verschiedenen literarischen Grade werden durch die erfolgreiche Ablegung von Prüfungen erworben, welche zu den wichtigsten Elementen der chinesischen Staatseinrichtungen gehören, da jene gleichzeitig auch die Fähigkeit zur Erlangung von Staatsanstellungen verleiht. Das Examen für den ersten Grad wird alle anderthalb Jahre im ganzen Reich und zwar in den Hauptstädten der Präfekturen, jenes für den zweiten Grad jedes dritte Jahr und nur in den Hauptstädten der Provinzen abgehalten, während sich die Kandidaten den Prüfungen für die Erlangung des dritten und des vierten Grades in der Reichshauptstadt unterziehen. Am achten Tag des achten Monates beginnen in dem betreffenden Jahre die Prüfungen für den zweiten Grad, zu welchen sich mitunter bis zu 10.000 Kandidaten melden.

Durch mehrere Tore geht der Pfad in eine breite Avenue, an deren Ende auf freiem Feld in langen Reihen Zellen, 11.616 an der Zahl, aus Stein und Lehm erbaut und jede etwa 1,5 Flächenraum umfassend, angeordnet sind, in welchen die Kandidaten unter strenger Klausur durch mehrere Tage die schriftlichen Arbeiten auszuführen haben; Wächter sorgen dafür, dass keinerlei Unterschleif stattfinde. Längerer Aufenthalt in diesen Zellen muss, auch wenn es nicht gilt, sich der Pein einer Prüfung zu unterziehen, nicht eben zu den Annehmlichkeiten des Lebens gehören. In der Mitte des von den Zellenreihen gebildeten Raumes erhebt sich eine Halle, in welcher sich die Prüfungskommission versammelt, der unter anderen auch zwei aus Peking entsandte Mitglieder angehören, — ein Beweis der Wichtigkeit, die man diesem Examen beilegt.

Die Kandidaten, welche die Prüfung bestanden haben, sind Gegenstand besonders auszeichnender Behandlung, indem sie dekoriert und bei einem offiziellen Bankette gefeiert werden. Der erzielte Erfolg wird so hoch angeschlagen, dass er auch der Familie und Verwandtschaft des Kandidaten einen gewissen Glanz zu verleihen vermag und die ganze Sippe in freudige Aufregung versetzt, die in großen, bei der Rückkehr des Approbierten in die Heimat abgehaltenen Festen zum Ausdruck kommt. Um die Erlangung der literarischen Grade durch Ablegung der Prüfungen kann sich jedermann, wes Standes und Ranges er sei, — mit Ausnahme der Kinder von Schauspielern u. dgl. m. — bewerben. Hierin zeigt sich eine demokratische Gleichheit aller vor den Staatseinrichtungen; doch hat dieselbe bald ein Ende. „Denn viele sind berufen, wenige aber auserwählt“; die Prüfung für den zweiten Grad bestehen vor jeder Kommission immer nur etwa 100 Kandidaten, welche nicht immer die besten den Leistungen, als vielmehr der Fähigkeit nach sein sollen, sich die Gunst der Prüfenden zu erwerben.

Jedenfalls ist es verwunderlich, dass Prüfungen über literarische Kenntnisse den Weg zu den Stellen im öffentlichen Dienste, sei es Zivil-, sei es Militärdienst eröffnen, und auch das geforderte Maß dieser Kenntnisse geht über die Beherrschung der Sprache, der Schrift und einige Bekanntschaft mit den Klassikern nicht hinaus. Was bei uns zu den Rudimenten der Bildung gehört, macht daher in China den Inbegriff der Weisheit und Vorschulung für den Staatsdienst aus, eine Absonderlichkeit, die einigermaßen aus der Schwierigkeit erklärlich wird, welcher die Erlernung und Beherrschung des Chinesischen in Wort und Schrift begegnet; die Zahl der Schriftzeichen wird auf 40.000 bis 50.000, ja selbst bis auf 100.000 geschätzt.

Am Schluss des heutigen Rundganges kam die Besichtigung der Richtstätte an die Reihe, eines für die Handhabung der chinesischen Kriminaljustiz wichtigen Ortes, da der Strafkodex in China mit Blut geschrieben ist. Kreuzigung und Zerschnittenwerden auf eine Unzahl von Stücken, — bei mildernden Umständen auf nur acht Teile — Enthauptung und Erdrosselung bilden die Kapitalstrafen des peinlichen Rechtes; doch scheint es, dass man sich gegenwärtig mit den minder grausigen Formen derselben, namentlich mit dem Hängen und Köpfen, begnügt. Von der körperlichen Züchtigung wird reichlicher Gebrauch gemacht und zwar durch Schlagen mit Bambusrohren sowie in Form der Bastonnade; diese Strafen können in fünf verschiedenen Graden der Verschärfung appliziert werden. Andere Strafen bilden die Verbannung in fünf Abstufungen der Dauer nach und die Transportation auf Lebenszeit in drei Graden der Entfernung. In der letzten Zeit betrug die Zahl der Hinrichtungen in Kanton durchschnittlich im Jahre 300, im Jahre 1855 sollen jedoch 50.000 Todesurteile vollstreckt worden sein. Während des Monates, in welchen unsere Anwesenheit fällt, finden keine Exekutionen statt; gleichwohl verrät die Richtstätte ihre Bestimmung in gruseliger Weise, da die Köpfe der Delinquenten daselbst in irdenen Töpfen aufbewahrt werden, was wenigstens auf die der buddhistischen Lehre huldigenden Chinesen einen nicht wenig abschreckenden Eindruck machen muss; denn diese fürchten jede Verstümmelung in dem Glauben, dass dieselbe sich auch auf die Erscheinung des Körpers im Jenseits erstrecken werde. Ebenso muss die übliche Verscharrung der Leichname Gerichteter den Chinesen, da diese dem Ort der Bestattung für das Glück des Abgeschiedenen in der besseren Welt so große Bedeutung beilegen, ein Greuel sein.

Der Henker kam mir auf der Stätte seiner Wirksamkeit entgegen; er war schwarz gekleidet und schien in seinen finsteren, harten Zügen das düstere Handwerk, dem er obliegt, zu spiegeln. Der Nachrichter hob von einigen der ominösen Töpfe die sie bedeckenden Strohbündel ab, worauf mir die Köpfe der Justifizierten, und zwar sowohl ziemlich gut erhaltene als auch gebleichte Schädel, entgegengrinsten. Ich ließ den Mann durch Generalkonsul Haas unter anderem befragen, ob er sich der Zahl seiner Opfer entsinne, worauf er erwiderte, dass dies wohl nicht der Fall sei, die Zahl der von ihm Gerichteten aber etwa 1000 betragen dürfte. Der Kerl roch, dampfte und troff von Blut — so wenigstens schien es mir — und bot das Werkzeug seines Waltens, das kurze breite Schwert, mit dem er im abgelaufenen Monate dreißig Piraten gerichtet hatte, zum Kauf an.

Recht ermüdet und erfüllt von der Menge ungeahnter Eindrücke, kamen wir endlich wieder auf Scha-mien in Mr. Drews Villa an, wo wir Coudenhove antrafen, welcher, aus Bangkok kommend, uns endlich die seit vierthalb Monaten ersehnte Post überbrachte. In größter Hast und mit den freudigsten Gefühlen wurden die Briefe geöffnet, die Zeilen verschlungen, manch freudige, manch schmerzliche Kunde vernommen. Ich fand mich durch die Zahl der Briefe enttäuscht, da ich deren mehr erwartet hatte. Nicht wenige Freunde und Bekannte mögen wohl unterlassen haben, Nachricht zu geben, glaubend, dass die Fülle dessen, was sich auf der Reise bieten würde, Botschaften aus der Heimat nicht vermissen lassen könne. Wie schlecht beurteilen jene, die auf vaterländischem Boden weilen, die Macht der Heimat, die auch in weiter Ferne an sich fesselt! Die Erinnerung an das Vaterland, an alle, die dort zurückgeblieben, bleibt frisch und lebendig, keinerlei Eindrücke vermögen jene verblassen zu machen, und jedes Blatt, jede Zeile, jedes Wort aus der teueren Heimat ist ein tief ins Herz dringender Gruß.

Leider hatte die Post manchem der Unsrigen an Bord der „Elisabeth“ recht traurige, unser Mitgefühl erregende Botschaft gebracht; so hatten der Kommissariatsadjunct Pietzuk und der älteste Seekadet Sternhardt den Tod ihrer Väter, unser braver Bootsmann Zamberlin jenen seines ältesten Sohnes, auf den er seine ganze Hoffnung gesetzt, erfahren. Erst wenige Tage zuvor hatte ich dem wackeren Mann versprochen, mich für die Aufnahme dieses Sohnes in eine Kadettenschule zu verwenden.

Der Abend des Tages war einem kulinarischen Kuriosum, einem original-chinesischen Diner gewidmet, welches ein reicher chinesischer, des Englischen teilweise mächtiger Beamter, der Mandarin Ho. auf einem großen Blumenboot veranstaltet hatte. In dem im ersten Stockwerk eines Blumenbootes gelegenen Speisesaal, welcher sich durch luxuriöse Einrichtung und reiche Ausschmückung mittels Blumengirlanden auszeichnete, war die Tafel gedeckt, zu der sich außer mir und dem Gastgeber sowie Mr. Drew noch meine Herren, Kommandant Becker, die anderen Herren vom Stab, Generalkonsul Haas, ferner die Herren Lange und Goetz eingefunden hatten. Alles, das Service, insbesondere das Besteck, nämlich die bekannten elfenbeinernen Stäbchen, und das Menu waren original-chinesisch. Der uns ungewohnte Gebrauch der Stäbchen rief viel Heiterkeit hervor, da wir uns in der Handhabung derselben recht unbeholfen erwiesen und endlich zu einem noch viel einfacheren Hilfsmittel unsere Zuflucht nahmen — zu den Fingern.

Das höchst merkwürdige Mahl bestand aus folgenden Gängen: 1. Frische Früchte; 2. getrocknete Früchte; 3. Früchte mit Blumen; 4. eingemachte Früchte; 5. kandierte Eier; 6. kandierte Birnen; 7. Mandarin-Vogelnestersuppe; 8. Schneemorchelsuppe; 9. Taubeneiersuppe; 10. gebratene Haifischflossen; 11. gebratene Fasanen; 12. Fischmagensuppe; 13. gebratene wilde Enten; 14. gebratene junge Bambus; 15. verschiedene Kuchen; 16. Nierensuppe; 17. frische Pilze; 18. gebratene Fische; 19. Hammelbraten; 20. Ragout von Haifischflossen und Beche de mer (Trepang); 21. Wildragout; 22. Pilze mit Gemüsen; 23. Liliensamen, frisch und kandiert; 24. verschiedene kleine Kuchen und Dessert. Weine und Liqueure fehlten selbstverständlich auch nicht.

Wie sich aus dem Menu zeigt, handelte es sich eigentlich um zwei vollständige Diners, deren Bewältigung auch entsprechend lange Zeit, nämlich drei Stunden erforderte. Obschon ein nach chinesischen Begriffen vorzügliches Mahl serviert worden war, konnten wir der Küche Ostasiens doch keinen Geschmack abgewinnen, ja das Hinabwürgen einzelner Gerichte kostete geradezu Überwindung. Die vielgerühmten Vogelnester und die Haifischflossen, die beiden Pieces de resistance des Diners, schmeckten ziemlich ähnlich, nämlich klebrig und tranig; die übrigen konsistenteren Speisen zeichneten sich, wie verschieden auch die Ingredientien sein mochten, durch einen und denselben undefinierbaren Geschmack aus. Als Originalgetränke wurden ungezuckerter Tee und ein sogenannter Wein serviert, der sich aber als scharfer Liqueur erwies und uns gar nicht mundete, was den Gastgeber in weiser Voraussicht veranlasst hatte, für die Würze des Mahles durch einige Flaschen Champagner zu sorgen.

Etwa 20 reichgeschmückte und reichgeschminkte, junge Mädchen besorgten die Bedienung, das heißt sie setzten sich im Kreis hinter uns nieder und betrachteten uns, manchmal über unsere Ungeschicklichkeit beim Gebrauch der Stäbchen lächelnd. Mir war eine „Pfirsichblüte“ (Tao-hoa) zugeteilt worden, die sich allen Vorgängen gegenüber sehr teilnahmslos verhielt und nur von Zeit zu Zeit einen kleinen Spiegel hervorzog, um sich wohlgefällig zu beschauen und ihre Schminke zu erneuern. Auch 12 Schalen des starken chinesischen Weines, die ich von der Blüte leeren ließ, und eine von mir eigenhändig vorgenommene Fütterung mit Lotosblumenkernen brachten auf die Gemütsstimmung der Schönen keine Wirkung hervor; knuspernd, im übrigen unbeweglich wie eine Pagode, saß sie da, bis die Reihe an sie kam, den anderen Damen gleich unsere Ohren durch greulichen, von einer quiekenden Musik begleiteten Gesang zu martern. Um den Künstlerinnen eine Ahnung von der Wirkung ihres Gesanges beizubringen, ahmten wir denselben nach und begleiteten uns hiebei durch Schläge auf einen Gong, worüber die Chinesinnen zuerst sprachlos vor Erstaunen waren, um dann in ein schallendes Gelächter auszubrechen, das aber bald wieder ihrer phlegmatischen Ruhe wich. Die fortgesetzten musikalisehen Produktionen wirkten so erregend auf unsere Nerven, dass ich schließlich den Sängerinnen durch den Dolmetsch sagen ließ, ich fände zwar ihre Leistungen wunderschön, ja ganz vorzüglich, bäte die Damen aber mit aufgehobenen Händen, davon endlich abzulassen. Wahrscheinlich waren sie in ihrem Innern über die Barbaren, welche ihre Kunst nicht würdigten, sehr entrüstet; doch hatten wir unseren Zweck erreicht und konnten uns nun ungestört den kulinarischen Genüssen zuwenden.

Ganz eigentümlich schien uns anfänglich der Gebrauch, dass während des Diners nach jedem Gang den Mitgliedern der Tafelrunde von den Mädchen heiße Tücher gereicht wurden, bestimmt, auf den Kopf gelegt zu werden; bald aber mussten wir die wohltuende Wirkung dieser Sitte anerkennen, da hiedurch eine äußerst angenehme Abkühlung erzielt wurde, die in dem der Ventilation entbehrenden Raum doppelt willkommen war.

Nachdem unsere Magen durch die glückliche Bewältigung des Mahles eine Probe ihrer Leistungsfähigkeit abgelegt hatten, nahm ich von der noch immer Lotosblumenkerne nagenden Pfirsichblüte . Abschied, um nach dem Blumenboot zu fahren, dessen Zierde unser krähender Freund ist. Leider hatte dieser sich offenbar von seinen Penaten nicht trennen können, ich traf ihn auf der Stätte, wo er seinen Humor zu entfalten pflegt, nicht an und kehrte nach dem freundlichen Scha-mien zurück, um bis tief in die Nacht der Lektüre der Postsendung zu obliegen.

Links

  • Ort: Kanton
  • ANNO – am 24.07.1893 in Österreichs Presse.
  • Das k.u.k. Hof-Burgtheater macht Sommerpause bis zum 15. September, während das k.u.k. Hof-Operntheater ein Ballet „Sylvia, die Nymphe der Diana“ aufführt.

Hongkong — Kanton, 23. Juli 1893

Jeder in Hongkong befindliche Europäer trachtet, Kanton, die am Tschu-kiang oder Perlfluss gelegene Stadt, zu besuchen, welche ihren ursprünglichen, original-chinesischen Charakter noch vollständig bewahrt hat und daher eine Menge neuer und interessanter Eindrücke bietet. Die Erfüllung meines Wunsches, diese merkwürdige Stadt zu sehen, wurde durch die chinesische Seezollbehörde ermöglicht, welche so freundlich war, mir einen ihrer Dampfer, den Finanzkreuzer „Tschuen-tiao“, für die Fahrt zur Verfügung zu stellen; denn ohne diese Zuvorkommenheit hätte der Ausflug heute nicht angetreten werden können, da Sonntags die Passagierdampfer nicht verkehren. Bei strömendem Regen und dichtem Nebel schiffte ich mich mit unserem Kommandanten sowie den Herren des Stabes, Scala, Ramberg und Dr. Plumert, ein.

Der Kommandant des Finanzkreuzers, ein englischer Handelskapitän, durch welchen drei nach dem Typus des „Tschuen-tiao“ gebaute Dampfer in der unglaublich kurzen Zeit von 28 Tagen von England nach Hongkong gebracht worden waren, — eine seemännische Leistung, auf die er mit Recht stolz sein darf — hatte sein Schiff so schmuck instand gesetzt, dass es sich „wie aus dem Schachterl“ präsentierte; alles spiegelte, blitzte und glänzte, dass es eine Freude war. Die Finanzkreuzer, Fahrzeuge von 500 bis 700 t Gehalt, haben die Aufgabe, den in den chinesischen Gewässern sehr schwunghaft betriebenen Schmuggel, besonders mit Opium und Salz, hintanzuhalten, und sind daher mit vorzüglichen Maschinen versehen, sowie entsprechend armiert. Unser „Tschuen-tiao“ führte zwei 9.5 cm Armstronggeschütze und zwei Schnellfeuerkanonen. Ein recht hübscher Salon diente als Speisezimmer, während ich die Kajüte des Kapitäns, die mir dieser abgetreten hatte, als Wohnraum bezog.

Bei der Durchquerung des Hafens von Hongkong kamen wir an einem vor wenigen Tagen gesunkenen Dampfer vorbei, dessen Masten und Rauchfang traurig aus dem Wasser ragten. Dieser Dampfer, „Amigo“, war von einem eigentümlich tragischen Schicksal ereilt worden; er hatte vollbeladen Jokohama mit dem Kurs auf Hongkong verlassen, und schon nach zwei Tagen lief hier die telegraphische Nachricht ein, der „Amigo“ sei bei einem Taifun von einem anderen Schiff gerammt worden und gesunken. Doch erwies sich die Nachricht als falsch; denn nach weiteren drei Tagen erschien das Fahrzeug wohlbehalten im Hafen von Hongkong und wollte sich eben vertäuen, um Ladung zu löschen, als es von einem anderen Dampfer mitten im Hafen tatsächlich gerammt wurde und binnen weniger Minuten sank. Dieser Unglücksfall zog überdies den Verlust von Menschenleben nach sich, da mehrere Kinder ertranken.

In der Nähe der Unglücksstelle lag auch ein sehr stark havariertes, großes Segelschiff, welches in einem schweren Taifun alle vier Masten verloren hatte und als Wrack auf dem Ozean herumgetrieben war, bis ihm glücklicherweise ein Dampfer begegnete, welcher es in den Hafen schleppte.

Der Kurs führte zwischen dem Festland und Lantao, dann durch ein Gewirr von anderen Inseln hindurch, bis wir endlich die Mündung des Perlflusses erreichten, ohne jedoch von dieser oder von dem Festland viel wahrnehmen zu können, da Regen und Nebel die Aussicht fast gänzlich verwehrten.

Bei der Mündung des Flusses, der Bocca Tigris, erheben sich auf beiden Ufern dunkle, kahle, nur stellenweise mit spärlicher Moosdecke überzogene Felsberge, welche mit Befestigungen versehen sind, die mit modernen, namentlich Krupp’schen Geschützen bestückt sein sollen. Ob diese Fortifikationen gleichwohl einem energischen Versuch vorzudringen nachhaltigen Widerstand leisten können, will ich dahingestellt sein lassen, halte aber, nur nach dem Anblick aus der Entfernung urteilend, die Anlage der Batterien für veraltet und vernachlässigt; den
gleichen Eindruck machte mir auch eine Reihe von weiter stromaufwärts liegenden Befestigungen, die auf Hügeln placiert sind, welche dem Boden entsteigen.

Hinter Bocca Tigris verflacht die Gegend, Reisfelder bedecken die Ebene — kein malerisches Bild. Von einem Hügel blickt eine sieben Stockwerke hohe Pagode — die erste, die wir zu Gesicht bekamen — auf den Fluss, und wir begrüßen in ihr ein uns von allen Chinoiserien her geläufiges Symbol des himmlischen Reiches. Ab und zu erschauen wir kleine Ortschaften.
An einigen Stellen ist der Fluss durch Barrikaden von Pfählen, in welchen nur eine schmale Passage frei geblieben ist, gesperrt — eine Frucht der Erfahrungen, die China in den Konflikten mit europäischen Mächten gemacht. Seit Errichtung dieser Flusssperren hat Whampoa, in früherer Zeit der Ankerplatz aller Schiffe, später aber verödet und verfallen, wieder an Bedeutung gewonnen, da Fahrzeuge, deren Tiefgang und Tonnengehalt eine gewisse Grenze überschreiten, die Flusssperre nicht passieren können und gezwungen sind, in Whampoa vor Anker zu gehen.

Der Kapitän wählte, um Kanton zu erreichen, nicht den in der Regel benützten Whampoa-Kanal, sondern die südlichere Blenheim-Passage, und endlich lag, nachdem schon geraume Zeit vorher das häufigere Auftauchen von Ansiedlungen und der gesteigerte Verkehr auf dem Fluss die Nähe der großen Stadt deutlich genug angekündigt hatten, diese vor uns.

Kanton, Kwang-tschau (Goang-dschöu)-fu, in den Jahren 1859 bis 1861 bekanntlich in französisch-englischem Besitz, soll der Bevölkerungsziffer nach die erste Stadt des chinesischen Reiches sein, da die Zahl der Einwohner 1,5 Millionen übersteigt. An dem nördlichen Ufer des Whampoa-Kanales, einem Arm des Perlflusses gelegen, ist Kanton die Hauptstadt der Provinz Kwang-tung (Goang-tong) und der Sitz des Generalgouverneurs der beiden Kwang (Goang)-Provinzen. In der Geschichte des Handels mit Ostasien nimmt Kanton eine hervorragende Stellung ein, und durch Jahrhunderte war in dieser Stadt der nach dem Westen gerichtete Handel Chinas konzentriert, welchem die Portugiesen den Weg eröffnet, die Engländer einen hohen Aufschwung gegeben haben. Aber erst der Vertrag von Nanking vom 29. August 1842 hat den kommerziellen Verkehr mit China von den auf ihm lastenden Beschränkungen und aus der eigentümlichen Form, welche er in Kanton angenommen hatte, befreit und ihm eine neue Verfassung verliehen; denn damals wurden mehrere Häfen — in der Folge traten noch andere hinzu — dem auswärtigen Handel eröffnet, die Ansiedlung fremder Kaufleute auf hiezu bestimmten „Konzessionen“ gestattet, Konsuln zugelassen u. dgl. m. Seit dieser Zeit hat Kanton, eben nicht mehr der ausschließliche Platz für den Handel nach dem Westen, an Bedeutung verloren, und auch das immer steigende Aufblühen Hongkongs hat die kommerzielle Wichtigkeit jenes Platzes nicht wenig beeinträchtigt.

Die Stadt ist von einer 16 km langen, 12 m hohen Ringmauer umschlossen, deren breite Krone mit zahlreichen Geschützen bewehrt ist; doch können diese Fortifikation und deren Zustand einem europäischen Soldaten kaum ernste Bedenken einflößen. Auf dem zwischen der Stadtmauer und dem Fluss gelegenen flachen Terrainstreifen erheben sich, teils auf festem Boden, teils auf Piloten ruhend, zahllose Hütten, einen Teil der Wasserstadt bildend, welche ihre Fortsetzung in einem schwimmenden Teile findet, in einer unabsehbaren Flotille eng aneinander liegender Boote. Man schätzt die Anzahl der Bewohner dieser Wasserstadt auf 80.000 bis 100.000.

Bietet Kanton von der Flussseite her ein höchst originelles und interessantes Bild, dem es an bestrickendem Reiz umso weniger fehlt, als auf dem Fluss wegen des ununterbrochenen Hin und Her der denkbar verschiedensten Fahrzeuge das regste Leben herrscht, so ist andererseits der Blick auf die von der Zwingmauer umschlossene Stadt selbst wenig lohnend. Diese steigt im Norden gegen die daselbst liegenden Hügel zu an und zerfällt in zwei Teile, die durch eine dem Fluss parallel laufende, mit Wassergräben versehene Mauer getrennt sind: in die eine weitaus größere Fläche umfassende alte Tartarenstadt im Norden und in die auf kleinerem Raum sich entfaltende, dem Fluss zugewandte eigentliche Geschäftsstadt, Neu-Kanton. Die Umwallungsmauer wird von acht, die Quermauer von vier Toren durchbrochen, während zwei Wassertore für die Boote bestimmt sind, welche in dem die Stadt durchziehenden Hauptkanal ein- oder austreten; alle diese Tore sind nachts geschlossen, tagsüber geöffnet, doch militärisch besetzt.

Die Tartarenstadt enthält nur zum Teil eine Häusergruppierung von städtischem Charakter, im übrigen aber Ackerland und brach liegendes Gefilde, auf dem sich weithin zerstreut Tempel sowie große, öffentliche Gebäude erheben, unter diesen der Palast des Generalgouverneurs, jener des Tartarengenerals, die Prüfungshallen, der Tempel der Fünf Genien und im aufsteigenden Teile die Fünfstock-Pagode. In der Nähe des Nordtores wurde im Jahre 1889 auch eine Münzstätte errichtet.

Im Gegensatz zur Tartarenstadt ist Neu-Kanton von dicht aneinandergereihten, selten ein Stockwerk übersteigenden Häusern erfüllt. Nächst den Pagoden ziehen schon vom Schiff aus die Godowns die Aufmerksamkeit auf sich, Bauwerke, welche die Wohnhäuser überragen und, entsprechend ihrer Bestimmung, als Magazine zu dienen, einbruch- und feuersicher hergestellt sind. Schmale Gassen durchziehen das Gewirr von Häusern.

Westlich der Stadt, außerhalb der Ringmauern, dehnen sich die neueren Vorstädte aus; südlich hievon liegt die Schlamminsel Scha-mien, der Sitz der Fremdenkolonie, welche als Konzession bestimmt und auf gemeinschaftliche Kosten des englischen sowie des französischen Staatssäckels in den Jahren 1859 bis 1861 mit bedeutendem Aufwand zur Ansiedlung geeignet gemacht worden ist. Drei Brücken, welche unter scharfer militärischer Bewachung stehen, verbinden die Insel mit dem Festland, werden aber um 7 Uhr abends gesperrt, da nach dieser Stunde kein Europäer sich in der Stadt blicken lassen darf und auch den Chinesen, mit Ausnahme der Palankinträger, das Betreten von Scha-mien untersagt ist.

Gleich der erste Eindruck, welchen der Reisende — eben angelangt, noch an Bord — von Kanton empfängt, lässt jenem keinen Zweifel, dass er sich dem Chinesentum in seiner ganzen Originalität und Urwüchsigkeit gegenüber befindet. Um so kontrastierender, aber auch erhebender ist die Wirkung, welche der Anblick der römisch-katholischen Kathedrale hervorbringt, die mit ihren alle Bauten Kantons überhöhenden Doppeltürmen in dem südwestlichen Teil der Geschäftsstadt aufragt. Die Baukosten wurden zum Teil aus der Kriegsentschädigung, die China auf Grund des Pekinger Friedensvertrages vom 24. Oktober 1860 gezahlt hat, zum Teil aus den Mitteln der französischen Mission gedeckt. Es liegt nahe, dass dieser stolze Bau den Chinesen ein Dorn im Auge ist, und es bleibt fraglich, ob es nicht politisch klüger gewesen wäre, sich mit einem minder auffallenden Bauwerk zu begnügen. Auch die gelben Brüder können, wie Erfahrungen zeigen, in recht bedenklicher Weise verstimmt werden, wenn sie die Absicht merken; doch sollen sie sich vorläufig in der ihnen eigentümlichen Fähigkeit der Selbsttäuschung und in ihrem stark entwickelten Dünkel mit der Kathedrale dadurch abgefunden haben, dass sie in den zwei Türmen die Hörner des Widders, des Wappentieres von Kanton, erblicken und auf diese Weise in dem Gotteshaus nur eine Verherrlichung der Stadt Kanton durch die „fremden Teufel“ sehen.

Mr. Drew, der Generalsekretär der chinesischen Seezollämter, kam an Bord, um mich einzuladen, während meines Aufenthaltes in Kanton sein Gast zu sein. Ich hätte zwar ein Hotel vorgezogen, einerseits um nicht zu stören, andererseits um nicht ein Dasein zu führen, welches durch die Notwendigkeit getrübt ist, den Frack anlegen zu müssen; da aber Kanton kein europäischem Geschmack auch nur halbwegs entsprechendes Hotel aufzuweisen hat, nahm ich Mr. Drews freundliches Anerbieten mit vielem Dank an.

Bald waren wir in dem auf der Insel Scha-mien gelegenen Home unseres Gastfreundes, wo uns dessen Gattin, eine Amerikanerin, willkommen hieß und mit sehr heißem Tee bewirtete; leider konnte ich mit der Hausfrau, die eine sehr liebenswürdige Dame zu sein schien, nicht konversieren, da sie nur der englischen Sprache mächtig ist. Mr. Drew hingegen spricht nicht nur etwas französisch, sondern verfügt auch über einen kleinen Schatz deutscher Worte — eine Errungenschaft, welche dem längeren Verweilen in Wien zu danken ist, wo Mr. Drew anlässlich der Ausstellung des Jahres 1873 als Kommissär Chinas fungiert und sich so wohl gefühlt hat, dass er von jener Zeit noch immer mit Befriedigung spricht.

Die Insel Scha-mien bietet dem Auge einen lieblichen Ruhepunkt: freundliche Villen, von Gärten mit schattenspendenden Bäumen umgeben, bedecken das kleine Eiland, schöne Alleen umsäumen das Ufer, und gut gehaltene Wege durchziehen die Ansiedlung, die mitten in dem Getriebe des Flusslebens den Eindruck vornehmer Ruhe bietet, obschon sich daselbst nicht nur die Wohnhäuser, sondern auch die Etablissements der großen Kaufleute befinden, deren Geschäfte Millionen in Umlauf bringen. Doch dringt das Knistern und leise Rauschen der Wechselbriefe, das Rollen und Klingen der Münzen nicht hinaus an das Ohr des Touristen.
Die Villa Mr. Drews liegt am Ufer des Flusses; zwei Eigenschaften zeichnen das Hauswesen vorteilhaft aus, nämlich eine sehr gute Küche und ein kühles Bad. Besonderer Erwähnung sind auch die Betten wert, die angenehme Ruhe versprechen, nicht zum wenigsten, weil dichte Netze den blutsaugenden Moskitos den Überfall auf den Schläfer verwehren.

Da es erst 5 Uhr nachmittags war, wollten wir noch den auf der Insel Ho-nan befindlichen Buddha-Tempel besichtigen. Hatten wir früher einen Gesamteindruck von der Wasserstadt empfangen, so fanden wir bei der Fahrt nach jener Insel Gelegenheit, wohl eine der merkwürdigsten menschlichen Ansiedlungen aus nächster Nähe kennen zu lernen. Boote aller Arten, Gestalten und Größen liegen hier enge aneinandergereiht; Dschunken, Sampans und Pantoffelboote wimmeln von Alt und Jung, von Männern, Weibern und Kindern, die in den schwimmenden Wohnstätten ihr Alles erblicken, hier geboren werden, leben, streben, lieben, sterben.

Meine Neugierde ließ mich eine Anzahl der kleineren Fahrzeuge besehen, in welchen ich zu meiner Überraschung einer unerwarteten Reinlichkeit und Nettigkeit begegnete. Die Boote sind mit wasserdichten Matten überwölbt und bergen zwei Räume, eine Art kleinerer Kajüte und einen Vorraum, beide mit färbigem Papier und allerlei Bilderwerk schmuck ausgestattet; ein großer Stein oder eine Lehmschicht, wo das frugale Mahl, aus Reis, Bohnen und Tee bestehend, gekocht wird, vertritt die Stelle des Herdes. Die Tonne des Diogenes scheint mir durch diese Behausungen noch übertroffen; denn während jener Weise sich des Alleinbesitzes seines Heimes erfreute, sind die einzelnen Boote, wie wenig Raum sie auch bieten, meist zahlreich bevölkert, da die auf dem Wasser lebenden Familien nicht weniger Kindersegen genießen, als die auf dem Festland hausenden. Der Erwerb, welchen die Bootsinsassen zu finden vermögen, soll ein äußerst dürftiger sein und reicht für eine ganze Familie oft kaum an die Grenze des europäischen »Hungerlohnes« eines Arbeiters heran.

Die Ausnützung des Raumes der Boote ist die denkbar vollkommenste. Abgesehen von den Säuglingen, welche gewöhnlich ihren Platz auf dem Rücken der Mutter finden, wird die heranwachsende Generation in kleinen, mit Deckeln verschlossenen, am Boden oder am Bug des Bootes befindlichen Verschlägen untergebracht, wo sie sich im Gegensatze zu unserer schreienden Jugend meist ruhig verhält. Lüftet nun der Eindringling den Deckel einer dieser »Kinderbewahranstalten«, so blicken ihn einige kleine, nackte, bereits mit dem Zöpfchen geschmückte Chinesen erstaunt an, um ihm sofort behende wie Affen entgegenzukriechen.
Nur chinesische Anspruchslosigkeit kann Lebensverhältnisse, wie wir sie hier finden, noch als genügende, ja, es scheint mitunter, sogar als behagliche betrachten.

Zwischen den verankerten Booten verkehren rastlos Schiffe aller Art, so dass es oft sehr schwierig ist, sich mit einem Boote durch das Getriebe hindurch den Weg zu bahnen. Unter allen Fahrzeugen, welche der Perlfluss trägt, sind die merkwürdigsten wohl die großen Passagierboote, welche, den Dampfschiffen nachgebildet, achter ein Rad haben, das aber nicht mit Dampf in Bewegung gesetzt wird, sondern durch menschliche Kraft, durch jene von etwa 25 Kulis, die in einem Tretwerk im Schweiß ihres Angesichtes arbeiten. Als die ersten Dampfboote der Europäer den Fluss heraufgekommen waren, versuchten die erstaunten Chinesen, so erzählt man, diese Erfindung nachzuahmen, was ihnen jedoch nicht vollständig gelang; denn die Konstruktion der Maschine bot einige Schwierigkeiten. Die gelben Brüder wussten aber zu helfen, indem sie die Maschine durch Kulis ersetzten, deren Verwendung nicht nur einen einfachen Mechanismus gestattete, sondern auch den Vorzug der Wohlfeilheit hat, da ein Kuli, welcher durch acht Stunden täglich die ermüdende Arbeit der raschen und kräftigen Bewegung im Tretrad zu leisten hat, angeblich im Monat nicht mehr als 75 fl. ö.W. an Lohn erhält! Damit nun das Werk auch von außen der Erfindung der „Barbaren“ vollkommen entspreche. wurde dem Schiff ein hoher Rauchfang aufgesetzt, welchem dichter Qualm entstieg, da unterhalb stark rauchende Holzarten entzündet wurden. Hiemit war der Dampfer chinesischer Erfindung vollendet; später ließ man zwar den dampfenden Schlot hinweg, das Rad aber mit dem Tretwerke blieb.

Mit einiger Anstrengung wurden etliche Sampans zur Seite geschoben, um das Anlegen unseres Bootes an der Insel Ho-nan zu ermöglichen, und nach wenigen Schritten standen wir vor dem Hoitschong-dsy (Hai-tschoang-sy), einem der 125 Tempel verschiedener Kulte, welche Kanton zählt.

Diese Ziffer vermag wohl kaum Erstaunen zu erregen, da doch die Bevölkerung eine so zahlreiche ist und China drei religiöse Lehrsysteme besitzt: die Philosophie des Konfuzius, welche die Staatslehre repräsentiert und der daher der Hof, die Staatsbeamten und überhaupt die gebildeten Gesellschaftsschichten anhängen; den Buddha- oder Föh-Dienst, zu dem sich die unteren Volksklassen, die große Mehrzahl der Chinesen, bekennen; endlich das wohl nur eine verhältnismäßig geringe Anzahl von Bekennern zählende System des Lao-dsy, welches den einzelnen Menschen als Selbstzweck betrachtet, ihm die Aufgabe stellend, sich innerlich zur Vollkommenheit zu erheben, um hiedurch zu dem höchsten Wesen, Dao genannt, zurückzukehren. Da das System des Konfuzius den Charakter einer staatlichen Institution trägt, erscheint dessen Bekennung für jeden Staatsbeamten obligatorisch; doch kann derselbe nebenbei auch Buddhist oder Daoist sein.

Der Hoi-tschong-dsy ist der größte Buddha-Tempel in Kanton und dehnt sich über eine bedeutende Fläche aus, die eine Reihe von Baulichkeiten und Höfen umfasst; Gärten und Begräbnisstätten vervollständigen die Anlage, und überdies steht mit diesem Gotteshaus ein Mönchskloster in Verbindung, wo sich angeblich 175 Priester dem Dienste Buddhas widmen. Der Eingang in den Tempel wird von vier fratzenhaften, überlebensgroßen Gestalten bewacht, deren Aufgabe es ist, dem frommen Pilger heilsamen Schrecken einzujagen, und die durch eine Anzahl von Votivzetteln, womit die Füße der Scheusale beklebt sind, offenbar milder gestimmt werden sollen. Einen mit Granitplatten gepflasterten, von schönen, alten Ficus-Bäumen beschatteten Gang durchschreitend, gelangt man in einen Pavillon, wo mystisches Halbdunkel herrscht; drei vergoldete Buddha-Figuren, aus Ton gefertigt. nehmen die Mitte des Raumes ein, während an den Wänden rechts und links etwas kleinere, aus dem gleichen Stoffe geformte Gestalten stehen, welche 18 Apostel Buddhas versinnbilden. Dieser wird hier in einer Art dargestellt, welche von der in Indien gebräuchlichen abweicht; denn der Buddha des Chinesen ist ein beleibter Gott, dessen wohlgenährtes, lächelndes Antlitz vollkommenes Wohlbehagen ausdrückt. Das bedeutende Embonpoint, mit welchem der Chinese seinen Buddha ausstattet, erklärt sich aus der Auffassung, wonach Beleibtheit auf Reichtum hinweist und daher dicke Leute in hohem Ansehen stehen. Vor den Götterbildern sind große Altäre mit Trommeln, Glocken und Opfergefäßen errichtet, welch letztere aus Silber oder aus minder edlen Metallen angefertigt, meist aber künstlerisch ausgeführt sind und die Form von hohen Leuchtern oder Urnen mit Drachenköpfen zeigen, die zur Aufnahme brennender Räucherkerzen bestimmt sind.
Der nächste Tempelraum enthält außer einem Bildnisse der Gottheit Kun-jem (Goang-in) eine sehr schöne Marmor-Pagode, vor welcher die heiligen Bücher liegen, deren sich die Bonzen bei dem Gottesdienste bedienen; die Pagode reicht bis zur Decke empor, ist an den einzelnen Absätzen durch reizende bronzene Glöckchen verziert und bringt vermöge ihrer schlanken Form und der eleganten Linienführung eine künstlerische Wirkung hervor. Als Intermezzo wurden uns hier heilige Schweine in Freiheit vorgeführt, die infolge des sorglosen
Daseins, welches ihnen beschieden, dermaßen fett sind, dass sie sich kaum zu bewegen vermögen. Einer der uns begleitenden Bonzen hieb, der Heiligkeit der Schweine ungeachtet, unter boshaftem Grinsen auf dieselben ein, ohne bei ihnen eine andere Wirkung als ein lebhaftes Grunzen hervorzurufen. Ein dritter Raum, der sich vor uns erschloss, birgt die Figur eines Gottes, über dessen seinerzeitigen Lebenswandel bei unseren Führern die widersprechendsten Ansichten herrschten. Jedenfalls hat sich die Kühnheit der chinesischen Phantasie bei der Darstellung der Gottheit keine Schranken auferlegt.

An die Tempelbauten sich anreihend und in deren Bereiche liegen die Behausungen der Priester, ein wahres Labyrinth schmutzerfüllter, kleiner Baulichkeiten, in welchen die Speiseräume und die Küche den Eindruck besonderer Verwahrlosung erwecken. Den Abschluss des Tempelgeheges bildet ein großer, in reichlichem Blumenschmuck prangender Garten, wo wir an das Grab eines heiligen Mannes sowie an jenes eines berüchtigten Tartarengenerals geführt wurden, der sich in Kanton dadurch ein trauriges Andenken gesichert hat, dass er ein Blutbad anrichten ließ, dem 60.000 Menschen zum Opfer gefallen sind.

Die uns begleitenden buddhistischen Priester trugen den Schädel glatt rasiert und zeigten ein verkommenes Äußere; in ihren Mienen lag ein schlauer, listiger Zug, und mit größter Zudringlichkeit, jeder Würde bar, bettelten sie um Almosen. Die religiöse Tätigkeit dieser Tempeldiener beschränkt sich auf die tägliche, dreimalige Verrichtung eines Gebetes, während der übrige Teil ihres Tagewerkes im Nichtstun, im Umherlungern, im Betteln besteht. Es ist daher nicht zu verwundern, dass die gebildeten Chinesen den buddhistischen Priester verachten und in ihm einen Heuchler erblicken, der, Lastern ergeben, nur nach mühelosem Wohlleben sinnt. Auf mich haben die im Ho-nan-Tempel schaltenden Bonzen jedenfalls eine möglichst ungünstige Impression hervorgebracht.

Der Abend war dem Besuch einer Spezialität Kantons, jenem der berühmten, oft beschriebenen, sogenannten „Blumenboote“ gewidmet. Der Gestalt nach Dschunken und gleich den anderen Fahrzeugen der Wasserstadt im Fluss verankert, sind diese Boote Restaurants und Etablissements, in denen Kanton sich amusiert, die Träger des Zopfes fröhlich werden. Hier geht es oft hoch her; denn Gelage werden gefeiert, Musik erklingt, Lieder erschallen und das ewig Weibliche verleiht höheren Reiz. Die Blumenboote sind in großer Zahl vertreten, doch selbstverständlich je nach der Klasse der Bevölkerung, aus welcher die
Besucher sich remitieren, sehr verschieden hinsichtlich dessen, was sie bieten, und des Reichtums der Einrichtung. Die Boote, die wir besuchten, enthielten mehrere Räumlichkeiten, hierunter einen Salon, der für Opiumraucher bestimmt ist, und Gemächer, welche geschlossene Gesellschaften zum Mahl vereinigen, also chinesische Chambres séparées. Die Ausstattung ist sehr reich, schön geschnitzte Möbel, mit gestickten Stoffen überdeckt, erfüllen die Lokale; hier steht kostbares Service für Tee, dort sind Tischchen für Opiumraucher mit Perlmutter und Steinen zierlich ausgelegt; an den Wänden ziehen sich vergoldete, in mäandrischen Mustern geschnitzte Verzierungen hin, und helles Licht, das sich in zahlreichen Spiegeln und Gläsern bricht, flutet durch die Räume.

Während in den Speisezimmern heitere Symposien gefeiert werden, frönt so mancher dem verhängnisvollen Genuss des Opiums im Salon. Wir trafen auf einen Raucher, der sich bereits im Zustande der vollständigsten Bewusstlosigkeit befand, der also den Gipfel des Genusses erreicht hatte; doch der Mann wand und krümmte sich derart, dass es schwer war, hierin den Ausdruck der durch selige Träume hervorgerufenen Verzückung zu erblicken. Um mir ein eigenes Urtheil bilden zu können, rauchte ich zwei Pfeifen Opium, die mir ein alter Chinese mit freudvollem Eifer »stopfte«, wäre aber nicht im Stande, hieran Geschmack zu finden; denn der Rauch erinnerte an jenen stark parfümierten Tabaks und mundete mir in keiner Beziehung. Dadurch, dass ich mich an Opium versucht, stieg ich offenbar in der Achtungsskala der Chinesen um ein Bedeutendes, da sich alles beeilte, mir Tee, Früchte und die erdenklichsten Erfrischungen anzubieten. Leider kann ich mich mit dem Tee, wie er hierzulande genossen wird, — sehr heiß und ohne Zucker — nicht befreunden.

Eine Schar junger Mädchen besorgte die Bedienung sowie die Unterhaltung der Gäste durch Musik und Gesang. Einige dieser Damen sind nach unseren Begriffen so übel nicht, doch verunstalten sie sich — mögen sie immerhin glauben, hiedurch das chinesische Schönheitsideal zu erreichen — vollkommen, indem sie sich ganz weiß schminken, auf die Unterlippe einen roten Fleck malen und die abrasierten Augenbrauen durch hochgeschwungene künstliche ersetzen. Diese Metamorphose verleiht den Mädchen einen ebenso unnatürlichen, als chronisch verwunderten Ausdruck, der sie Puppen aus Wachsfigurenkabinetten ähnlich erscheinen lässt. Das Haar der Schönen ist in der kunstvollsten Weise geordnet; diese Frisur bedarf großer Sorgfalt und erheischt bedeutenden Zeitaufwand, so dass die Mädchen, um sich diesem mühsamen Geschäfte nicht allzu oft unterziehen zu müssen, dem stilvollen Aufbau erhöhte Konsistenz durch Anwendung eines Klebemittels geben, welches der Frisur eine mehrtägige Haltbarkeit sichert. Die Fingernägel, denen besondere Pflege gewidmet wird, lassen die Damen zu einer unförmlichen Länge gedeihen, auf welche Weise, wie durch lange Nägel bei beiden Geschlechtern überhaupt, angedeutet werden soll, dass der Träger der Fingerzier sich einer Wohlhabenheit erfreut, die ihn der Notwendigkeit enthebt, durch der Hände Arbeit seinen Lebensunterhalt zu erwerben. Die Mädchen sind in prächtige Gewänder gehüllt; selten schöne und geschmackvolle Stoffe haben bei den Toiletten der Nymphen des Blumenbootes Verwendung gefunden.

Die Püppchen, die uns umringten, waren recht nett und drollig anzusehen, so lange sie,, ununterbrochen fächelnd, uns schweigend umtrippelten — doch „wehe, wenn sie losgelassen“, zu singen und zu musizieren begannen. Der Gesang bewegte sich in wahrhaft schwindelerregenden Höhen und konnte nur als jammerndes, ohrenzerreißendes „Quietschen“ bezeichnet werden; die Instrumentalmusik aber war jenem vollkommen ebenbürtig, indem Gongs, Zithern und Gitarren grässliche Töne entlockt wurden. Dies hindert nicht, dass derartige Musik den Chinesen als Ohrenschmaus erscheint, dem sie mit der gespanntesten Aufmerksamkeit sich hingeben, um dann ihrer Befriedigung über den Kunstgenuss lebhaften Ausdruck zu verleihen. Eine der Künstlerinnen trug mir ein als besonders schwärmerisch und hinreißend gepriesenes Liebeslied vor, das auf Chinesen immerhin einen solchen Eindruck hervorbringen mag; beglückte aber bei uns eine holde Schöne den schmachtenden Seladon in ähnlich lyrisch-melodischer Art, so würde sie unzweifelhaft eine mit ihren Gefühlen arg kontrastierende Wirkung erzielen, da der Angesungene nur in der schleunigsten Flucht sein Heil suchen könnte.

Mein Ergötzen erregte in dem erstbesuchten Blumenboot ein bemoostes, aber sehr joviales Haupt — ein 72jähriger Chinese vornehmen Standes, dessen Lebenslust ihn allabendlich das heitere Lokal aufsuchen ließ, wo er Stammgast und ein hoher Mandarin sein würdiger Kumpan war. Der ergraute flotte Bursche zeichnete sich durch die Virtuosität aus, mit der er das Krähen des Hahnes und das Gackern der Hennen nachzuahmen verstand, eine Kunstfertigkeit, welche der alte Sünder zum höchsten Entzücken der Besucher des Blumenbootes auszuüben pflegt. Offenbar hatte ich sein besonderes Wohlgefallen erregt; denn rastlos ließ er mich durch den Dolmetsch ersuchen, recht lange zu bleiben, wartete mir mit Tee auf, nahm in meiner Nähe Platz und krähte und gackerte, von dem schallenden Gelächter aller Anwesenden begleitet, frisch darauf los. »Der alte Drahrer« war in seiner Komik unbezahlbar und bat mich, als wir schließlich unter endlos.en Begrüßungen und Bücklingen von einander schieden, dringend, in den nächsten Tagen ja gewiss wiederzukehren.

Die Wanderung nach anderen Booten erforderte einige equilibristische Fertigkeit, da die Verbindung nur durch schmale Stege hergestellt war, unterhalb welcher der Fluss rauschend dahinströmt. Anfänglich waren die Besucher dieser Etablissements über unser Erscheinen einigermaßen erstaunt; doch begrüßten wir sie mit dem freundlichsten »Tsing-tsing«, — der üblichen chinesischen Formel — womit das Eis gebrochen war, so dass die Habitues sich nicht nur beruhigten, sondern uns auch aufforderten, Platz zu nehmen und Tee zu trinken. In Kürze war so allenthalben eine vollkommene Entente cordiale hergestellt.

Sehr befriedigt von den Eindrücken des Tages kehrten wir in später Stunde nach Scha-mien in unsere gemütliche Villa zurück.

Links

  • Ort: Kanton
  • ANNO – am 23.07.1893 in Österreichs Presse.
  • Das k.u.k. Hof-Burgtheater macht Sommerpause bis zum 15. September, während das k.u.k. Hof-Operntheater ein Ballet „Ein Tanzmärchen“ aufführt.

Hongkong to Canton, 23 July 1893

Every European staying in Hongkong intends to visit the city on the Pearl river or Tschu-kiang which has still kept its original true-Chinese character and thus offers a couple of new and interesting impressions. The realization of my desire to see this strange city was made possible by the Chinese maritime customs service that kindly offered their steamer, the customs cruiser „Tschuen-tiao“ for the trip. Without this favor we could not have undertaken this excursion today as no passenger steamboats are operating on Sundays. In the pouring rain and thick fog I embarked with our commander as well as the gentlemen of the staff, Scala, Ramberg and Dr. Plumert.

The captain of the tax cruiser, an English trade ship captain, who had taken three steamboats according to the pattern of „Tschuen-tiao“ in the incredibly short time of 28 days from England to Hongkong — a performance of seamanship he can be justly proud of. The captain had repaired the ship so splendidly that it looked as new as „out of the box“. Everything was gleaming and shiny that it was a pleasure to see. The tax cruiser of 500 to 700 t displacement are tasked to prevent the very active smuggling going on in the Chinese waters, especially with opium and salt, and are therefore equipped with excellent machines and suitably armed. Our „Tschuen-tiao“ carried two  9.5 cm Armstrong guns and two rapid-fire cannons . A quite pretty salon served as a dining room while I used the captain’s cabin that he had ceded to me.

Crossing the harbor of Hongkong we came past a steam ship sunk a few days ago whose sad masts and smokestack rose out of the water. This steam ship, „Amigo“, had a strange tragic fate. It had left Yokohama with a full load and set the course for Hongkong. After only two days the telegraphic message arrived that „Amigo“ had been rammed by another ship during a typhoon and had sunk. But the message proved to be false as after three more days the ship arrived safely at the harbor of Hongkong and was just on the way of mooring to clear its load when it was in fact rammed by another ship within the harbor and sank within a few minutes. This accident led also to the loss of life as many children drowned.

Close to the spot of the accident is also a very heavily damaged large sailing ship that had lost all four masts in a heavy typhoon and had been driven around on the ocean until fortunately a steamship met it and towed it to the harbor.

The course first led us between  the mainland and Lantao and then took us through a maze of other islands until we reached the mouth of the Pearl river but we could not really see much of it or the mainland, as the rain and fog reduced our sight to almost nothing.

At the mouth of the river, called Bocca Tigris, rise on both shores two dark bare rocky mountains only partially covered with sparce moss. They had been equipped with fortifications said to be armed  with modern guns, namely from Krupp. Whether these fortifications could really resist an energetic attempt to enter for long, I will not discuss, but consider from my distant point of observation the design of the batteries to be outdated and neglected. The same impression I received from a number of fortifications further upstream that are placed on hills that rise out of the ground.

Beyond Bocca Tigris the region is flat. rice paddies cover the plain — not a picturesque view. From a hill a seven story pagoda — the first we have seen — looks down upon the river and we greeted it as a familiar symbol of the Heavenly Kingdom known from Chinoiserie. Now and then we could see small settlements.

In some of the places the river is blocked by pole barricades  that only leave a narrow opening — a learning from the experience China has made in conflicts with European powers. Since the erection of these river blockades, Whampoa, in former time the anchorage of all ships but later become desolate and derelict, has grown again in importance as vehicles whose depth and tonnage surpasses a certain limit are unable to pass the river blockade and are forced to anchor in Whampoa.

The captain chose not the usually selected Whampoa Canal to reach Canton but the more Southern Blenheim Passage, and finally the great city lay in front of us after the more frequent appearance of settlements and the increased traffic on the river had clearly announced its proximity.

Canton, Guangzhou, as is generally known a Anglo-French possession during the years of 1859 to 1861 is said to be the most populated city of the Chinese Empire as the number of inhabitants surpasses 1.5 million. Situated on the Northern shore of the Whampoa canal, an arm of the Pearl river, Canton is the capital of the province of Guangdong and the seat of the governor general of the two Guang provinces. In the history of trade with East Asia, Canton plays a predominant role and through centuries trade with the West was concentrated in this city which had been opened by the Portuguese and grown tremendously under the English. But only the treaty of Nanking of 29 August 1842 had liberated commercial trade with China from the burdening limitations and the strange form that had developed in Canton and given it a new constitution. It opened multiple harbors — subsequently other harbors were added — for foreign trade and permitted the installation of foreign merchants in dedicated „concessions“ and consuls etc. Since that time Canton was no longer the unique spot for trading with the West and lost importance. The growing rise of Hongkong also had quite a negative impact on the commercial importance of the place.

The city is surrounded by a 16 km long, 12 m high circular wall whose broad crowns are said to be armed with numerous guns. But these fortifications and their condition can not really cause concerns to European soldiers. On the flat terrain between the city wall and the river are numerous huts partly on firm ground partly on poles. They constitute part of the water city that is continued in a floating part in which countless ships are moored close together. The population of this water city is estimated at 80.000 to 100.000.

While on the one hand Canton offers a very original and interesting view from the riverside which is not missing attractions as the river is filled with constant motion of the most diverse vehicles, on the other hand the view of the enclosure of the city wall has few merits. It rises in the North towards hills laying there and divides into two parts that are separated by a wall with a moat running parallel to the river:  In the one, much larger area is the old Tatar town in the North and in the smaller area toward the river is the actual business district of New Canton. The circular wall is broken by eight, the interior separation wall is broken by four gates while two water gates are intended for boats which enter and leave the main canal. All these gates are closed during the night and open during the day, protected by the military.

The Tatar city contains only in part groups of houses of an urban character. The rest is agricultural land and open areas on which stand dispersed temples as well as big public buildings among them the governor general’s palace, that of the Tatar general, the examination halls the temple of the five genii and in the rising part the five story pagoda. Close to the Northern gate a mint has been built in the year 1889.

In contrast to the Tatar city, New Canton is filled with closely packed seldom more than one story high houses. Next to the pagodas the godowns attract the attention already from the ship. These buildings overtop the houses and serve according to their purpose as warehouses and are built to resist burglars and fire. Narrow alleys run between the labyrinth of houses.

West of the city, outside the circular walls extend the newer suburbs. South of it lies the mud island of Shamian, the seat of the foreigners‘ colony that had been made habitable at considerable expense of shared costs by the English and French government money as the concession stipulated during the years between 1859 and 1861. Three bridges that were under strict military observation connect the island with the mainland but are locked of at 7 o’clock in the evening as after this hour no European is allowed to be in the city and no Chinese is permitted to set foot on Shamian with the exception of the palanquin carriers.

Already the first impression that the visitor — just arrived, still on board — receives from Canton leaves no doubt that he is faced with Chinesedom in its full originality and genuineness. All the more a contrast is the effect of seeing the Roman Catholic cathedral whose twin towers in the South-western part of the business district is surpassing all the other buildings of Canton. The building costs were paid in part by the war indemnities China had to pay according to the Peking peace treaty of 24 October 1860, in part out of funds of the French mission. It is likely that the Chinese are displeased by this proud building and it remains questionable whether it would not have been politically smarter to be satisfied with a less conspicuous building. As experience teaches, the yellow brothers too can be disgruntled if they realize its intention. At the moment their very own remarkable skill of self-deception and their also very keenly developed sense of superiority means that they seem to have accepted the cathedral by the fact that they interpret the two towers as the ram’s horns, Canton’s animal in its coat of arms and thus see in the church only a  glorification of the city of Canton by the „foreign devils“.

Mr. Drew, the secretary general of the Chinese maritime customs service, came on board to invite me to be his guest during my stay in Canton. I would have preferred a hotel, on the one hand in order not to disturb others, on the other hand not to be forced by necessity to wear a dress coat. As Canton does not possess a hotel that matches European taste even halfway I accepted Mr. Drew’s friendly offer with many thanks.

Soon we arrived at the home of our host on the island of Shamian where his wife, an American, welcomed us and offered us hot tea. Unfortunately I could not make conversation with the lady who seemed to be a very kind woman, as she only spoke English. Mr. Drew however not only speaks a bit of French but knows quite a bit of vocabulary of German words — a skill due to his longer stay in Vienna where Mr. Drew acted as Chinese commissary during the world exhibition of 1873 and felt very comfortable so that he speaks of that time with satisfaction.

Shamian island offers the eye a delightful resting place: friendly villas surrounded by gardens with trees that provide shade cover the small island. Beautiful avenues run along the shore and well kept roads cross the settlement which offers a quiet impression in the midst of the activity of river life even though there are not only private dwellings but also the establishments of great merchants whose businesses keep millions in circulation. But the creaking and rustling of bills of exchange, the turning and sound of the coins stay beyond the hearing of the tourist.

Mr. Drew’s villa lies at the river shore. Two qualities distinguish the dwelling positively: namely very good cooking and a cool bath. Worth a special mention are also the beds that promised a quiet sleep, not the least due to the dense nets that prevented the ambush of the bloodsucking mosquitoes on the sleeping person.

As it was only 5 o’clock in the afternoon we wanted to visit the Buddha temple on Ho-nan island. We had already had a general impression of the water city but found during the journey to that island the opportunity to see probably one of the strangest settlements of humanity up close. Boats of all kind, form and size lay here moored one next to the other: Junks, sampans and slipper boats full of young and old people, men, women and children who have al they possess in this swimming homes. They are born here, live here, strive here, love here and die here.

My curiosity made me look at a number of the smaller vehicles in which to my surprise reigned an unexpected cleanliness and cosiness. The boat have vaulted mats that form two rooms, a kind of cabin and anteroom both decoratively equipped with colored paper and all kinds of images. A larger stone or a clay layer serves as the hearth where the frugal meal made out of rice, beans and tea is cooked. The barrel of Diogenes seems to me surpassed by these domiciles. As the sage was the only owner of his home, the individual boats, however small a space they offer, are mostly populated with many as the families living on the water are no less blessed with many children as those living on the mainland. The jobs these boat occupants seemed to be able to find are said to be very poor and only barely reaches the level of „starvation wages“ of a European worker for a whole family.

The use of the space of the boats is imaginably perfect. Except for the babies who usually find their place on the back of their mothers, the younger generation is kept in small sheds covered with a top on the floor or at the aft where they keep mostly quiet in contrast to our noisy youth. If one opens one of the tops of these „children container homes“, one looks at some tiny naked Chinese already equipped with a pig-tail who immediately start to climb out skilful like monkeys.

Only Chinese modesty can accept conditions of living such as we found here as still satisfactory and it seems even comfortable.

Between the moored boats all kinds of ships moved without rest so that it was very difficult to find a path for one’s own boat through the throng. Among all the strange vehicles on the Pearl river the most strange probably are the passenger boats who resemble steam boats, have a wheel on the side which however is not propelled by steam but by human force. About 25 sweating coolies  move it by their steps. When the first steamboats of the Europeans appeared upriver, the surprised Chinese are said to have tried to copy this invention but they only partially succeeded. The construction of the machinery proved difficult. The yellow brothers found a way out by replacing the machinery by coolies which allowed the use of a simple mechanism and was also very cheap as a coolie who will work eight tiring and hard hours daily cost apparently only 75 fl. in our currency per month! In order that the work looked also from the exterior like the invention of the „barbarians“ the ship was equipped with a tall smokestack out of which rose thick smoke as they burned types of wood below that produced much smoke. Thus the Chinese steamboat was complete. Later the burning smokestack was dropped, the wheel with the treadmill was kept.

With some effort numerous sampans were pushed to the side to allow our boat to land on the island of Ho-nan. After a few steps we stood in front of Hoitschong-dsy (Hai-tschoang-sy), one of the 125 temples of various cults in Canton.

These number may not astonish us much as the population is so large and China has three religious systems: the philosophy of Confucius that represents government rule and thus the court. The officials are overall part of the educated classes. The Buddha or Foh service to which the lower classes and the great majority of the Chinese declare allegiance. Finally, a relatively small number of adherents of Lao Zi that sees every human being as its own end in itself and are faced with the task of seeking inner perfection in order to return to the highest being, called Dao. As the system of Confucius has the character of a government institution its observance seems mandatory for each official. But he may also be Buddhist or Daoist.

Hoi-tschong-dsy is the largest Buddha temple in Canton and extends over an important area with a number of buildings and courts. Gardens and burial places complete the site. Furthermore a monastery is linked to the temple where apparently 175 monks are dedicating themselves to the service of Buddha. The entrance to the temple is guarded by four grotesque larger than life statues whose task it is to instil fear in the devoted pilgrim. They can apparently be appeased by votive papers that are glued to the feet of the monsters. Following a path on granite plates in an avenue of Ficus trees providing shade, one reaches a pavilion where a mystic semi-obscure reigns. Three gilded Buddha figures made out of clay are in the middle of the room while on the wall to the right and left stand a bit smaller figures made out of the same material which represent the 18 disciples of Buddha

He is shown here in a manner different from the one common in India as the Buddha of the Chinese is a portly god whose well-nourished smiling face expresses complete satisfaction. The considerable embonpoint the Chinese equip their Buddha signifies in their understanding that portliness means wealth and that fat people are highly regarded. In front of the images of the gods are large altars with drums, bells and sacrificial vessels the latter made out of silver and lesser noble metals but mostly artfully created and have a form of tall candle holders or urns with dragon heads that are intended to hold burning incense cones.

The next room of the temple contains an image of the god Kun-jem (Goang-in), a very beautiful marble pagoda in front of which lay holy books that are used by the bonzes to perform their services. The pagoda reaches up to the ceiling and is decorated with delightful small bronze bells on some ledges and thanks to its slim form and the elegant line creates an artful effect.

As a break, we were shown four free holy pigs that are so fat due to their life without sorrows that they are barely able to move. One of the bonzes accompanying us beat one, without consideration for their holiness, with a diabolical grin without producing another effect than a vivid grunting.

A third room we saw included a figure of a god about whose true life style there seemed to be contradicting opinions among our guides. In any case the audacity of the Chinese fantasy has not been limited in the imagination of this god.

Next to the temple buildings follow the dwellings of the priests, a true labyrinth of dirty small houses in which the dining room and the kitchen give a special impression of neglect. The end of the temple are is formed by a large garden with rich flower decorations where we were led to a grave of a holy man as well as that of a notorious Tatar general who has made sure that he is remembered with sadness as he arranged a massacre that killed 60.000 humans.

The Buddhist priests accompanying us had shaved heads and had a deprave exterior. In their means they had a canny, sly look and their begging was for charity with very great insistence and bereft of all dignity. The religious activity of these temple assistants is limited to a thrice daily prayer while the other part of their daily activities is dedicated to doing nothing, hanging around and begging. It is thus no wonder that the educated Chinese scorn Buddhist priests and regard them as hypocrites who seek an easy life and succumbing to their vices. On me the bonzes active in Ho-nan temple have in any kind created a highly unfavorable impression.

The evening was devoted to the visit of a speciality of Canton, the famous and often described so called „flower boats“. The purpose of these junks moored like the other vehicles in the river in the water city is to serve as restaurants and establishments where Canton amuses itself and the pig-tail wearers grow merry.  Here much is happening as feasts are celebrated and music played, songs rang out and the eternal female presents its higher charms. The flower boats are present in higher numbers but naturally very different depending on the class of the population that constitute its visitors in terms of what they offer and the wealth of their decorations. The boats we visited had multiple rooms among them a salon for opium smokers and separate rooms for small groups that celebrate a joint dinner, thus Chinese chambres séparées. The furniture is very rich, beautifully carved pieces of furniture covered with stitched cloths are filling the establishments. There are valuable tea sets and tables for opium smokers decorated with mother of pearl and delicate stones. On the walls are gilded  ornaments in meandering patterns and clear light that is mirrored by numerous glasses and mirrors floods the rooms.

While merry symposia were celebrated in the dining rooms so many were enjoying the fateful pleasure of opium in the salon. We met one of the smokers who had already lost his conscience and thus had reached the climax of pleasure. But the man was twisting and turned so strongly that it was difficult to interpret this as an expression of blessed dreams. In order to form my own judgement I smoked two pipes of opiums that an old Chinese prepared for me with pleased alacrity, but did not find to develop an appetite for it. The smoke reminded me of very strongly perfumed tobacco and did not like it at all. Trying to smoke opium apparently made the Chinese considerably increase their appreciation of me, as all hastened to offer me tea, fruits and all kinds of refreshments. Unfortunately, I can not make friends with the way tea is drunk here — very hot and without sugar.

A group of young girls took care of serving us and entertaining the guests with music and singing. Some of these ladies are not bad looking according to our tastes but they completely defaced themselves — even though they believe to thus fulfil the Chinese ideal of beauty — by painting their faces completely face and applying a red spot on the lower lip as well as replacing the shaved-off eye brows with  highly arched artificial ones. This metamorphosis gives the girls an unnatural and chronically puzzled expression and makes them look similar to the dolls in the wax figure museums. The hair of the beauties is most artfully composed. Their hairdo requires extreme care and eats up considerable amounts of time, so that the girls use some kind of fixative to increase the consistency for a stylish composition in order not to undergo the arduous process. Thus the hairdo retains its form for multiple days. The finger nails which are especially taken care of the ladies let grow to clunky lengths. Thus, long nails indicate for both sexes that the wearer of the finger ornament is wealthy as he does not have to work with his hands for his living. The girls are clad in gorgeous costumes. Extremely beautiful and tasteful fabrics have been used to create the dresses of the nymphs of the flower boats.

The dolls that surrounded us were quite pretty and funny to watch as long as they walked around us silently, fanning without interruption — but „beware when they are let go“ and started to sing and make music.  The singing was at a truly dizzying pitch and could only be qualified as a wailing, ear-shattering  „squeaking“. The musical instruments were a full match for them as gongs, zithers and guitars produced awful sounds. This does not mean that such a music is not seen as pleasant by the Chinese as they gave their full attention to it and vividly expressed their satisfaction about the art. One of the artists offered an especially lyrical and much praised love song that never fails to create such feelings in the Chinese. If such a dainty beauty tried such a crooning soon in a similar lyrical melodious way in our country she would obtain a very different effect to her feeling as the target of her song would certainly seek his salvation in flight.

My amusement was produced in the first flower boat we visited by a mossy but very jovial head  — a 72 years old noble Chinese whose love of life made him seek the jovial place every evening where he was a regular with his dignified companion, a high mandarin.  The jaunty greybeard distinguished himself with his virtuosity in imitating the rooster’s crowing and the hens‘ cackling. A skill the old sinner seems to perform to the delight of the visitors of the flower boat. Apparently I had attracted his special attention. Without fail, he asked the interpreter to make us stay for longer, offered me tea, took his seat close to me and crowed and cackled happily under the roaring laughter of all people present. „The old butterfly“ was invaluable in his comical air and insisted that I return during the following days when we had to say good-bye after endless salutations and bows.

The walk over to other boats took some equilibristic skills as the connection was made only by narrow planks under which the river rushed by. At the beginning the visitors of these establishments were quite a bit astonished about our appearance but we greeted them with a friendly „Tsing-tsing“ — the usual Chinese formula — which broke the ice so that the regulars not only calmed down but invited us to take a seat and drink tea. In a short time, everywhere a complete entente cordiale was established.

Much satisfied by the day’s impression we returned at a late hour to our cosy villa in Shamian.

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  • Location: Canton
  • ANNO – on 23.07.1893 in Austria’s newspapers.
  • The k.u.k. Hof-Burgtheater is closed for summer until 15 September. The k.u.k. Hof-Operntheater is performing a ballet „Ein Tanzmärchen“.

 

Hongkong, 22. Juli 1893

Morgens begrüßte uns der übliche Regen, welcher mich jedoch nicht abhielt, ans Land zu gehen, wo ich, vom Zufall geleitet, in ein anatomisches Museum gelangte, um mich sehr bald zu überzeugen, dass diese Schaustellung ganz ebenso abstoßend, ja ekelerregend ist, wie Ähnliches in Europa. Die Betrachtung all der Scheußlichkeiten, die sich dem Besucher in derartigen Museen darbieten, bringt als unmittelbare Nachwirkung das erlösende Wohlbehagen an dem Anblick selbst der gleichgültigsten Dinge hervor, wenn dieselben nur nicht greulich und „grauslich“ sind.

Um mein beleidigtes ästhetisches Gefühl so rasch als möglich durch wohltuende Eindrücke zu versöhnen, betrat ich einen Laden, in welchem kunstindustrielle und allerlei sonstige Produkte aus Japan feilgeboten wurden. Obschon der Besuch dieses interessanten Landes noch bevorsteht, erwarb ich schon hier eine recht hübsche Kollektion charakteristischer Objekte, worunter namentlich Vasen, Lackwaren und Bronzen vertreten sind, nicht zu vergessen natürlich die reizenden Kimonos, die wir in der Operette „Mikado“ zu sehen gewohnt sind. Die Besitzer des Ladens, die Brüder Kuhn aus Ungarn, hatten sehr bald herausgefunden, wer wir seien, und erachteten es für nötig, uns wiederholt zu versichern, dass sie uns nicht übervorteilen würden.

Das tief empfundene Bedürfnis nach etwas frischerer Luft bewog uns, den Victoria Peak zu erklimmen. Vorerst besuchten wir noch ein nach amerikanischem Vorbild eingerichtetes, von Chinesen geleitetes Bar und schwankten dann in Palankinen auf den rüstigen Schultern eilender Kulis der Station bei der St. Johns-Kathedrale zu, von welcher aus eine Drahtseilbahn auf den Victoria Peak führt.

Die Engländer scheuen, wo immer sie Kolonien besitzen, weder Mühe noch Kosten, um den Komfort des Lebens zu steigern, den Aufenthalt so angenehm, mindestens so erträglich als möglich zu machen. Tausende der Söhne Albions ziehen alljährlich für lange Zeit, auch für immer hinaus in die Kolonien, wo Ersatz für mitunter recht trostlose Gegend, Abhilfe gegen schlimmes Klima, die Möglichkeit der Erholung nach des Tages Mühen geboten werden muss. Englische Energie versteht auf dem Gebiet der Ameliorierung und Assanierung Triumphe zu feiern, wofür Hongkong in mehr als einer Richtung einen hervorragenden Beleg bietet, so auch durch die auf den Höhen des Victoria Peak entstandene Kolonie, die ihre Anlage und Entwicklung jenem gesunden Verständnis und praktischen Bestreben verdankt. Der Gouverneur und andere Notabilitäten schlagen während eines großen Teiles des Jahres hier in komfortablen Villen ihre Wohnsitze auf, Angehörige der bewaffneten Macht finden in einem seit dem Jahre 1883 bestehenden Militär-Sanatorium Unterkunft und Erholung, und große Hotels bieten den Bewohnern Victorias die Möglichkeit, während der heißen Jahreszeit in luftiger Höhe zu hausen oder doch des Abends nach getaner Arbeit reinere, frischere Luft zu atmen. Wenn bleierne Schwüle über der Stadt lagert, fährt, wer immer nur kann, in den Abendstunden auf den Peak, um des Genusses teilhaftig zu werden, welchen ein Temperaturunterschied gegenüber Victoria von etwa 10° C zu gewähren vermag.

Der Victoria Peak hat ungemein steile Lehnen und fällt schroff zur Stadt ab; die Drahtseilbahn ist dieser Situation entsprechend kühn geführt, und hat, wenn sie auch nicht solche Steigungen wie etwa die Pilatus-Bahn aufweist, doch große Terrainschwierigkeiten zu überwinden, so dass sie als ein gelungenes Werk der Technik bezeichnet werden kann. Die Bahn zieht an den Abhängen des Victoria Peak durch das Villenviertel hinan, wo sich die reicheren Europäer in geschmackvollen, von reizenden Gärten umgebenen Landhäusern angenehme Wohnstätten geschaffen haben. Von einer Station ab, nächst einem anglikanischen Kirchlein, ist die Trace äußerst steil bis auf den Peak geführt. Während der Fahrt bietet sich ein Rundblick von seltener Pracht, der in dem Maß, als wir höher steigen, an Umfang und malerischer Schönheit gewinnt. Fast scheint es, als läge das Häusermeer Victorias senkrecht unter uns, und gedämpft, endlich kaum mehr wahrnehmbar dringt der das pulsierende Leben der großen Stadt begleitende Lärm an unser Ohr.

Wir klommen immer weiter empor, bis die Stadt und der Hafen mit den zahllosen Schiffen wie eine liliputanische Welt unter uns lagen und die stolze „Elisabeth“ die Dimensionen eines kleinen Schiffsmodelles angenommen zu haben schien. Von der Höhe schweifte der Blick weithin über das unendliche Meer, über alle Hongkong umsäumenden Eilande, über den Hafen, über die Stadt und das chinesische Festland, welches sich plastisch von einer dunklen Wolkenwand abhob. Die phantastisch-malerische Szenerie, die wir hier erschauten, glich in ihrer fesselnden Fremdartigkeit jenen kühn gedachten, den Reiz des Aparten atmenden Bildern, welche chinesische und japanische Künstler in Teppiche zu weben verstehen.

Leider konnten wir in dem Genuss des herrlichen Panoramas nicht lange schwelgen, da sich stürmischer Wind erhob, Nebel und Regen einherfegend, so dass die zauberhaften Bilder zu unseren Füßen bald verschwunden, wir selbst aber vom Unwetter umhüllt waren. Trotz dieser Unbill der Witterung fühlten wir uns da droben herrlich wohl, war es doch wieder einmal Bergesluft, die wir atmeten! Nur wer durch Monate in den tropischen Meeren gekreuzt hat, vermag die ganze Größe des Entzückens zu würdigen, das Bergeshöhe und frische Luft bieten. „Auf den Bergen wohnt die Freiheit“ — die Freiheit von lastender, drückender, ermattender Schwüle der Niederung, der Städte. Doch auch das Heimweh, welches den Reisenden auf so langer Fahrt nie ganz verlässt, wohnt auf den Bergen, und stärker als seit langem überkam es mich hier in luftiger Höhe. Die Gebirge der Heimat erhoben sich vor mir aus dem Ozean, und mir dünkte es, dass keine landschaftliche Szenerie der Welt schöner, herrlicher sein könne, als unsere österreichischen Berge.

Die Drahtseilbahn endet bei Victoria-Cap, jedoch nicht auf dem höchsten Punkt des Peak, dessen Spitze noch 70 m höher liegt und von einer Signalstation gekrönt wird. Auf halbem Weg nach dieser liegt das Mount Austin Hotel, welches, in riesigen Dimensionen angelegt und mit allem Komfort ausgestattet, nicht nur ständige Bewohner beherbergt, sondern allabendlich auch zahlreiche Europäer aufnimmt, die früh morgens wieder hinab zur Stadt fahren, ihrem Beruf zu obliegen. Wir feierten hier unsere Bergfahrt mit einem lukullischen Mahl, welches, wenngleich aus englischer Küche hervorgegangen, doch ganz schmackhaft war, und traten in fröhlicher Stimmung die Rückkehr nach dem in einem Lichtmeer erglänzenden Victoria an.

In Singapur hatte ich infolge des Tropenfiebers, das mich befallen, unterlassen müssen, ein chinesisches Theater zu besuchen, und wollte daher hier in Hongkong dieses Versäumnis nachholen; doch fanden wir bei allen Kunsttempeln, wo wir der Reihe nach vorfuhren, leider verschlossene Pforten; wir hatten eben nicht bedacht, dass heute Samstag war, an welchem Tage die strengen englischen Polizeivorschriften jede theatralische Aufführung untersagen.
Wir benützten somit die Zeit, um eine der zahlreichen Opiumhöhlen zu besuchen. Im Gegensatz zu Indien, wo Opium meist in Form von Pillen oder in flüssiger Lösung genossen wird, bildet in China das Rauchen von Opium die Regel. Während man behauptet, dass der in Indien übliche Genuss von Opium im Stande sei, eine Steigerung der körperlichen Leistungsfähigkeit nach sich zu ziehen, den Mut zu erhöhen und Krankheiten hintanzuhalten, — wenn überhaupt, so dürften diese Wirkungen wohl nur infolge geringer Dosen und bloß anfänglich eintreten — werden dem Rauchen von Opium nur üble Folgen nachgesagt. Bei unserem Eintritt in die auserwählte Höhle war es noch zu früh an der Zeit, um den eigentlichen Opiumrausch beobachten zu können; immerhin befanden sich die Raucher bereits im Vorbereitungsstadium. Der Opiumraucher braucht, um sich in den Zustand der ersehnten Betäubung zu versetzen, mehrere Pfeifen, die er in gewissen, durch Tabakrauchen oder träumerisches Nichtstun ausgefüllten Pausen schmaucht.

Der enge Raum enthielt hölzerne Lagerstätten, — „Pritschen“ — deren jede mit einem aus Holz oder aus Ton gefertigten niedrigen Gestell ausgestattet ist, welches als Kissen dient.

Halbnackte Männer waren auf diesen nichts weniger als üppigen Ruhebetten hingestreckt, und jeder hatte die zum Opiumrauchen erforderlichen Utensilien neben sich, vor allem die Pfeife, welche stets aus einem Bambusrohr und dem konischen Pfeifenkopfe besteht, an dem eine kleine, zur Aufnahme des Opiums bestimmte Öffnung angebracht ist. Vor jedem Raucher steht ein mit einer kleinen Lampe versehenes und mit dem dickflüssigen Opium gefülltes Gefäß, aus welchem der Raucher eine Dosis auf die Öffnung der Pfeife legt, die er an der Lampe in Brand setzt, um den betäubenden Duft in langen Zügen einzusaugen. Dies wiederholt sich, bis die gewünschte Wirkung eintritt und der Raucher der Wirklichkeit mit allen Sorgen, allem Elend entrückt ist, ein Traumleben ihn umfangen hält, entzückende Bilder ihn umgaukeln, er in Genüssen aller Art schwelgt, jeglicher seiner Wünsche ihm in Erfüllung gegangen ist. Aber um welchen Preis vollzieht sich die kurze Flucht aus dem irdischen Jammertal in ein Land süßen Träumens? Gespenstern gleich, mit abgezehrten Leibern, hohlem, stierem Blick, bleichen Wangen und Lippen, wandeln die Opiumraucher einem frühen Ende entgegen. Die vor uns hingestreckten Raucher waren erst bei ihrer dritten oder vierten Pfeife angelangt, trugen aber ohne Ausnahme in ihren Gesichtszügen den Stempel ihrer schrecklichen Verirrung zur Schau, ja ein Unseliger war bereits in das ersehnte Elysium entrückt — er lag im Zustand vollkommener Bewusstlosigkeit auf dem Altane des Hauses.

Es findet sich übrigens auch die Ansicht vertreten, dass nicht bei allen Rauchern die Folgen des Opiumgenusses in jener verhängnisvollen Art eintreten, welche man als Regel anzunehmen gewohnt ist, und die wir hier vor uns sahen; der Grad der nachteiligen Wirkung soll wesentlich von der Leidenschaftlichkeit abhängen, mit welcher das Opfer des Opiums dem Genuss dieses narkotischen Mittels sich hingibt. Hieraus wird auch der Schluss gezogen, dass die Beförderung des Opiumhandels und die fiskalische Ausnützung des Opiums sich vor dem Forum der Moral als nichts Schlimmeres und als nichts anderes darstellen, denn die Begünstigung des Handels mit Brantwein und dessen Behandlung als Steuerquelle. Wie dem auch sei, was ich in dieser Höhle gesehen, ließ mir das Opiumrauchen als eine der beklagenswertesten menschlichen Verirrungen erscheinen. Die in dem dumpfen Raum herrschende Temperatur, die scheußliche Ausdünstung der zusammengepferchten Menschen, physischer Ekel und moralischer Abscheu trieben uns bald wieder ins Freie.

Ein weiterer Rundgang durch die Höhlen des Lasters in den Vierteln des blühenden Nachtlebens wirkte bald so anwidernd, dass ich schleunig an Bord zurückkehrte.

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  • Ort: Hongkong
  • ANNO – am 22.07.1893 in Österreichs Presse.
  • Das k.u.k. Hof-Burgtheater macht Sommerpause bis zum 15. September, während das k.u.k. Hof-Operntheater ein Ballet „Die goldene Märchenwelt“ aufführt.

Hongkong, 22 July 1893

In the morning we were greeted by the usual rain which did not stop me to go on land where I happened to come to an anatomical museum by chance. I soon was convinced that these presentations are as abhorrent as similar ones in Europe. The sight of all these horrors that are presented to the visitor in these museums creates as an after-effect the releasing good feeling when seeing the most common things as long as they are not hideous or abominable.

To improve my affronted aesthetic sensibilities as quickly as possible by pleasant impressions I stepped into a shop which offered artful and all kinds of other products from Japan. Even though the visit of this interesting country was still pending, I already bought here a nice collection of characteristic objects among them namely vases, lacquerware and bronzes and not to be forgotten, the delightful kimonos that we are used to see in the operetta „Mikado„. The shop owners, the brothers Kuhn from Hungary, had soon discerned who we were and seemed to find it repeatedly necessary to assure me that they would not try to take advantage from me.

The deeply felt need for a bit of fresher air made us climb Victoria Peak. At first we visited a Chinese managed bar modelled on the American type and then weaved in palanquin on the spry shoulders of rushing coolies to the station at St. John’s Cathedral from where a funicular railway led to Victoria Peak.

The English spare no effort or cost to improve the comfort of life where ever they own colonies in order to make the stay as agreeable or at least as tolerable as possible. Thousands of the sons of Albion venture out each year for a long time, sometimes forever, into the colonies where relief from the sometimes quite bleak territory, assistance against adverse climates, the possibility of recovery after a day’s toil has to be provided. English energy has been known for being triumphant in ameliorating and refurbishment. Hongkong is in more than one way an excellent example for it, so too is the colony created on the heights of Victoria Peak that owes its existence and development to such a healthy understanding and practical endeavor. The governor and other dignitaries have their domicile here for a good part of the year in comfortable villas. Members of the armed forces recover in a military sanatorium built in 1883 and large hotels offer the possibility to the inhabitants of Victoria to stay in airy heights during the hot season or to breathe in fresher air in the evening after the daily work has been completed. When dull mugginess is laying over the city, all who can will drive to the Peak during the evening hours to partake in the enjoyment of the difference in temperature of about 10° C in comparison to Victoria.

Victoria Peak has extremely steep slopes and drops abruptly down to the city. The funicular railway’s tracks are laid as audaciously as this situation demands and has to surpass great terrain obstacles even if not such slopes as on the Pilatus railway. It therefore can be justly called a marvel of technology. The railway ascends the slopes of Victoria Peak through the villa quarter where the richer Europeans have created agreeable places to live in their tasteful country mansions surrounded by delightful gardens. From the station next to a small Anglican church the trace is extremely steep up to the Peak. During the journey one has a panoramic view of rare beauty which increases in splendor in scope and picturesque beauty the higher we ascend. It nearly seemed like the sea of houses of Victoria was vertically below us and muffled, finally barely perceptible the accompanying noise of a pulsating life of the great city reaches our ear.

We ascended ever higher up until the city and the harbor with its countless ships lay below us like a Liliputian world and the proud „Elisabeth“ seemed to have been reduced to the dimensions of a small ship model. From the heights our glances swept far over the infinite sea and all surrounding islands of Hongkong, the harbor, the city and the Chinese mainland which was plastically highlighted in front of a dark wall of clouds. The fantastic picturesque landscape we were marvelling about here looked in their attractive strangeness like those audaciously imagined images that contain the fancy allure that Chinese  and Japanese artists know to weave into their rugs.

Unfortunately we could not enjoy the view of this splendid panorama for long as a rainstorm was growing. Pushing fog and rain toward us, it soon made the magical images at our feet disappear, and we were in the midst of the rainstorm. Despite the bad weather we felt quite comfortable up there as we could for once breathe in mountain air! Only somebody who has spent months in the tropical seas may appreciate the full greatness of the delight offered by mountain heights and fresh air. „Freedom dwells in the mountains“ — the freedom from the oppressive, tiring mugginess of the low lands, of the cities. But homesickness too which never fully leaves a traveller on such a long journey also dwells on the mountains and stronger than for a long time it affected me in these airy heights.The mountains of home rose in front of me out of the ocean and it seemed to me that no landscape was more gorgeous than our Austrian mountains.

The funicular railway ends at Victoria Cap, but not at the highest point of the Peak whose top still extends 70 m higher and is crowned by a signal station. Halfway there lies Mount Austin Hotel whose giant dimensions and equipped with all comforts does not only host permanent guests but also numerous Europeans in the evening who drive down to the city in the morning to engage in their professions. We celebrated our mountain trip with a Lucullan meal which was quite tasty, even if produced from English cooking, and made the return trip in a happy mood to Victoria which was illuminated in a sea of lights.

In Singapore I could not visit a Chinese theater due to my tropical fever that had taken hold on me. I therefore wanted to make good this lapse in Hongkong. But we found all art houses, we drove to one after another, unfortunately closed. We plainly did not consider that it was Saturday, a day the severe English police instructions prohibited any theatrical performances.

We therefore used the time to visit one of the numerous opium dens. In contrast to India where opium is generally consumed in forms of pills or as a liquid solution, in China it is customary to smoke opium. While it is proclaimed that the usual consumption of opium in India is said to increase the body’s performance and courage and prevent diseases — if at all, these effects must be due to the low dosage and only at the beginning — only negative effects are known about the smoking of opium. When we entered into the selected den it was still to early to observe the actual opium intoxication. At least the smokers were already in the preparatory stages. The opium smoker requires multiple pipes to obtain the desired state of intoxication which he smokes in certain pauses filled with smoking tobacco or dreaming idleness.

The narrow room contained wooden beds — „cots“ — each of which had a low mount made out of wood or clay to serve as a pillow.

Half-naked men lay extended on the no less than luxurious daybeds and each had the tools for smoking opium at his side, especially the pipe which always consists of a bamboo tube and the conical pipe head that has a small opening for putting the opium inside. In front of each smoker also sits a vessel filled with viscous opium and a small lamp. The smoker puts a portion on the opening of the pipe which he lights up with the lamp in order to breathe in the intoxicating scent in long puffs. This is repeated until the desired effect is achieved and the smoker is carried away from reality with all its worries and all its misery and caught in a dream world, surrounded by delightful illusionary images in which he enjoys pleasures of all kind and all his desires are fulfilled. But at which price does this short flight from earthly misery into a land of sweet dreams come? Like ghosts with haggard bodies, fixed stares, pallid cheeks and lips the opium smokers stumble to an early death. The smokers laying in front of us had only reached their third or fourth pipe but their facial expressions showed without exception the mark of a horrible aberration, one of the miserable men had even reached the desired Elysium — he lay unconscious on the balcony of the house.

There exist by the way also opinions that not all smokers will suffer the fatal consequences from consuming opium that one is used to accept as a general rule and that we could witness in front of us. The level of negative effects is said to be considerably dependent on the passion with which the victim gives in during the consumption of opium, to the pleasure of this narcotic agent. From this it is concluded that the promotion of the opium trade and the fiscal exploitation of opium is not worse in terms of morality than the promotion of trade of spirits and its use as a source of tax income. Whether this is right, what I have seen in this den, gave me the impression that smoking opium is one of the most lamentable human aberrations. The prevalent temperature in the dull room, the horrible perspirations of the penned up humans, physical disgust and moral repugnance soon drove us out into the open air.

Another tour of these dens of vice in these active night life quarters proved soon so nauseatic that I quickly returned on board.

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