Da die frühen Morgenstunden für die Jagd auf Schnabeltiere nicht weniger Erfolg versprechen als der Abend, weil die Tiere auch des Morgens ihren Bau verlassen und äsend emportauchen, bat ich unseren Jagdherrn, mich noch einmal mein Glück auf Schnabeltiere versuchen zu lassen. Schlag 6 Uhr war ich bereit; doch verging leider fast eine ganze kostbare Stunde, bevor unsere Pferde auf der Weide eingefangen waren. Obgleich wir dann die ziemlich bedeutende Entfernung bis zu einer geeigneten Stelle scharf reitend zurücklegten, kamen wir doch erst zu vorgerückter Stunde an den Fluss; immerhin wurde die Situation durch den Umstand gerettet, dass dichter Nebel über dem Flussgelände lag.
Während dieses Rittes lernte ich eine mir bis jetzt unbekannte Methode kennen, krumme Pferde zu heilen. Der brave Fuchs, den ich ritt, ging nämlich stocklahm, musste aber gleichwohl, um mich rechtzeitig nach dem Jagdplatz zu bringen, drauf los galoppieren; als nun das Übel begreiflicherweise nicht besser wurde, veranlasste mich Mr. Badgery, das Pferd gegen das seine zu tauschen, so dass der schmächtige Fuchs Mr. Badgery mit dessen Gewicht, welches das Doppelte des meinen überstieg, im gestreckten Galopp über Stock und Stein zu tragen hatte. Unglaublich und doch wahr — nach einer halben Stunde war das Pferd kuriert!
Der Ort, an welchem ich den Anstand auf Schnabeltiere beziehen sollte, war gleich jenem des Vortages eine steil abfallende, von Bäumen beschattete Schlucht, in deren Sohle ein Gewässer ruhig dahinfloss. Mr. Badgery blieb bei den Pferden zurück, während ich mit dem Jäger an den Flussrand abstieg, wo ich, kaum angelangt, schon ein Schnabeltier auftauchen und im Wasser fortziehen sah. Ein glücklicher Schuss tötete das Tier sofort, aber dann war guter Rat teuer, wie desselben habhaft werden, da es mitten im tiefen Wasser abwärts trieb und niemand danach gelüstete, an dem sehr kühlen Morgen in der eiskalten Flut zu schwimmen. Endlich kam mein praktischer Australier auf die rettende Idee, Steine hinter das tote Schnabeltier zu werfen und dasselbe durch die auf diese Weise entstehenden Wellen allmählich an das Ufer zu treiben. Diese Prozedur währte zwar etwas lange, brachte uns aber schließlich doch in den Besitz des Tieres, welches sich als altes Männchen erwies. Einige hundert Meter flussabwärts kam mir neuerdings ein Schnabeltier zu Gesicht; doch konnte ich das Tier nur tauchen sehen und leider keinen Schuss anbringen.
Nun erklärte der Jäger, dass er 2 km weiter noch eine günstige Stelle wisse; doch sollten wir eilen, um sie rechtzeitig zu erreichen. Wir schwangen uns also rasch in den Sattel und ritten die Tallehne entlang einen recht schlechten, steinigen Weg, der fast nur für Ziegen praktikabel gewesen wäre, den aber die Pferde mit merkwürdiger Geschicklichkeit zurücklegten. Wir kletterten die Böschung zum Fluss hinab, und bald sah ich nächst dem jenseitigen Ufer, vorläufig aber noch außer Schussweite, ein Schnabeltier wiederholt auftauchen und, nach der schwarzen Rückenlinie zu schließen, schwimmend Kreise ziehen; auch deutete mir der Jäger durch Zeichen an, dass er flussabwärts noch ein zweites Schnabeltier erblickt habe. Ich entschloss mich, hinter Bäumen gut gedeckt, abzuwarten, bis sich eines der Tiere dem diesseitigen Ufer genähert haben würde, was sehr wahrscheinlich bald geschehen wäre, wenn sich nicht in Gestalt Mr. Badgerys das Verhängnis eingefunden hätte. Dieser vermochte seine Neugierde nicht mehr zu bezwingen und war mit den Pferden bis auf einen Felsvorsprung angerückt, von welchem aus er das Wasser überblicken konnte und leider auch bald die beiden Schnabeltiere entdeckte, worauf er begann, mir in der besten Absicht unaufhörlich zuzurufen, um mich auf das Vorhandensein der Tiere aufmerksam zu machen. Der mich begleitende Jäger konnte sich nicht enthalten, ihm trotz meiner flehentlichen Gebärden zu antworten, so dass sich par distance ein lautes Zwiegespräch entwickelte, welches natürlich die so ungemein scheuen Schnabeltiere zu schleunigstem Verschwinden bewog. Obschon dieselben im übrigen auf einer tiefen Stufe der Entwickelung stehen, sind doch Gehör und Gesicht ungemein scharf, so dass der entfernteste, durch diese Sinne vermittelte Verdacht einer Gefahr die Tiere untertauchen und in den Bau fahren lässt, aus dem sie sich dann vor dem Abende nicht mehr hervorwagen.
In nicht eben rosiger Stimmung erkletterte ich wieder den Uferhang, opferte meinem Unwillen ein schuldloses Felsen-Wallaby, welches den Weg kreuzte, und konnte die Kritik des Übereifers Mr. Badgerys — bei meiner mangelhaften Kenntnis der englischen Sprache — nur in die wiederholt im Tone des Vorwurfes ausgerufenen Worte „not well, not well“ zusammenfassen. Mr. Badgery erwiderte meine Worte anfangs lediglich mit stoischem Lächeln; dann aber versuchte er mir in längerer Auseinandersetzung Aufklärung zu geben. Da sich hiebei das Wort Breakfast öfter wiederholte und Mr. Badgery in der Richtung auf die Farm deutete, musste ich schließen, dass seine Neugierde von einem sehr prosaischen Motiv, von gewaltigem Hunger, beherrscht war und er denselben nunmehr zu stillen wünsche, weshalb an eine weitere Fortsetzung der Jagd kaum mehr zu denken war. Ich machte zwar noch einen schüchternen Versuch, indem ich unter entsprechend begleitenden mimischen Zeichen wiederholt flehend „Piatypus“, das ist die englische Bezeichnung für Schnabeltier, ausrief und auf den Fluss deutete, aber mein Jagdherr blieb unerbittlich, schwang sich auf seinen Gaul, winkte mir zu folgen, und so ritten wir dem Breakfast entgegen. Auf dem Wege nach der Farm hatte ich doch noch einigermaßen Waidmannsheil, indem ich zwei Bären und einen Bussard erlegte.
Nachdem Mr. Badgery sich an einem guten Frühstück erquickt hatte, zogen wir, da mittlerweile die Sonne über den Nebel gesiegt hatte, zur Jagd auf Felsen-Wallabies aus, ebendorthin, wo am Vortag die günstigen Resultate erzielt worden waren. Schon im ersten Triebe wurde eine erstaunliche Anzahl von Wallabies flüchtig, die aber diesmal meinen Stand größtenteils mieden und seitwärts ausbrachen, wo Wurmbrand und Clam standen, so dass der eine 18, der andere 19 Stück erlegte. Da nämlich gestern einige Stücke links von mir ausgebrochen waren, beabsichtigte der Jagdleiter dies heute dadurch hintanzuhalten, dass er einige Leute zur Abwehr an den kritischen Punkt entsandte, doch hatten diese den Auftrag falsch erfasst und wehrten statt oberhalb meines Standes vor demselben ab, so dass das Wild fast immer umkehrte, bevor ich zum Schuss kommen konnte. So betrug denn meine Strecke nur sechs Felsen-Wallabies. Ein zweiter Trieb verlief ohne jegliches Ergebnis, während ein in aller Eile an einer Gabelung des Tales inszenierter, nur wenige Minuten erfordernder Trieb mir zehn Wallabies lieferte, obwohl zu treiben begonnen wurde, bevor ich meinen Stand bezogen hatte.
Nun sagten wir dem schönen Felsental, in dem wir gestern und heute manch frohe Stunde verbracht hatten, Lebewohl und eilten, die Farm passierend, nach einem entlegenen Hügel, auf welchem noch ein letzter Trieb vor unserer Abfahrt versucht wurde. Leider gelang dieser Versuch nicht, da das Wild an den Flanken ausbrach, so dass nur Wurmbrand und Prónay je ein Wallaby schossen, während ich mich mit einem Hasen begnügte.
Hiemit war auch das Ende der so vortrefflich gelungenen, interessanten Jagdexpeditionen in Neu-Süd-Wales gekommen. Wir mussten nach Sydney zurückeilen, wo unser gesellschaftliche Verpflichtungen harrten, da an Bord der „Elisabeth“ ein von mir und den Herren des Stabes gegebenes Nachmittagsfest stattfinden sollte, zu welchem die Einladungen schon vor meiner Abreise nach Arthur’s Leigh Badgery Station ergangen waren.
Die Wagen hatten, damit ja jedem Zeitverlust infolge Steckenbleibens vorgebeugt sei, den Wollondilly River schon früher übersetzt, und wir fanden daher, als wir denselben zu Pferde durchquert hatten, die Gefährte bereits wohlbehalten auf dem anderen Ufer. Hier nahmen wir von den liebenswürdigen Farmern und dem Jagdgefolge Abschied und traten, beim Besteigen der Wagen von einem dreimaligen Hurrah begrüßt, die Rückfahrt nach Moss Vale an, wo wir nach vierthalbstündiger Fahrt anlangten.
Da der Zug von hier erst tagsdarauf gegen 2 Uhr morgens nach Sydney abgehen sollte, arrangierten wir in aller Eile aus dem Stegreif eine Nachtjagd. Wir hatten einen Jäger ausfindig gemacht, der drei gute Hunde besaß, die zu dem Zweck abgerichtet waren, Kusus und Beutelmarder (Dasyurus viverrinus) zu suchen, auf Bäume zu treiben und dann zu verbellen.
An der Stelle, außerhalb des Ortes, an welcher der Jäger mit den Hunden unser bereits harrte, stürmten diese auf das Kommando „Go on“ auch schon fort, um nach wenigen Minuten heftig Standlaut zu geben. Ich eilte rasch hinzu und sah, wie die Hunde Hals gebend an einem Eucalyptus-Baume hinansprangen. Der Mond fiel günstig ein, so dass mein erster Schuss mir gleich einen Beutelmarder einbrachte, den ich nach einigem Suchen auf einem Ast entdeckt hatte. Dieser ebenfalls zu den Beuteltieren gehörige Räuber ähnelt im Baue sehr unserem Marder; der Leib ist schmächtig und gestreckt, der Hals ziemlich lang, der Kopf gestreckt und die Schnauzenspitze fleischrot, der Schwanz lang und gleichmäßig buschig behaart; die Zehen sind an den niederen Beinen mit sehr starken, spitzigen Krallen bewehrt; das Fell an der Oberseite fahlbraun, mit weißen Flecken gesprenkelt, an der Unterseite weiß. Etwas kleiner als der Kusu, erreicht der Dasyurus viverrinus eine Leibeslänge von 40 cm und eine Schwanzlänge von etwa 30 cm. In seiner Lebensweise erinnert dieser Beutler ganz an jene des Kusus, indem er den Tag in Löchern verbringt, nachts aber auf Nahrung ausgeht, den Hühnerställen gleichfalls Besuche abstattend und daselbst alles schonungslos mordend.
Von ihrem Besitzer angefeuert, eilten die Hunde weiter, und bald tönte abermals Standlaut; doch diesmal kam eine Novität, nämlich ein Kusu uns noch unbekannter Art, der Ringelschwanz-Kusu, zur Strecke. Mit den drei Hunden zu jagen, bereitete in der Tat Vergnügen, da sie rasch jede frische Fährte fanden und dieselbe verfolgten, bis sie das Wild zum Aufbäumen gebracht hatten; dann erst gaben sie Laut und hielten aus, so dass die Jäger herbeikommen und das Stück erlegen konnten. Einen Beutelmarder, der wahrscheinlich nicht schnell genug aufgebäumt hatte, apportierte uns die brave Meute. Der Sohn des Jägers, ein Bursche von etwa zehn Jahren, der sich dem Vater angeschlossen hatte, zeichnete sich durch die Schärfe seiner Augen aus, dank welcher er das Wild stets zuerst in den Ästen entdeckte, um es mir triumphierend zu zeigen; war ein Stück nach einem Schuss gefallen, so sprang der Knirps rasch zu, um es vor den Hunden zu bewahren. Bis gegen Mitternacht hatte ich sechs Beutelmarder und sechs Kusus erlegt — gewiss eine seltene, unter originellen Umständen bei Nacht im Mondschein erzielte Strecke.
Als wir uns beim Durchstreifen des Waldes der Behausung des Jägers genähert hatten, waren die Hunde plötzlich verschwunden, und alles Pfeifen und Rufen blieb vergeblich, weshalb der Besitzer vermutete, dass sie, durch die lange Dauer der Jagd ermüdet, heimgekehrt seien, der Ruhe zu pflegen. Wir folgten diesem Beispiel und fuhren nach Moss Vale zurück.
Links
- Ort: Moss Vale, Australien
- ANNO – am 25.05.1893 in Österreichs Presse.
- Das k.u.k. Hof-Burgtheater spielt „Faust“, während das k.u.k. Hof-Operntheater “Der Freischütz“ darbietet.