Da die Farm, Arthur’s Leigh Badgery Station, welche uns während der Jagdtage beherbergen sollte, 34 km von Moss Vale entfernt ist, wurde der Weg dahin von der ganzen Gesellschaft zu Wagen zurückgelegt. Leider hatten wir aber nicht mehr die guten Pferde Mr. Macks, sondern im Gegenteil recht lebensmüde Gäule, so dass wir zu der Fahrt, die in dritthalb Stunden hätte bewerkstelligt werden können, über vier Stunden brauchten.
Das Wetter war günstig, die Temperatur niedrig. Wir kamen durch das eine Bevölkerung von 1240 Einwohnern zählende Städtchen Moss Vale, das sich mit seinen Villen weit ins Land erstreckt und ein dem jeweiligen Gouverneur von Sydney zur Verfügung stehendes Landhaus enthält, welches von jenem in der Regel während der heißen Monate bezogen wird. Der Straße, die über hügeliges Terrain hinwegführt, folgend, durchzogen wir einzelne kleine Ortschaften, aus Wellblech und Holz in dem uns schon bekannten „australischen“ Stil erbaut, und kamen an zerstreut liegenden Farmen vorbei, zwischen welchen sich mit dürren, mächtigen Eucalyptus-Stämmen bewachsenes Weideland hinzieht. Unter den Bäumen flogen bunte Papageien hervor. Mehrere Exemplare des Pennant-Sittichs (Platycercus elegans), in dem karminroten Federkleid mit himmelblauen Flügeln und Stößen farbenprächtig anzusehen, fielen mir zur Beute. Nach etwa 13 km traten wir in den Wald, den Busch, ein, welcher doch noch, obgleich von der Axt des Farmers stark gelichtet, schöne, hohe Bäume aufwies, größtenteils wieder Eucalyptus mit Nadelholz untermischt.
An einer Stelle des Waldes machte uns Mr. Badgery auf einen Baum aufmerksam, dessen Äste weit über die Straße ragten; ich blickte empor und sah auf dem Baum ein größeres Tier, nach Art des Faultieres zusammengekauert, an einem Ast hängen.
Ohne über die Art, welcher das Tier wohl angehören könne, klar zu sein, schoss ich mit starkem Schrot danach; der Schuss brachte, obgleich ich, da viel Wolle aus dem dichten, grauen Felle stob, offenbar ganz gut getroffen hatte, wenig Wirkung hervor, denn das Tier klammerte sich mit den Armen nur noch fester an den Ast und schien erst auf den dritten Schuss verendet zu sein, ohne sich vorher merklich geregt zu haben. Eben wollten wir den Baum ersteigen lassen, als das Tier mit einem Mal auf die Straße herabfiel und ich in ihm nun den sogenannten Australischen Bären (Phascolarctus cinereus) erkannte. Derselbe gehört zur Ordnung der Beuteltiere und erinnert in seinem Äußeren an einen kleinen Bären; das ausgewachsene Tier erreicht kaum einen Meter Länge; der Körper ist gedrungen gebaut und mit einem sehr dichten, weichen Felle bedeckt, das am Rücken grau, auf dem Bauch und den Innenseiten der Extremitäten aber weiß ist; der Kopf ist rund wie eine Kugel, die Schnauze abgeplattet; die Ohren tragen Büschel und stehen aufrecht ab; die fünf Zehen der Vorderfüße sind in zwei Gruppen geteilt, die Hinterfüße durch Verwachsung der zweiten und dritten Zehe ausgezeichnet; die beim Klettern wichtige Dienste leistende Daumenzehe der Hinterfüße ist nagellos. Das von mir erlegte Tier hatte ein Junges, welches ihm beim Sturz vom Baum aus dem Beutel gefallen war.
Eine Eigentümlichkeit des Australischen Bären ist dessen Trägheit und Apathie, seine einzige Geschicklichkeit das Klettern; doch erfolgt auch dies mit erstaunlicher Langsamkeit. Wir versuchten einige Zeit danach einen ziemlich tief an einem Baum hängenden Beutelbären durch Schreien und Lärmen zur Flucht oder doch mindestens zu einigen rascheren Kletterbewegungen zu veranlassen; allein derselbe nahm geraume Zeit hindurch keinerlei Notiz von uns, blickte endlich mit lässiger Wendung des Kopfes herab, kletterte wenige Zentimeter höher und blieb dann wieder ruhig auf dem Ast hängen, von dem ich ihn schließlich herabschoss.
Der Australische Bär kommt selten zur Erde herab, sondern lebt beinahe ausschließlich auf den Bäumen; er pflegt auf einem und demselben Stamme so lange zu verweilen, bis er alle Blätter, seine ausschließliche Nahrung, abgeäst hat, und besteigt, wenn der Baum kahl gefressen, einen anderen, der ihm zusagt, um daselbst zu bleiben, bis ihn Nahrungssorgen zu neuerlichem Wechsel des Standortes zwingen. Infolge seiner phlegmatischen Lebensweise wäre dieser Bär gewiss ein leicht zu bestätigendes Wild; er wird jedoch im allgemeinen wenig verfolgt, da sein Fell geringen Wert besitzt — ein Glück, weil dieses merkwürdige Tier sonst wohl bald ausgerottet wäre. Der Verbreitungsbezirk des Beutelbären soll ein sehr beschränkter sein und sich nur auf einzelne Gegenden von Neu-Süd-Wales, insbesondere auf die Wälder im Südwesten Sydneys, erstrecken.
Während der restlichen Fahrt durch den Busch, welche der Qualität der Pferde und der vielen Terrainschwierigkeiten halber recht langsam vonstatten ging, lugten wir eifrig nach Australischen Bären aus, welche jedoch nicht so leicht zu entdecken sind, da man sie auf den Ästen oder Stämmen, deren Färbung mit jener des Wollkleides fast ganz übereinstimmt, kaum wahrzunehmen vermag. Gleichwohl gelang es mir, noch sieben Stücke zu erlegen, wobei ich über die Passivität dieses Tieres den Schüssen gegenüber jedes Mal aufs Neue in Erstaunen geriet. Man trifft den trägen Gesellen natürlich auf den ersten Schuss; aber häufig bedurfte es sogar einer ganzen Reihe von Schüssen, bis der Bär verendet vom Baum, an den er sich mit den Vorderarmen und den Krallen geklammert hatte, herabfiel.
In einem tief eingeschnittenen Tal hatten wir den Wollondilly River mit seinem sehr steinigen Bette durch eine Furt zu übersetzen. Die beiden ersten Wagen passierten das Hindernis glücklich, der dritte aber, auf dem sich Hodek, unsere Jäger sowie ein Teil der Bagage befanden, blieb mitten im Wasser stecken, da sich die Räder zwischen den Steinen festgefahren hatten und die Pferde nicht im Stande waren, das Gefährte wieder flott zu machen; infolge des Stoßes, den letzteres erlitten hatte, flog ein kleiner Koffer ins Wasser und schwamm lustig den Fluss hinab, bis er endlich weit unterhalb der Übergangsstelle wieder herausgefischt wurde. Um den Wagen eines Teiles seiner Last zu entledigen, mussten die Insassen sich endlich entschließen, abzusteigen und das Gewässer zu durchschreiten — ein tragikomisches Bild, da sie begreiflicherweise wenig erbaut waren und nur zaghaft in die kalten Fluten tauchten. Gleichwohl gelang es erst mit Hilfe requirierter Leute, den Wagen in Bewegung zu setzen, aus dem Fluss heraus- und über die jenseitige steile Uferlehne emporzubringen.
Endlich waren wir bei der Farm Badgery Station eingetroffen, einem kleinen, niedrigen, ebenerdigen Gebäude, umgeben von Ställen und primitiven Wirtschaftsgebäuden, inmitten gerodeten Landes gelegen. Hier empfing uns Mr. Badgerys Bruder, der sonst in Moss Vale wohnt, während der nächsten Tage jedoch hier als Jagdleiter fungieren sollte. Unsere Ankunft war infolge der geringen Leistungsfähigkeit der Pferde, der unterwegs betriebenen Jagd auf Bären und derzeitraubenden Durchquerung des Flusses verspätet, nämlich erst gegen 1 Uhr erfolgt, so dass ein Frühstück unvermeidlich schien; gleichwohl stellte der Hausherr für den Rest des Tages noch eine Jagd auf Känguruhs und Wallabies in Aussicht.
Nachdem Reitpferde von der Weide eingefangen worden waren, setzte sich die Kavalkade von 25 Reitern in Bewegung, dem nahen Walde zu; hier trennten sich die berittenen Treiber von uns, während wir einem trockenen Wasserriss entlang unsere Stände bezogen: Vor
uns dehnte sich vorwiegend mit blauen Gummibäumen bewachsenes, hügeliges Terrain aus, in welchem der erste Trieb stattfinden sollte. Kaum auf unseren Plätzen, sahen wir schon allenthalben zwischen den Büschen Wallabies zum Vorscheine kommen, auf welche das Feuer von der ganzen Schützenlinie eröffnet wurde, allerdings nicht immer mit dem gewünschten Erfolge, da einzelne der Schützen sich durch bedeutenden Mangel an Treffsicherheit auszeichneten. Ich hatte keinen günstigen Stand, sah zwar viel Wild, konnte aber, weil dasselbe, eine tiefe Schlucht scheuend, meist zwischen meinen Nebenschützen durchbrach, selten zum Schuss kommen. Die berittenen Treiber wurden ihrer Aufgabe vollkommen gerecht, indem sie nicht so blindlings umherstürmten wie jene, welche bei den Jagden Mr. Macks verwendet worden waren, sondern im Schritte ritten und das Wild durch Schreien sowie durch Knallen mit den Peitschen gegen die Stände trieben. Die Gesamtstrecke betrug 15 Stücke.
Die hier erbeuteten Wallabies — mit diesem Namen werden von den Engländern alle kleineren Känguruharten bezeichnet — unterscheiden sich von dem Riesenkänguruh, das wir bisher gejagt hatten, durch lebhaftere, in das Bräunliche spielende Farbe des Felles. Die erlegten Stücke wurden nach den Trieben gleich an Ort und Stelle abgezogen und die Decken an die Sättel gehängt, um abends in der Farm dem Präparator übergeben zu werden. Das Abstreifen der Decken geschieht mit erstaunlicher, große Übung in dieser Prozedur bezeugender Geschicklichkeit und Schnelligkeit.
Der nächste Trieb fand vom Fuß eines Hügels aus die Lehne empor statt, ohne dass ich hiebei zum Schuss kommen konnte. Die übrigen Schützen hatten fünf Wallabies aufzuweisen.
In zahlreichen Hasen, die ich zu Gesicht bekam, begrüßte ich Vertreter unseres europäischen Lepus timidus, der vor einiger Zeit hier eingebürgert worden ist und sich in seiner neuen Heimat sehr wohl zu befinden scheint.
Obwohl die Sonne bereits im Untergehen begriffen war, wurde noch ein Trieb unternommen; er brachte uns eine Beute von 15 Wallabies und zwei Känguruhs. Soviel ich bemerken konnte, sind die Wallabies scheuer und vorsichtiger als die Känguruhs, denn sie werden schon flüchtig, sobald sich die Treiber nur einigermaßen bemerkbar machen und setzen sich nach wenigen Sprüngen jedes Mal aufrecht nieder, um nach allen Seiten hin zu äugen, wobei sie jede, auch die geringste Bewegung des Schützen wahrnehmen und dann sofort umschlagen oder
in tollen Sprüngen außer Schussweite vorbeisetzen. Manchmal drücken sich die Wallabies, besonders wenn sie schon in die Enge getrieben sind. vor den Treibern nieder und springen erst im letzten Augenblick auf. Einige der erlegten Weibchen trugen Junge in verschiedenen Entwicklungsstadien in den Beuteln.
Nach Schluss dieser sehr gelungenen Jagd kehrten wir in die Farm zurück, um rasch zu speisen, da uns für den Fall, als der Mond sichtbar sein würde, noch eine nächtliche Expedition auf Opossums in Aussicht gestellt war. Was hier „Opossum“ genannt wird, ist der Fuchskusu (Phalangista vulpina), während die eigentlichen Opossums (Didelphys) eine in Amerika vorkommende, aus verschiedenen Arten bestehende Gattung von Beuteltieren bilden.
In der That leuchtete Luna gegen 8 Uhr in voller Klarheit hernieder, so dass wir alsbald unter Führung zweier Australier, die in der Jagd auf Opossums Erfahrung hatten, den Marsch antreten konnten, um zunächst den Rand eines Waldes abzustreifen. Die ungewohnte Art der Jagd bei Nacht und im Mondscheine gestaltete sich interessant und spannend.
Auf Geheiß der Jagdkundigen lösten wir uns in eine Linie auf und gingen ziemlich laut vor, um die auf dem Boden äsenden Opossums zum Aufbäumen zu bewegen. Wir waren kaum einige hundert Meter vorgegangen, als mir einer der Jagdleiter durch einen Pfiff andeutete, dass er ein Opossum entdeckt habe, und mich nach einem starken Ast wies, auf welchen sich das Wild gedrückt haben sollte; doch konnte ich dasselbe durch längere Zeit nicht wahrnehmen, und erst als ich mich gegen das auf den Ast einfallende Mondlicht stellte, vermochte ich die Kontur eines Opossums zu unterscheiden, welches sich unbeweglich, nach Art des Marders, gegen den Ast gedrückt hatte. Nach dem Schuss fiel das Tier verendet vom Baum.
Der Körper des Fuchskusus ist etwa einen halben Meter lang, mit einem äußerst dichten, wolligen Felle bedeckt; die Rute ist buschig wie eine Fuchslunte; das Haupt, über das zwei schwarze Streifen laufen, ähnelt mit der spitzen Schnauze jenem des Marders; die Lichter sind groß und schön; die Lauscher stehen aufrecht. Das Tier macht in seinem Körperbau und der Zeichnung einen überaus zierlichen Eindruck. Tagsüber ist es nicht sichtbar, sondern hält sich in Höhlen und Baumlöchern auf und kommt erst mit Einbruch der Nacht hervor; es ist vorwiegend Pflanzenfresser und äst das Gras am Rande der Wälder; die Fundorte sind daher hauptsächlich Schafweiden, die mit großen Bäumen besetzt sind. Der Fuchskusu ist nicht träge wie der Australische Bär, sondern im Gegenteil recht beweglich; nur wenn er auf einen Baum geflüchtet ist, drückt er sich regungslos an einen Ast. Dieses Tier wird seines vorzüglichen und geschätzten Felles halber, sowie weil es sich räuberische Einfälle in die Hühnerställe zuschulden kommen lässt, vielfach verfolgt und dürfte auch bald zu den selteneren Tieren gehören.
Es ist eigentümlich, wie bald sich das Auge daran gewöhnt, die Tiere in dem fahlen Licht des Mondes, das sie auf den hohen Eucalyptus-Bäumen nur wie kleine, dunkle Flecken erscheinen lässt, wahrzunehmen. Wir streiften in der herrlichen, kühlen Mondnacht noch durch etwa zwei Stunden umher und kehrten endlich, nachdem ich sechs Kusus und einen Australischen Bären erlegt hatte, heim.
Links
- Ort: Badgery Station, Australien
- ANNO – am 23.05.1893 in Österreichs Presse.
- Das k.u.k. Hof-Burgtheater spielt „Der Marquis von Villemer“, während das k.u.k. Hof-Operntheater die Oper “Cavalleria Rusticana“ und das Ballet „Rouge et Noir“ darbietet.