Amboina, 1. Juli 1893

Als das Wetter sich aufgehellt hatte und die Sonne durch die Nebelschleier der Berge blickte, lud mich der Resident ein, vormittags die berühmten und von vielen Naturforschern gepriesenen Seegärten zu besuchen, welche etwa eine halbe Stunde nördlich von Amboina in der kleinen Bucht von Batu (Batoe) Mera knapp an der Küste liegen. Während zwei Herren ans Land gingen, um das Verladen der ethnographischen Sammlung zu beaufsichtigen, brachte die Barkasse mich, Wurmbrand und den Residenten rasch an Ort und Stelle.

Hier türmten sich auf dem Meeresgrund, in einer Tiefe von 4 bis 5 m, wegen der Durchsichtigkeit des Seewassers vollkommen sichtbar, zahllose weiße und rote Koralleninselchen auf, zwischen welchen allerlei bunte Strahltiere, Muscheln, Algen und lebhaft bewegte, vielfarbige Fischchen erschienen. Die verschiedenartigen Formen, glänzenden Farben und zarten Nuancen all dieser Gebilde und Wesen riefen im Schimmer der Sonne und im Reflexe des Seewassers allerdings den Eindruck hervor, als schaue man da drunten einen Garten; aber so lieblich der Anblick desselben auch war, fühlte ich mich doch einigermaßen enttäuscht. Ich hatte zu viel über die Seegärten von Amboina gehört, gelesen und kürzlich auf den Salomon-Inseln und in Neu-Guinea die Wunder der unbekannten Korallenbauten in zu großem Maßstab sowie in zu blendender Pracht gesehen, um den Seegärten von Amboina die Palme reichen zu können. Zudem waren hier viele Gebilde durch die häufigen Plünderungen seitens der Naturforscher und der Eingeborenen gebrochen oder zerstört, während dort alles noch ganz unberührt und, wie es die Natur geschaffen, vor dem entzückten Auge prangte.
Der Rädscha des in der Nähe liegenden kleinen Dorfes Batu Mera war in einer festlich geschmückten und mit vielen Ruderern bemannten Prau erschienen, um mich zu begrüßen. Während auf der Prau Trommler sowie Flötenspieler eine greuliche Musik verbrachen und wir vom Radscha gespendete Ananas verzehren mussten, tauchten einige der Eingeborenen nach Korallen, die sie in mein Boot legten.

Auch einen Fischzug gab es zu sehen, welchen der freundliche Resident in der an Fischen der mannigfaltigsten Art ungemein reichen Bucht mir zu Ehren veranstalten ließ. Die Amboinesen gehen zumeist bei Nacht mit der Angel auf den Fang aus und bringen ihre Beute morgens um 6 Uhr auf den Amboinaer Markt. Bei Verwendung größerer Schlepp- oder Grundnetze vermöchte man hier gar interessante und lehrreiche Fischzüge zu machen, doch verfügen die Leute, welchen die Menge der Beute die Hauptsache ist, nebst der Angel auch noch über andere, inferiore Fangmethoden. Bei der einen ist ein labyrinthisches System von Rohr- oder Bambusstäben in Verwendung, welches an der Küste aufgestellt wird und in einen Sack mündet; bei Flut können nun die Fische in diesen Sack gelangen, sehen sich aber, sobald die Ebbe eintritt, darin gefangen. Bei der anderen Methode wird ein kleines Schleppnetz am Rande der Küste ausgeworfen, worauf man die Fische gegen das Land treibt und dann fängt. Natürlich erhält man auf diese Weise nur kleinere Exemplare, deren Arten aber so zahllose sind, dass ich ganz erstaunt war, hier eine solche Mannigfaltigkeit von Fischen vorzufinden; denn ich hatte bald zwei große Spiritusbehälter mit den seltensten Individuen vollgefüllt, die sich durch lebhafte Farben und oft abenteuerliche, viereckige, kugelrunde oder vollkommen lanzettartige Formen auszeichneten. Auch zwei giftige Fische befanden sich darunter, deren Stich binnen zehn Minuten den Tod herbeiführen soll; begreiflicherweise beförderten wir diese Exemplare mit der äußersten Vorsicht in die Gläser.

An Bord der „Elisabeth“ fand ich die ganze herrliche Sammlung, welche der Resident mir geschenkt, bereits in meinem Salon aufgestapelt und das Schiff von Händlern umschwärmt, die lebende Papageien, Kasuare, Hirsche und Affen, dann Muscheln, Korallen und Nippes aus Muskatblüten zum Kauf boten.

Das Wetter hatte sich ganz aufgehellt, und man konnte daher erst heute ermessen, wie schön die malerische Bucht von Amboina in günstigerer Saison sein müsse. Der klare Nachmittag lockte mich bald wieder ans Land, wo ich zum Glück unerkannt und ohne das Cortege von „Hoch soll er leben“ singenden Buben einen Spaziergang durch die Stadt unternahm. Beim Diner erfreuten wir uns der Gesellschaft des Residenten, welcher von den Klängen unserer Bordkapelle und vom Champagner, dessen er lange entbehrt hatte, ganz entzückt war und bis zu später Stunde an Bord blieb, viel Interessantes über sein Leben auf den Inseln, über die Sitten und Gebräuche der Eingeborenen erzählend.

Links

  • Ort: Ambon
  • ANNO – am 01.07.1893 in Österreichs Presse.
  • Das k.u.k. Hof-Burgtheater spielt „Fräulein Frau“ und „Der sechste Sinn“, während das k.u.k. Hof-Operntheater vom 1. Juni bis 19. Juli geschlossen bleibt.

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